Süddeutsche Zeitung

Sparpläne der Bundesregierung:Kein bisschen Frieden

Lesezeit: 3 min

Die Details des milliardenschweren Sparpakets sind noch nicht bekannt, da hagelt es schon Kritik: Opposition und Gewerkschaften sehen den sozialen Frieden bedroht - und selbst Regierungsvertreter melden Zweifel an.

Die Gewerkschaft Verdi hat die Bundesregierung davor gewarnt, mit einer Rotstift-Politik die soziale Schieflage in der Bundesrepublik zu verschärfen. "Die Bundesregierung belastet einseitig die Schwachen in der Gesellschaft, statt starke Schultern angemessen zur Finanzierung des Gemeinwesens heranzuziehen", sagte Verdi-Chef Frank Bsirske vor Beginn der Schlussberatungen der Kabinetts-Sparklausur am Montag in Berlin.

"Einschnitte bei den Rentenbeiträgen für Langzeitarbeitslose, Abstriche beim Elterngeld, Kürzungen bei den Fördermitteln für Erwerbslose, Arbeitsplatzabbau im öffentlichen Dienst - gerecht geht anders", sagte er. Wer ausgerechnet bei den Schwächsten streiche, gefährde den sozialen Zusammenhalt. Stattdessen sollten große Vermögen und reiche Erben steuerlich stärker herangezogen werden, mahnte Bsirske.

SPD und Linke kündigen massiven Widerstand an

Der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer, sagte im Südwestrundfunk, statt im Sozialetat zu kürzen, könne Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble relativ einfach zu 30 Milliarden Euro an Mehreinnahmen kommen. Zwölf Milliarden seien über eine Vermögensabgabe zu erzielen, sechs Milliarden über eine höhere Erbschaftssteuer und noch einmal zwölf Milliarden über eine Finanzmarktsteuer.

Die SPD kündigte massiven Widerstand gegen die Sparpläne der Bundesregierung an. Das Hauptproblem seien die geplanten Kürzungen bei denen, die sich kaum wehren könnten, sagte Generalsekretärin Andrea Nahles auf NDR-Info. Auf der anderen Seite traue sich die Bundesregierung nicht, zum Beispiel Spekulanten zu besteuern, um so die Einnahmesituation zu verbessern.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, sagte im Deutschlandfunk, seine Partei werde mit den Gewerkschaften eine gemeinsame Front bilden, um einen "neuen Lastenausgleich" zwischen Arm und Reich zu organisieren.

Grüne fordern Debatte im Parlament

"Die Leute dürfen nicht das Gefühl bekommen, die Regierung rettet die Banken, Griechenland und den Euro, aber wenn es um das normale Leben der Menschen geht, dann schützt sie niemanden", sagte Oppermann. Dadurch könne das Vertrauen der Bundesbürger in die Demokratie bröckeln.

Der SPD-Politiker forderte die Regierung auf, das umstrittene Wachstumsbeschleunigungsgesetz, zu dem auch die Mehrwertsteuersenkung für Hotelübernachtungen gehört, zurückzunehmen. Allein diese Maßnahme brächte sofort 5,6 Milliarden Euro für die öffentliche Hand.

Die Grünen wollen so schnell wie möglich im Bundestag über die Sparpläne der Regierung reden. Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck erklärte am Montag in Berlin, seine Fraktion habe im Parlament eine Aktuelle Stunde mit dem Titel "Gerechte Verteilung der Lasten statt einseitiger Kürzungen bei Eltern und Arbeitslosen" beantragt.

Die Regierung wolle einseitig bei Arbeitslosen und Eltern sparen, kritisierte der Grünen-Politiker. "Einnahmeerhöhungen, die auch die Gewinner der Krise und die Vermögenden stärker heranziehen, scheut sie wie der Teufel das Weihwasser", monierte Beck. "Diese Schieflage wollen wir im Bundestag thematisiert haben."

Die Linke will ein "breites Widerstandsbündnis" gegen die Sparpläne der Bundesregierung auf die Beine stellen. Wenn die Regierung gegen das Volk regiere, dann hätten die Bürger das Recht, sich zu wehren, sagte Parteichef Klaus Ernst am Montag in Berlin.

Jung: Politische Grundsätze nicht über Bord werfen

Kritik an den milliardenschweren Sparplänen muss sich das Kabinett aber auch aus den Reihen der Regierungspartei CDU anhören: Der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk, sagte im Deutschlandfunk: "Der Wurf, strukturell etwas zu verändern, fehlt."

Lauk forderte, den Spitzensteuersatz anzuheben, um die Lastenverteilung zwischen Arm und Reich gerechter zu gestalten. Hier blockiere allerdings die FDP sich selbst. Lauk sprach sich auch dafür aus, halbierte Mehrwertsteuersätze zu streichen, mit Ausnahme der Grundnahrungsmittel. "Wir haben den sozialen Frieden durch Transferleistungen gewährleistet und durch Schulden finanziert. Jetzt müssen wir den Frieden bewahren ohne neue Schulden, das ist etwas völlig Neues."

Der frühere Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) lehnt die Überlegungen seines Nachfolgers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ab, die Wehrpflicht aus Kostengründen auszusetzen. Bei der Wehrpflicht gehe es um eine Grundüberzeugung der Union, da sie die Einbindung der Bundeswehr in die Gesellschaft sichere, sagte Jung der Frankfurter Rundschau. Der CDU-Politiker war von 2005 bis 2009 Verteidigungsminister.

Die Frage der Wehrform sei ein Beispiel dafür, dass politische Grundsätze in der Kürzungsdiskussion nicht aufgegeben werden dürften, so Jung. Guttenberg prüft derzeit ein Aussetzen der Wehrpflicht. Der Minister erwartet, dass sich dadurch mehr als 400 Millionen Euro pro Jahr einsparen lassen könnten. Daneben ist auch eine deutliche Herabsetzung der Personalstärke der Bundeswehr im Gespräch.

Auch die SPD hat die schwarz-gelbe Koalition aufgefordert, die geplante Verkürzung des Wehrdienstes auf sechs Monate von der Tagesordnung des Bundestags zu nehmen. "Das muss vom Tisch", sagte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, dem Kölner Stadt-Anzeiger. "Die Verkürzung des Wehrdienstes in diesem Schweinsgalopp durchzuziehen, ist abenteuerlich."

Die schwarz-gelbe Bundesregierung hatte sich am Sonntag bei ihrer Klausur im Kanzleramt nach gut elfstündigen Gesprächen in wesentlichen Punkten auf das Sparpaket verständigt. Die Beratungen sollen am Montagvormittag fortgesetzt werden. Am Nachmittag wollen Union und FDP die Details der Maßnahmen vorstellen. Geplant sind vor allem Einschnitte im Sozialbereich. Bis zuletzt strittig waren Steuererhöhungen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.954454
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de/dpa/AFP/Reuters/AP
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.