Süddeutsche Zeitung

Spannungen in Hongkong:Maskierte Bande greift Demonstranten an

  • Eine Gruppe von etwa 30 maskierten Männern hat in der chinesischen Metropole Hongkong versucht, eine Barrikade der für mehr Demokratie demonstrierenden Studenten abzureißen.
  • Auch in der Nacht zum Samstag kam es zu Zusammenstößen, die Polizei setzte Schlagstöcke ein.
  • Die Demonstranten sagen die geplanten Gespräche mit Vize-Verwaltungschefin Carrie Lam ab.
  • Viele Behörden und Schulen bleiben wegen der Proteste weiter geschlossen.

Barrikade gestürmt

Die Spannungen in Hongkong haben sich wieder verschärft: Am Freitag ist es zu Angriffen auf die Demonstranten gekommen. Eine Gruppe von 30 Männern mit Atemschutzmasken hätte im Stadtteil Causeway Bay eine Barrikade der demonstrierenden Studenten gestürmt und versucht, diese niederzureißen, berichtete die South China Morning Post. Es sei zu Handgreiflichkeiten zwischen Demonstranten, Gegendemonstranten und Polizisten gekommen.

Auch auf der Halbinsel Kowloon in Mong Kok war es kurz zuvor zu chaotischen Szenen gekommen. Einige Gegner der Demonstranten hätten Zelte zerstört und Menschen geschlagen. "Geht nach Hause, geht nach Hause", riefen demnach einige ältere Gegner der Proteste. "Sie kamen als eine große Gruppe am Nachmittag und zerstörten alle unsere Zelte", berichtete die 27-jährige Yu-Chun-tun der Nachrichtenagentur dpa.

Die Studentenführer vermuten, dass die Gegendemonstranten von pekingfreundlichen Kräften geplant würden. Die Studentenvereinigung sprach von "organisierten Angriffen auf friedliche Demonstranten".

Zehntausend aufgebrachte Hongkonger strömen auf Straße

Auch in der Nacht zum Samstag kam es zu Zusammenstößen. Alleine im Stadtteil Mong Kok strömten mehr als zehntausend aufgebrachte Hongkonger auf die Straße. Die Polizei setzte teilweise Schlagstöcke gegen die Demonstranten ein, später beruhigte sich die Lage wieder.

Die Polizei berichtete später, 19 Personen mit einem Hintergrund in den Triaden (der mafiaähnlichen Unterweltorganisation) seien festgenommen worden. Die Proteste in Mong Kok hatten sich auch daran entzündet, dass viele Menschen das Gefühl hatten, dass die Einsatzkräfte nicht energisch genug gegen die Angreifer vorgegangen seien.

Reformgespräche abgesagt

Nach den erneuten Zusammenstößen haben die Studentenführer die Reform-Gespräche mit Vize-Verwaltungschefin Carrie Lam abgesagt. Die Behörden hätten am Freitag die gegen friedliche Occupy-Demonstranten gerichteten "Gewalttaten der Triaden wissentlich ignoriert", hieß es zur Begründung. Deshalb gebe es "keine andere Option, als die Gespräche abzusagen", teilte der Studentenverband von Hongkong (HKFS) mit.

Erst am Vortag hatten sich die Demonstranten und die Regierung von Hongkong auf Gespräche für mehr demokratische Reformen geeinigt. Lam soll die Verhandlungen auf Anweisung von Regierungschef Leung Chun Ying führen. Dieser lehnt einen Rücktritt weiterhin strikt ab.

Es ist die schwerste politische Krise seit der Rückgabe der britischen Kronkolonie 1997 an China. Die Proteste hatten sich an Beschlüssen des Pekinger Volkskongresses entzündet, 2017 zwar erstmals eine direkte Wahl in Hongkong zu erlauben, den Wählern aber eine freie Nominierung der Kandidaten zu verweigern. Seit dem Souveränitätswechsel wird Hongkong weitgehend autonom regiert.

Schulen und Behörden bleiben geschlossen

Wegen der anhaltenden Proteste bleiben in Hongkong weiterhin zahlreiche Schulen und Behörden geschlossen. Hongkongs Finanzchef John Tsang warnte vor einem anhaltenden Imageschaden für die Stadt.

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