Sparpläne der Bundesregierung:Käßmann fordert kirchlichen Widerstand

Ungerechtes Sparpaket: Ex-Bischöfin Margot Käßmann kritisiert, dass bei Hartz-IV-Eltern geknapst wird. Verbände und Gewerkschaften kündigen Demonstrationen an.

Als Margot Käßmann vor einigen Wochen auf dem Ökumenischen Kirchentag in München auftrat, wurde sie gefeiert wie ein Star. Man hörte ihr zu. Sie ist eine Instanz geworden.

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Margot Käßmann meldet sich wieder zu Wort: Die ehemalige Bischöfin kritisiert das Sparpaket der Bundesregierung.

(Foto: dpa)

Die einstige Ratsvorsitzende des Evangelischen Kirche in Deutschland mischt sich nach den Berliner Spar-Beschlüssen auch wieder zur Tagespolitik zu Wort. An diesem Montagabend war die ehemalige Bischöfin im Martin-Luther-Forum in Gladbeck zu Gast - und redete Klartext.

Nicht nur, dass Margot Käßmann ihre Kritik am Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr erneuerte. Die Debatte sei "noch nicht zu Ende geführt worden", kritisierte die Theologin laut Nachrichtenagentur epd. Man müsse anfangen, den Opfern mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Sie schloss explizit die zurückkehrenden Soldaten mit ein.

Viel Kritisches fiel ihr zu dem geplanten Sparpaket der schwarz-gelben Bundesregierung ein. Das einstige Oberhaupt der deutschen Protestanten forderte Aktionen gegen die Politik von Angela Merkel ein.

Sie rief die Kirche wortreich dazu aus, Widerstand zu leisten gegen die geplante Streichung des Elterngeldes für Hartz-IV-Empfänger. "Als ich von der Streichung erfahren habe, habe ich mich gefragt, ob Hartz-IV-Empfänger weniger Würde als andere Menschen haben", sagte die Bischöfin.

Käßmann ermunterte die Kirche, politisch zu sein: Sie müsse nun ihr Wächteramt wahrnehmen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) will den Protest gegen den Spar-Hammer der Merkel/Westerwelle-Regierung auf die Straße tragen. DGB-Chef Michael Sommer kündigte eine großangelegte Aktion an. "Dieses verfehlte Sparpaket bleibt nicht ohne eine angemessene Antwort der Gewerkschaften", drohte er in der Rhein-Neckar-Zeitung. "Die Diskussion tragen wir jetzt in die Betriebe und Verwaltungen. Auch gegen die Kürzungen im öffentlichen Dienst werden wir mobilisieren."

Bereits am Samstag, den 12. Juni, sei in Stuttgart der Auftakt zu bundesweiten Demonstrationen geplant, kündigte die baden-württembergische Verdi-Landeschefin Leni Breymaier an.

DGB-Chef Sommer formulierte: Ziel sei es, die soziale Balance durchzusetzen, mit der es nun vorbei sei. "Nicht die starken Schultern werden belastet, sondern die schwachen", donnerte er. Die FDP habe sich durchgesetzt - es gebe keinerlei "angemessene Einbeziehungen derer, die die Krise verursacht haben" und die Besserverdienenden blieben ungeschoren. "Fahrlässig ist, dass Angela Merkel und ihre Koalition in der jetzigen Situation darauf verzichten, die Einnahmebasis des Staates zu verbessern." Als sinnvoll bezeichnete Sommer hingegen die Nichtbelastung der Bereiche Forschung und Bildung.

Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband ist durch die Sozialkürzungen alarmiert. Er warf der Bundesregierung vor, die Schwerpunkte ungleich zu gewichten. "Ausgerechnet bei den Armen anzusetzen, das zeugt von einer unglaublichen Kaltherzigkeit", so Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider in der Thüringer Allgemeinen mit Blick auf die Streichung des Elterngeldes für Hartz-IV-Empfänger. Das treffe vor allem junge, alleinerziehende Frauen, die mit diesen 300 Euro erheblich entlastet worden seien.

Schneider zeigte sich in einem Radiointerview enttäuscht, dass die Regierung eine soziale "Schamgrenze" überschritten habe. Die Bevölkerung wird nach Schneiders Einschätzung offen gegen die Sparpläne rebellieren: "Ich glaube, dass die Montagsdemonstrationen, die wir vor der Einführung von Hartz IV hatten, wieder aufleben."

Der Sozialverband VdK Deutschland geißelte die Sparpläne als unsozial. VdK-Präsidentin Ulrike Mascher nannte es "völlig verfehlt, bei denjenigen Bevölkerungsgruppen den Rotstift anzusetzen, die bereits in Armut leben oder von Armut bedroht sind". Die soziale Spaltung in Deutschland werde zunehmen, die Kluft zwischen Arm und Reich weiter wachsen.

Harsche Kritik auch von der Diakonie. Die schwarz-gelben Beschlüsse belasteten die sozial Schwächsten im Übermaß, schimpfte der Präsident des evangelischen Hilfswerks, Klaus-Dieter Kottnik, am Montagabend in Berlin. "Wer den Rotstift bei Familien und Erwerbslosen ansetzt, die jetzt schon nicht mit ihrem Einkommen auskommen, verbaut Wege aus der Armut."

Aber da soll es ja, siehe Margot Käßmann, Widerstand geben.

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