Spanien:Spanischer Spitzensozialist unterstützt Merkels Flüchtlingspolitik

Pedro Sanchez

Pedro Sánchez, Spitzenkandidat der Sozialistischen Partei in Spanien, schließt eine große Koalition aus.

(Foto: AP; AP)

Pedro Sánchez könnte nach der Parlamentswahl in Spanien Ministerpräsident werden. Eins seiner Ziele: die EU davon überzeugen, seinem Land mehr Defizit zu gewähren.

Von Sebastian Schoepp, Berlin

Ohne Pedro Sánchez wird nichts gehen in Spanien nach dem 26. Juni. Davon ist der Spitzenkandidat der Sozialistischen Partei (PSOE) überzeugt, wie er beim Interview in Berlin betont - und damit hat er nicht mal unrecht, wenn man den Umfragen glauben darf. Demnach wird die Wahl ähnlich ausgehen wie die am 20. Dezember: vier Parteien im Parlament, dazu Splittergruppen, weder das linke Lager noch Mitte-Rechts stark genug. Nur Über-Kreuz-Kombinationen werden das Regieren ermöglich. Die Sozialisten bilden das Scharnier - und Sánchez ist entschlossen, das als Qualität zu begreifen.

"Die PSOE ist die einzige Kraft, die mit allen einig werden kann", sagt er im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Aber natürlich fände er es besser, wenn die PP in die Opposition müsse, betont er. Am Freitag wird er in einer Pressemitteilung der PSOE sehr viel deutlicher: "Ich werde nicht mit Rajoy paktieren", sagt Sánchez da. Der amtierende Ministerpräsident sei nicht die Person, die befähigt sei, einen großen Konsens herzustellen, er hat seine "absolute Mehrheit mit Absolutismus verwechselt". In der Erklärung stellt Sánchez gleichzeitig klar, dass er auch nicht mit der Volkspartei unter einer anderen Führungsperson zusammengehen werde, denn "die PSOE und die PP stehen für gegensätzliche Projekte." Dies habe er wiederholt betont. Seine Antwort auf die Frage, ob es in Spanien eine große Koalition wie in Deutschland geben könne, laute daher: "Nein und nochmals nein."

Bekenntnis zu Merkels Flüchtlingspolitik

Die Reise nach Berlin hat Sánchez unternommen, um klarzumachen, was man von ihm als Regierungschef erwarten könnte. Er formuliert ein Bekenntnis zu Angela Merkels Flüchtlingspolitik. Spanien werde sich solidarisch verhalten, kündigt der 44-Jährige an.

Die schlechte Nachricht für Berlin kommt hinterher. Er wolle die Defizitgrenze der "Realität Spaniens anpassen", was nur heißen kann: Er will die Erlaubnis für mehr Defizit einholen, was schwierig werden dürfte. Die EU droht den Defizitsündern Spanien und Portugal gerade mit Milliardenstrafen. Diese Bonus-Malus-Taktik hat schon der portugiesische Kollege António Costa angewendet, der in Lissabon seit einigen Monaten eine sozialdemokratische Minderheitsregierung führt, die von linken Gruppen toleriert wird. Costa probt den leisen Aufstand gegen das Sparen, will aber als Zuckerl mehr Flüchtlinge aufnehmen.

Ein Modell wie im Nachbarland hätte Sánchez nach der Wahl vom 20. Dezember auch gerne gehabt. Nur leider hat Spanien stärkere zentrifugale Kräfte. Die Positionen der separatistischen Gruppen, die Sánchez als Unterstützer gebraucht hätte, sind für eine Mehrheit in seiner Partei nicht hinnehmbar. Sánchez sagt dazu, er würde eine Verfassungsreform anstoßen, die Spanien zu einem föderalen Staat macht. "Damit würde der Separatismus von selbst zurückgehen."

Das allerdings ist die Frage, denn die Abspaltungstendenzen sind etwa in Katalonien im Zuge der Krise eher stärker als schwächer geworden. Um trotzdem ein Zeichen für die Einheit zu setzen, hat Sánchez sein mögliches Regierungsteam vergangene Woche in Barcelona vorgestellt und nicht in Madrid - ein "Signal an die katalanische Bevölkerung", wie er sagt.

