Süddeutsche Zeitung

Sparmaßnahmen in Frankreich:Rohkost statt Champagner

Zahlreiche Skandale gefährden Frankreichs Regierung. Nun nimmt Präsident Sarkozy das verschwenderische Kabinett an die Kandare. Die opulenten Zeiten sind vorbei.

Stefan Ulrich, Paris

Am Mittwoch lud Nicolas Sarkozy die Abgeordneten der regierenden UMP-Partei zum Buffet in den Élysée-Palast ein. Danach wunderte sich einer der Gäste: "Es gab keinen Champagner!" Auch sonst zeigte sich der Präsident sparsam: Käse und viel frisches Obst statt Entenstopfleber und Pasteten.

Dann fuhr Sarkozy doch noch schwere Kost auf. Im Oktober werde es eine große Regierungsumbildung geben, kündigte er an und grummelte: "Bestimmte Verhaltensweisen von Ministern haben mir nicht gefallen. Ich werde daraus strenge Konsequenzen ziehen." Auch der Parteiapparat der UMP werde umgebaut. Zuvor hatte Sarkozy im Kabinett gedroht, genau zu überwachen, dass sich die Minister an die Sparregeln halten, die er am Montag in einem Brief an Premier François Fillon befohlen hat. Die opulenten Zeiten scheinen vorbei zu sein in Paris.

Sarkozy will ein Signal der Tatkraft, Umkehr und Bescheidenheit geben. Dafür ist es höchste Zeit. Seit Wochen häufen sich Skandale und Skandälchen in seiner Regierungsmehrheit. Da ließ ein Staatssekretär auf Kosten des Steuerzahlers für 12.000 Euro Luxuszigarren bestellen, ein Kollege rechnete 116.500 Euro für einen Privatjet ab, andere Kabinettsmitglieder besserten ihre Gehälter mit ihren Abgeordnetenrenten auf, verschafften sich eine rechtlich zweifelhafte Baugenehmigung oder gerieten in Verdacht, ihre Dienstwohnung zweckzuentfremden.

Die Bürger bekamen den Eindruck, die regierende Rechte lasse es krachen, obwohl Sarkozy einst im Wahlkampf eine "untadelige Republik" und einen "Bruch" mit den verlotterten Politsitten versprochen hatte.

Dies alles wäre für den Präsidenten schon unter normalen Umständen schädlich. In Krisenzeiten, in denen der Staat die Franzosen zu Sparsamkeit und mehr Arbeit zwingt, wirkt es verheerend.

Der regierungsnahe Figaro veröffentlichte an diesem Donnerstag eine Umfrage, wonach nur noch 26 Prozent der Bürger Sarkozy vertrauen. Das ist der schlechteste Wert seit seiner Wahl vor drei Jahren. Um 2012 wiedergewählt zu werden, muss er also kräftig zulegen. Die entscheidende Phase seiner Amtszeit hat begonnen.

Die politische Agenda dieses Sommers ist schon schwer und unpopulär genug. Zum einen möchte die Regierung das Renteneintrittsalter auf 62 Jahre anheben, was im internationalen Vergleich bescheiden wirkt, in Frankreich aber breiten Widerstand hervorruft. Zum anderen will Sarkozy in den kommenden drei Jahren 100 Milliarden Euro einsparen, damit Frankreich seine Neuverschuldung bis 2013 auf drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes senken kann. Um all dies politisch durchzusetzen, braucht er eine glaubwürdige Regierung. Doch dieser setzen ständige Affären zu.

Am gefährlichsten ist der Fall Bettencourt. Er hat sich von einer Familienfehde zu einer Staatsaffäre ausgewachsen und wird von den Medien und der Opposition mit täglichen Enthüllungen zugespitzt. Ursprünglich ging es in dem Fall um den Geisteszustand der 87 Jahre alten Liliane Bettencourt. Als Erbin des Kosmetikkonzerns L'Oréal ist sie die reichste Frau Frankreichs. Die betagte Dame soll einem Günstling, dem 63-jährigen Fotografen und Dandy François-Marie Banier, in den vergangenen Jahren annähernd eine Milliarde Euro geschenkt haben.

Banier muss sich nun vor Gericht dafür verantworten, Madame schamlos ausgenutzt zu haben. Der Strafprozess wurde am Donnerstag eröffnet. Zugleich versucht Françoise Meyers-Bettencourt, die Tochter der L'Oréal-Erbin, ihre Mutter entmündigen zu lassen. Um zu beweisen, dass die Multimilliardärin sich hilflos ausnehmen lässt, legte die Tochter 24 CDs mit Gesprächen vor, die ein Butler von Liliane Bettencourt heimlich mitgeschnitten hatte.

