Andalusien ist groß, aber die Region Kastilien und León ist noch größer. Mit gut 94 000 Quadratkilometern ist das autonome Gebiet im Nordwesten Spaniens das flächenreichste der Iberischen Halbinsel, größer als jedes deutsche Bundesland. Zu ihm gehören urspanische Orte wie Salamanca, Burgos, León und Valladolid. Zugleich leben in der gesamten Region nur knapp 2,4 Millionen Menschen. Zamora im Nordwesten von Kastilien und León ist gar die am dünnsten besiedelte Provinz Spaniens.
Kein Wunder, dass sich in den weiten, oft noch wilden Landschaften zwischen dem Kastilischen Scheidegebirge im Süden und der Kantabrischen Bergkette im Norden noch allerlei wildes Getier herumtreibt, darunter an die 200 Braunbären – und mehrere Tausend Wölfe. Laut dem Umweltminister von Kastilien und León lebt dort die größte Wolfspopulation der Welt. Kein Wunder also auch, dass der in Deutschland und Österreich schwelende Streit zwischen Viehhaltern und Naturschützern in Kastilien und León besonders tobt. Auch dort geht es um die Frage: Darf man Wölfe abschießen?
Die Regionalverwaltung hält die Wolfsdichte für zu hoch
Der Europäische Gerichtshof hat das nun untersagt – mit der Begründung, dass die Spezies Wolf spanienweit nicht in einem „günstigen Erhaltungszustand“ sei. Darüber könne sich eine einzelne Region nicht hinwegsetzen.
Vorausgegangen war ein Hickhack zwischen der Regionalregierung und der spanischen Zentralregierung. 2019 hat die konservativ geführte Junta von Kastilien und León ein Kontingent an Wölfen zum Abschuss freigegeben. 2021 hatte die sozialistische Regierung Sánchez diese Erlaubnis kassiert.
Der Umweltminister von Kastilien und León, Juan Carlos Suárez-Quiñones, sagte nun, man werde sich an das Urteil halten und allenfalls jagen, wenn der Erhaltungszustand günstig sei. Er verwies aber auch auf die hohe Wolfsdichte in seiner Region und erklärte, man werde dafür kämpfen, die Hoheit über das Wolf-Management zurückzuerlangen.
In einem Halbjahr rissen Wölfe fast 1400 Rinder
Erst vor einigen Tagen hatte der EU-Gerichtshof einen Streit in Österreich auf ähnliche Weise entschieden. Doch während es in Tirol um den Abschuss eines spezifischen, besonders angriffslustigen Wolfs (Registriernummer 158 MATK) ging, hat das Thema in Kastilien und León eine ganz andere Dimension: Die dortige Regionalregierung wollte 339 Wölfe zur Jagd freigeben.
Nach dem Jagdverbot 2021 stieg die Zahl der gerissenen Nutztiere in Kastilien und León laut Regionalmedien deutlich. So seien allein in der ersten Hälfte des Jahres 2022 fast 1400 Rinder und mehr als 1000 Schafe von Wolfsrudeln erlegt worden, berichtete die Zeitung Diario de Castilla y León. Im Herbst jenes Jahres stellte sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf die Seite der Viehhalter: In einigen Regionen Europas sei die Konzentration der Wölfe zu einer „realen Gefahr“ für die Tierhaltung geworden.
Schätzungen zufolge marodieren mehr als 200 Rudel des Iberischen Wolfs, einer Unterart des canis lupus, auf beiden Seiten des Duero, der durch Kastilien und León nach Portugal fließt. So wie es aussieht, müssen die örtlichen Viehzüchter nun in Zäune investieren statt in Flinten.