Die EU will endlich eine stabile Regierung sehen

Sánchez betont ansonsten feierlich, niemand habe sich nach der Wahl am 20. Dezember so intensiv um eine Regierung bemüht wie er. Auch darin geben ihm die Umfragen recht. Allerdings könnte man auch sagen, die Regierungsbildung sei an ihm gescheitert, denn es hätte eine Möglichkeit gegeben, die er ausschloss: die Rolle als Juniorpartner in einer großen Koalition mit Rajoys Volkspartei. Dann wäre Sánchez jetzt Vizeregierungschef wie sein deutscher Kollege Sigmar Gabriel, und die Spanier müssten nicht neu wählen.

Was Gabriel ihm im Gespräch im Berliner Willy-Brandt-Haus gesagt hat, darüber lässt Sánchez sich nichts entlocken. Berlin und Brüssel machen Druck: Die EU will nach einem halben Jahr Stillstand endlich eine stabile Regierung in Spanien sehen. Dass seine Partei an einer großen Koalition zerbrechen könnte wie die griechische Pasok, weiß Sánchez. Trotzdem antwortet er auf die Frage danach in Allgemeinplätzen: "Der alte Gegensatz zwischen links und rechts existiert nicht mehr."

Sánchez wirbt mit einer Politik, mit der sein Vorvorgänger scheiterte

Aber ist nicht genau diese weltanschauliche Beliebigkeit der Grund, warum die Sozialdemokraten europaweit in die Krise geraten sind? Die Sozialdemokratie, hält Sánchez dagegen, sei die wirkliche Antwort auf die Herausforderung der sozialen Ungleichheit, die für Spanien ein besonderes Problem sei. Er wirbt mit Wachstumspolitik, öffentlichen Investitionen, dem Erhalt des Sozialstaats, höheren Steuern für Reiche - klassischer Sozialdemokratie also, mit der schon Vorvorgänger José Luis Zapatero scheiterte, weil Brüssel den Sozialisten ausbremste.

Die Protestparteien in Spanien, wie die linksalternative Podemos und die liberalen Ciudadanos, sammeln die Stimmen derer, die sich mit sozialdemokratischen Allgemeinplätzen und der Korruption der Konservativen nicht mehr abfinden wollen. Sánchez sagt dazu, die Populisten hätten nur nationale Projekte, "regressive Utopien", es fehle ihnen an der internationalen Perspektive. "Die wirklichen Lösungen sind komplexer als ein Tweet."

Damit hat er nicht unrecht, doch Podemos ist trotzdem dabei, die PSOE zu überflügeln, seit die Linksalternativen ein Bündnis mit den Exkommunisten der Vereinten Linken geschlossen haben. Sie nennen sich jetzt Unidos Podemos und wirken in ihrer frischen Unvernunft offenbar anziehender als der realpolitische Apparat der PSOE.

Die Konservativen werden bei der Wahl wieder stärkste Kraft werden

Wie realistisch die Ziele von Podemos sind, ist nach der Kehrtwende der griechischen Syriza-Regierung eine andere Frage, doch die spanischen Protestwähler möchten gerne an sie glauben. Und von denen gibt es viele, denn Spanien ist keineswegs aus der Krise, trotz moderaten Wachstums. Die Arbeitslosigkeit liegt über zwanzig Prozent, neue Jobs sind prekär und kurzfristig - eine Folge der Arbeitsmarktreform Rajoys.

Doch die Konservativen haben ihre Stammwähler, sodass sie am 26. Juni wieder stärkste Kraft werden dürften - allerdings wieder weit entfernt von einer absoluten Mehrheit. Die PSOE hingegen könnte bei der Wahl auch auf dem dritten Platz landen. Eine Schlüsselrolle wird ihrem Spitzenkandidaten Sánchez dann trotzdem zufallen - nur eben nicht als Regierungschef, sondern als kleiner Koalitionspartner, für wen auch immer.

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