Es ist nur ein Detail, aber es ist symptomatisch für die bis zum äußersten gespannten Nerven aller Beteiligten in der Griechenland-Krise. Nein, sagt der Sprecher von Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn am Dienstag in Brüssel, diese deutsch-französische Idee mit dem Sonderkonto für Griechenland, die sei nicht abgesprochen worden. Der zuständige Kommissar könne die Idee nicht beurteilen, weil weder Berlin noch Paris Details übermittelt hätten. Viel mehr hat auch der Präsident der Euro-Gruppe, Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, nicht zu sagen. Der Teufel liege bei solchen Vorschlägen immer im Detail, windet sich der ansonsten für klare Worte bekannte Juncker. Und weil er die Details nicht kenne, sei es zu früh, darüber zu entscheiden. Voilà.
Die europäischen Retter sind sich uneins, und unter normalen Umständen würde dieser Alleingang des deutsch-französischen Duos wieder für allerhand Ärger im Euro-Klub und in der Europäischen Kommission sorgen. Weil aber seit Monaten schon nichts mehr normal ist, weil alle müde, genervt und erledigt sind, begnügen sich die Übergangenen damit zu erklären, man freue sich, die Idee irgendwann "mit allen Partnern" zu bereden. Nur kein weiterer Ärger, keine öffentlichen Zankereien, keine kleinlichen Machtspielchen, man will geschlossen darauf warten, dass sich die Hellenen entscheiden, wie ihre Zukunft aussehen soll.
Die alles entscheidende Hürde
Soll die Zukunft innerhalb des Euro-Klubs stattfinden, muss die Regierung von Premier Lukas Papadimos jetzt drei Hürden überspringen. Und eine vierte Hürde ist vor allen politischen Parteien des Landes aufgebaut. Diese Hürde ist sozusagen die alles entscheidende. Es ist die Verpflichtung aller politischen Parteien, möglichst auch der Gewerkschaften, die gemeinsam verhandelten Spar- und Reformprogramme umzusetzen, und zwar unabhängig davon, wie die nächsten Wahlen ausgehen.
Im April soll ein neues Parlament gewählt werden und die nach dem Rücktritt von Giorgos Papandreou eingesetzte Übergangsregierung ablösen. "Diese Verpflichtung ist der Knackpunkt", sagt am Dienstag der Vertreter eines Euro-Landes. Wird sie unterschrieben, geht der Daumen hoch. Sonst geht er runter. Dann gibt es kein Geld mehr von den Euro-Partnern, das Land wäre zahlungsunfähig, dann greift Plan B, vielleicht sogar der Austritt Griechenlands aus dem Euro. Spätestens im März sind die Unterschriften fällig - als finale Gegenleistung dafür, dass die Europäer den Hellenen noch einmal unter die Arme greifen.
Zuvor müssen die anderen drei Hürden genommen werden: Die griechische Regierung muss zustimmen, eine Liste mit bisher nicht erledigten Reformvorhaben abzuarbeiten. Sie muss zusätzlichen Reformen zustimmen. Und sie muss sich mit den privaten Gläubigern über einen Schuldenerlass einigen.
Die Termine sind eng. Besonders dringend sind Verhandlungen mit den privaten Gläubigern um einen Schuldenerlass. Im Oktober 2011 wurde vereinbart, dass die privaten Banken und Fonds der griechischen Regierung mindestens 100 Milliarden Euro an Schulden erlassen - und zwar dadurch, dass sie auf die Hälfte des Nennwerts der von ihnen gehaltenen griechischen Staatsanleihen verzichten. Der Schuldenerlass ist eine zwingende Voraussetzung dafür, dass es Athen bis 2020 schafft, seine Schulden wieder alleine zu finanzieren.
Seit Oktober laufen die Vorverhandlungen der griechischen Regierung mit Bankenvertretern, am Abend zeichnete sich eine Einigung ab. Am kommenden Montag läuft die Frist ab. Am 13. Februar muss Athen den privaten Gläubigern ein offizielles Angebot für den Umtausch alter griechischer Anleihen in neue vorlegen. "Da gibt es kaum noch Spielraum", sagt einer der Unterhändler. Grund sind die Fristen, die beim Anleihetausch eingehalten werden müssen. Am 20. März muss Griechenland 14,5 Milliarden Euro Schulden ablösen, das Land hat kein Geld dafür. Wenn es Hilfskredite in Anspruch nehmen will, muss es zuvor den Schuldenerlass fertigverhandelt haben.
Von der Höhe des Schuldenerlasses hängt auch ab, wie groß ein zweites Hilfspaket wird. Bisher sind 130 Milliarden Euro eingeplant, und einige Euro-Länder schließen definitiv aus, diese Summe weiter zu erhöhen. Sollte nun dieses Geld zusammen mit dem Schuldenerlass der privaten Gläubiger nicht reichen, um Griechenland auf die Beine zu helfen, müssen auch die öffentlichen Banken einspringen. Beteiligte bestätigen, dass auch in der Europäischen Zentralbank (EZB) darüber nachgedacht wird, notfalls zusätzliche "geeignete Maßnahmen" zu ergreifen. Wie diese Hilfen aussehen könnten, darüber schweigt die Notenbank. Politiker aus den Euro-Ländern sagen, dass die EZB unabhängig sei und deshalb nicht vorher ankündigen müsse, wie sie "ihre Verantwortung wahrnimmt".
Die Nerven liegen blank
Schließlich muss Athen zwei politische Hürden nehmen. Die Regierung muss sich mit der Troika - also den Kreditgebern von Europäischer Zentralbank, Europäischer Kommission und Internationalem Währungsfonds - darauf einigen, eine Liste abzuarbeiten, welche die größten Versäumnisse aus den bisherigen Spar- und Reformversprechen enthält.
Und sie muss zusätzlichen Maßnahmen zustimmen, die in den kommenden Jahren zu erledigen sind. Premier Papadimos hat bereits mehrere Male Sitzungen seines Kabinetts dazu verschieben müssen. Da sich das Land im Wahlkampf befindet und die Parteien mit aller Macht verhindern wollen, mit den ungeliebten Sparmaßnahmen in Verbindung gebracht zu werden, sträuben sie sich, die von der Troika geforderten Verpflichtungen zu unterschreiben.
Und weil in den vorigen Wochen trotz der dramatischen Krise nichts Entscheidendes passiert ist und andererseits die Zahlungstermine näherrücken, liegen jetzt überall die Nerven blank - und neue Szenarien in den Schubladen. Sollten sich die griechischen Parteien weiter weigern, ihre Verpflichtungen zu erfüllen, werden die Euro-Länder wohl die Notbremse ziehen.
"Die Sache ist simpel", sagt ein Vertreter. "Entweder die Regierung einigt sich mit der Troika und den privaten Gläubigern, dann treffen sich noch in dieser Woche die Euro-Finanzminister, um das Hilfspaket zu schnüren. Oder sie einigen sich nicht. Dann treffen sich demnächst die Staats- und Regierungschefs des Euro-Klubs, und zwar nicht mehr wegen eines Hilfspakets, sondern um den Plan B zu beschließen."