Zehntausende Menschen haben in der spanischen Stadt Valencia gegen das Krisenmanagement der regionalen Behörden bei der Flutkatastrophe protestiert. Die Vertretung des spanischen Innenministeriums in der Region gab die Zahl der Demonstranten mit 130 000 an. Die Teilnehmer der Protestaktion, zu der 65 Organisationen, darunter Bürgerinitiativen und Gewerkschaften, kurzfristig aufgerufen hatten, forderten den Rücktritt von Regionalregierungschef Carlos Mazon. Teilnehmer skandierten unter anderem „Mörder, Mörder“ und „Rücktritt, Rücktritt“. „Unsere Hände sind mit Schlamm befleckt, eure mit Blut“, hieß es auf einem Transparent. Einige Demonstranten warfen aus Protest ihre schlammigen Stiefel vor dem Rathaus ab.
Die Demonstranten werfen der Regionalregierung vor, dass die Hilfe nach dem sogenannten Jahrhundert-Unwetter in der ostspanischen Region nur schleppend angelaufen sei. Nach einer Schweigeminute für die mehr als 200 Todesopfer der Katastrophe lasen mehrere Anführer der Demonstranten ein Manifest vor. Sie forderten die Klärung der Verantwortlichkeiten für die in ihren Augen „vermeidbaren Folgen der Katastrophe“ sowie die Absetzung der „inkompetenten valencianischen Regierung“.
Einem Bericht der Zeitung Las Provincias zufolge, kam es im Anschluss an die Kundgebung zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei. Mitglieder radikaler Gruppen hätten sich der ansonsten friedlichen Demonstration angeschlossen und Steine, Flaschen und brennende Behälter auf Polizeibeamte geworfen, berichtete die Zeitung. Zudem hätten einige versucht, das Regierungsgebäude zu stürmen und ein Feuer vor dem Haupteingang gelegt. Dem Bericht zufolge gab es vier Festnahmen.
Bei den schlimmsten Überschwemmungen in Spanien seit Jahrzehnten kamen mindestens 222 Menschen ums Leben. 214 Leichen wurden allein in Valencia geborgen. Acht Todesopfer gab es in den benachbarten Regionen Kastilien-La Mancha und Andalusien. Die offizielle Zahl der Vermissten wurde derweil in Valencia von 50 auf 41 reduziert. 19 Leichen seien noch nicht identifiziert.
Spanien stellt den Betroffenen 10,6 Milliarden Euro in Aussicht
Die Bewohner der betroffenen Gebiete in der Region Valencia werfen Mazon vor, zu spät Alarm geschlagen zu haben, als das Wasser bereits in viele nahe gelegene Städte und Dörfer strömte. So habe er die Warnungen, die der Wetterdienstes Aemet am Morgen herausgegeben hatte, erst am Abend als Alarm auf die Handys der Bevölkerung schicken lassen. Mazon sagte, er hätte früher Alarm geschlagen, wenn die Behörden von einer offiziellen Wasserüberwachungsstelle über den Ernst der Lage informiert worden wären.
„Wir wollen unsere Empörung und unseren Zorn über das schlechte Management dieser Katastrophe, von der so viele Menschen betroffen sind, zum Ausdruck bringen“, sagte Anna Oliver, Vorsitzende von Accio Cultural del Pais Valenciano, einer der Gruppen, die den Protest organisiert haben. Spanien hat den Opfern der katastrophalen Überschwemmungen Hilfen in Höhe von 10,6 Milliarden Euro in Aussicht gestellt.
Mazon äußerte sich derweil in einem Radiointerview. Dem lokalen Rundfunksender À Punt sagte er, es habe zunächst nach gewöhnlichen Unwettern ausgesehen, wie sie in der Mittelmeerregion öfter vorkommen. „Alles änderte sich um 19 Uhr, als die Flüsse über die Ufer traten.“ Der Alarm seiner Regierung ging dann um kurz nach 20 Uhr an die Handys der Einwohner der Region Valencia. Mazon betonte auch, es mache jetzt keinen Sinn, Verantwortlichkeiten zu klären. Jetzt gehe es um Bergung und Wiederaufbau, „mit viel Schmerz“.
Unwetter in Spanien:Als sei Godzilla durch den Ort gelaufen
Fehlende Hilfsgüter, kein Trinkwasser, keine unterstützenden Soldaten: Wie die Menschen im schwer getroffenen Paiporta gegen die Folgen der Katastrophe kämpfen.
Spaniens König Felipe VI. wird nur neun Tage nach den Ausschreitungen bei seinem ersten Besuch erneut ins Katastrophengebiet reisen. Der Monarch werde am Dienstag die vom sogenannten Jahrhundertunwetter schwer in Mitleidenschaft gezogene Region Valencia im Osten des Landes besuchen, teilte das Königshaus in Madrid mit. Seine Frau, Königin Letizia, begleitet ihn diesmal nicht. Am vergangenen Sonntag waren die beiden in Paiporta unweit der Provinzhauptstadt Valencia mit Schlamm beworfen und beschimpft worden.
Autowracks blockieren noch immer viele Hauseingänge
Der Monarch wolle die laufenden Bergungs- und Aufräumarbeiten beaufsichtigen, ließ das Königshaus in Madrid wissen. Etwa 8500 Militärangehörige sowie 10 000 Beamte der nationalen Polizeieinheit sind in den etwa 80 betroffenen Gemeinden im Einsatz. Zahlreiche Gebäude sind weiterhin nicht oder nur schwer zugänglich, da die Eingänge zum Teil nach wie vor von Autowracks und Hausrat blockiert sind.
Auch Hollywoodstar Johnny Depp stellte derweil Unterstützung in Aussicht. Er wolle schauen, inwieweit er helfen könne, „in welcher Form auch immer“, sagte der 61-jährige „Fluch der Karibik“-Star am Rande des Europäischen Filmfestivals in Sevilla. Depp sprach den Flutopfern Mut zu und sagte, sein Herz sei „bei den betroffenen Menschen“. Außerdem hob er „die Widerstandsfähigkeit des spanischen Volkes bei Ereignissen wie diesem“ hervor.
In Valencia hatte es am 29. Oktober in einigen Ortschaften innerhalb weniger Stunden so viel Regen gegeben wie sonst in einem Jahr. Inzwischen scheint im Katastrophengebiet seit Tagen die Sonne. Die Aufräumarbeiten laufen auf Hochtouren. Aber immer noch sind einige der dutzenden in Mitleidenschaft gezogenen Orte von Schlamm bedeckt.