Die aufgezeichneten Gespräche haben es in sich. Sie erwecken den Verdacht, dass Bettencourts Vermögensverwalter eine umfangreiche Steuerhinterziehung organisiert haben.

Früherer Finanzminister in Bedrängnis

Dies bringt einen der stärksten Männer im Kabinett, den Arbeitsminister Éric Woerth, in Bedrängnis. Woerth war bis März Finanzminister und damit für die Steuerfahndung zuständig. Doch obwohl die Justiz das Ministerium Anfang 2009 von dem Verdacht auf Steuerhinterziehung informierte, leitete dieses keine Prüfung ein.

Obendrein arbeitete Woerths Ehefrau auch noch als Anlageberaterin für jene Firma, die Bettencourts Vermögen verwaltet. Sie gab diesen Job erst jetzt unter Druck auf. Zudem ist Woerth nicht nur Minister, sondern auch noch Schatzmeister der Regierungspartei UMP. In dieser Funktion erhielt er Spenden von Bettencourt.

Dies alles veranlasste die Opposition, nun einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu fordern. Die sozialistische Ex-und-gern-wieder-Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal kritisiert, das "System Sarkozy" sei korrupt. "In welchem Land wäre ein Minister noch unter den Bedingungen im Amt, die heute den Franzosen bekannt sind?"

Sarkozy aber hält bislang eisern an Woerth fest. "Éric ist die Mensch gewordene Redlichkeit, und ich schätze ihn sehr", sagte der Präsident beim Buffet im Élysée. Wenn er den Arbeitsminister entließe, würde das doch so wirken, als habe dieser etwas verbrochen. Woerth aber habe glaubhaft versichert, sich nie in die Steuerangelegenheit Bettencourt eingemischt zu haben. Sarkozy behauptet, den Sozialisten gehe es in Wirklichkeit gar nicht um Woerth, sondern um die Rentenreform, das wichtigste Projekt seiner Amtszeit. Da der Arbeitsminister dabei federführend sei, werde er nun gerupft. Doch davon lasse er, Sarkozy, sich nicht beirren. "Ich achte auf alles, aber ich halte Kurs."

Lange Zeit hieß es in Paris, der Präsident habe noch mehr mit seinem klugen Minister vor. Woerth galt als aussichtsreicher Kandidat, Premier Fillon bei der nächsten Kabinettsumbildung zu beerben. Doch nun, mit der Bettencourt-Affäre im Gepäck, kommt Woerth für diesen Aufstieg kaum mehr in Frage. Damit darf Fillon hoffen, den Oktober im Amt zu überleben.

Dagegen dürfte Sarkozy einige der Minister und Staatsekretäre entlassen, die es sich mit Zigarren, Privatjets und anderen Vergünstigungen zu gut gehen ließen. In Paris wird eine Strafaktion erwartet.

Regierungsumbildung, Rentenreform, Sparhaushalt

Zugleich dürfte der Präsident im Herbst endlich sein Wahlkampfversprechen einlösen, die Regierung deutlich zu verkleinern. Außerdem könnte er einige Schlüsselposten neu besetzen. Außenminister Bernard Kouchner gilt als gefährdet. Der frühere Sozialist stand für die Strategie Sarkozys, sein Kabinett auch für die Linke zu öffnen und so die Opposition zu schwächen. Doch dieses Kalkül ging nicht auf.

Regierungsumbildung, Rentenreform, Sparhaushalt - es werden keine gemütlichen Monate im politischen Frankreich. Zudem müssen sich Minister und Beamte an eine Schlankheitskur machen, die ihnen ihr Präsident am Montag verordnet hat. Sarkozy will 10.000 Dienstwagen und 7000 Dienstwohnungen streichen und fordert seine Kabinettsmitglieder auf, bei Reisen nicht mehr im Hotel, sondern in Präfekturen und Botschaften zu nächtigen. Staatsjagden werden abgeblasen. Außerdem verzichtet der Präsident auf die traditionelle Gartenparty zum Nationalfeiertag am 14. Juli im Élysée-Palast.

Nicht einmal Käse und Obst wird es dann mehr geben, von Champagner ganz zu schweigen.

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SZ vom 02.07.2010/dmo
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