Spannungen mit Spanien:"Schwierige Kiste" für Berlin

Spannungen mit Spanien: Ein Banner an der JVA Neumünster, in der Puigdemont festgehalten wird, fordert seine Freilassung.

Ein Banner an der JVA Neumünster, in der Puigdemont festgehalten wird, fordert seine Freilassung.

(Foto: AFP)
  • Im Katalonien-Konflikt stand die Bundesregierung immer auf der Seite Madrids.
  • Durch die Festnahme des Separatistenführers Puigdemont ist sie nun jedoch stärker in den Fall verwickelt, als ihr lieb ist.
  • Mehr als Allgemeinplätze sind von Verantwortlichen in Berlin bei öffentlichen Auftritten nicht dazu zu hören. Man fürchtet sich, so scheint es, vor den Konsequenzen des eigenen Handelns.

Von Mike Szymanski, Berlin

Die Behörden haben zuverlässig gearbeitet. Das steht schon einmal fest. Der Tipp kam aus dem Ausland. Und dann hat die Informationskette bestens funktioniert, so hat es jedenfalls den Anschein. Der Gesuchte wurde von Polizeibeamten kurz nach der Einreise in Deutschland festgesetzt und befindet sich seither in Gewahrsam. Alles dürfte also nach Recht und Ordnung verlaufen sein.

Wer aber am Montag die Sprecher der Bundesministerien bei ihren Routine-Auftritten vor den Hauptstadtjournalisten hört, bekommt den Eindruck: Nichts ist in Ordnung, gar nichts. Denn der Gefangene heißt Carles Puigdemont, ist 55 Jahre alt und ehemaliger katalanischer Regierungschef. Aus Sicht der Regierung in Madrid ist der Separatistenführer ein Verbrecher. In Belgien lebte er seit dem Herbst im Exil und konnte sich dort frei bewegen. In Finnland hatte er Ende vergangener Woche Redeauftritte und fuhr danach mit dem Auto ungehindert durch die EU-Mitgliedstaaten Schweden und Dänemark zurück Richtung Belgien.

Und ausgerechnet wem geht der Mann dann ins Netz? Den Deutschen. "Schwierige Kiste", sagt ein Beamter aus dem Auswärtigen Amt, halb im Scherz, halb verzweifelt. Zu solch einer Aussage lässt sich natürlich keiner der Sprecher hinreißen. Ob aus dem Auswärtige Amt, dem Innen- oder Justizressort - jeder verweist lieber auf den jeweils anderen, wenn es um diese Frage geht: Und was kommt nun?

Die Bundesregierung hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass sie auf Seiten der Zentralregierung in Madrid steht. Aber hineingezogen werden wollte Berlin in diesen Konflikt nicht. Der müsse in Spanien gelöst werden, hieß es. Als Vermittler wollten die Deutschen auch nicht auftreten, das hätte nur die Katalanen aufgewertet - so die Sorge in Berlin.

Polizei in Schleswig-Holstein habe "in eigener Zuständigkeit" entschieden, heißt es

Aber nun sitzt ausgerechnet einer der Hauptprotagonisten des Konfliktes in der Justizvollzugsanstalt Neumünster in Schleswig-Holstein. Und wie es mit ihm weitergeht, darüber entscheidet auch die Justiz in Schleswig-Holstein. Wer in Berlin Antworten haben möchte, etwa ob das deutsche Recht den Straftatbestand der Rebellion kenne, bekommt von den Sprechern zu hören: "Ich verweise auf Schleswig-Holstein." Die Polizei in Schleswig-Holstein habe "in eigener Zuständigkeit" entschieden, wird noch angemerkt.

Der Tipp, dass Puigdemont vor der Einreise nach Deutschland stehe, sei über den deutschen Verbindungsbeamten des BKA in Madrid gekommen. Woher dieser seine Informationen hatte, blieb indes unklar. Hinter vorgehaltener Hand hieß es, der spanische Geheimdienst habe Puigdemont beschattet. Die spanische Nachrichtenagentur Efe meldete am Montag unter Berufung auf Ermittler, dass die Agenten eine Wanze am Auto angebracht hätten.

Regierungssprecher Steffen Seibert allerdings verlegte sich zunächst auf Allgemeinplätze: "Spanien ist ein demokratischer Rechtsstaat", sagte er. Was das für das Auslieferungsbegehren Madrids bedeutet, sagte er indes nicht. Würden die Deutschen Puigdemont nicht übergeben, würde das Madrid vor den Kopf stoßen. Würden sie ihn übergeben, gäbe es mit Sicherheit Massenproteste in Katalonien. Doch die Entscheidung trifft nicht die Bundesregierung. Deutschland steckt mittendrin im Konflikt.

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