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Sparkurs trotz Wirtschaftswachstum:Der Gürtel bleibt eng

Die Konjunktur boomt, im Wirtschaftsministerium rechnet man sogar mit drei Prozent Wachstum. Trotzdem will die Regierung an ihrem Sparkurs festhalten. Außerdem wird über ein früheres Ende der Kurzarbeit nachgedacht.

Die Konjunktur boomt wieder - doch der Gürtel soll weiterhin enger geschnallt bleiben. Obwohl die deutsche Wirtschaft überraschend stark wächst, haben sich Politiker aus Union und FDP für eine Beibehaltung des Sparkurses ausgesprochen.

Was die wirtschafliche Entwicklung angeht, ist man auch in der Koalition optimistisch: Nach übereinstimmenden Berichten von Spiegel und Welt am Sonntag rechnen die Konjunkturexperten von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) mit mindestens drei Prozent Wachstum - das wäre sogar deutlich mehr als im abgelaufenen zweiten Quartal, in dem die deutsche Wirtschaft überraschend stark um 2,2 Prozent wuchs.

Mehr Wachstum bedeutet mehr Geld in der Staatskasse. Doch auch wenn die Neuverschuldung durch eine gute wirtschaftliche Entwicklung geringer ausfalle, sei es "zwingend geboten, am konsequenten Sparkurs festzuhalten", zitierte Die Welt CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. "Dies schulden wir unseren Kindern und Enkeln." Der Bund kann dieses Jahr mit elf Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen rechnen als bisher erwartet.

Auch er FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke sagte der Welt, es sei ein Irrtum anzunehmen, dass nun mehr Geld zum Ausgeben vorhanden sei. "Wir haben höchstens weniger neue Schulden." Zudem hätten zusätzliche Steuereinnahmen, die die gute Konjunktur in die Kasse spülen dürfte, "keine Folgen für die Schuldenbremse, nach der der Bund bis 2016 rund 65 Milliarden Euro sparen muss." Es gelte der alte Grundsatz: "Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not."

Der stellvertretende Fraktionschef der CDU, Michael Fuchs, schlug zudem einen Ausstieg aus staatlichen Konjunkturprogrammen vor. Weil die Wirtschaft so stark zulege, müsse man jetzt darüber nachdenken, die Kurzarbeit früher als geplant zu beenden, sagte er. Ansonsten gebe es zu viele Mitnahmeeffekte im Aufschwung. "Das Geld lässt sich besser verwenden", so Fuchs. Darüber hinaus fordert er einen schnellen Ausstieg auch aus anderen Hilfsmaßnahmen.

Kurzarbeit früher beenden

Egal ob Deutschlandfonds für die Unternehmen oder Bankenrettungsfonds Soffin, alles gehöre jetzt auf den Prüfstand, sagte Fuchs. Mit dem gesparten Geld solle lieber die Haushaltskonsolidierung vorangetrieben werden. Er sei "sehr optimistisch, dass wir die Wachstumsprognose des Bundeswirtschaftsministers von 1,4 Prozent für dieses Jahr um mindestens das Doppelte übertreffen", fügte Fuchs hinzu.

Die Opposition sieht den rigorosen Sparkurs kritisch. In der Bild-Zeitung verlangte der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, eine neue soziale Ausrichtung und mahnte die Koalition, die Belastung der gesellschaftlichen Gruppen der Wirtschaftsentwicklung anzupassen.

Elf Milliarden Euro mehr

Im zweiten Quartal trieben kräftige Exporte und anziehende Investitionen das Bruttoinlandsprodukt um 2,2 Prozent überraschend deutlich voran. Ein solches Plus hat es seit Einführung der gesamtdeutschen Statistik 1991 noch nicht gegeben, wie das Statistische Bundesamt an diesem Freitag erklärte.

Das hohe Wirtschaftswachstum lässt die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden deutlich steigen. "Die Steuereinnahmen werden im laufenden Jahr mindestens um elf Milliarden Euro über dem liegen, was die Steuerschätzer bisher erwartet hatten", sagte Alfred Boss vom Kieler Institut für Weltwirtschaft der Rheinischen Post.

Der Arbeitskreis Steuerschätzung hatte im Mai für Bund, Länder und Kommunen 510 Milliarden Euro Steuereinnahmen prognostiziert. Für das kommende Jahr erwartet der Experte sogar 15 Milliarden mehr, wenn die Regierung das Sparpaket unverändert lässt. Die Steuerschätzer hatten für 2011 bislang 515 Milliarden erwartet.

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit wird zudem seine Arbeitslosen-Prognose für das laufende Jahr von durchschnittlich 3,5 Millionen auf 3,2 bis 3,3 Millionen reduzieren, wie die Arbeitsmarktexpertin Sabine Klinger der Berliner Zeitung sagte.

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