Spanien und Portugal:Revolutiönchen gegen Brüssel

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Podemos-Führer Pablo Iglesias - wird er von Madrid aus zum Sturm auf das kapitalistische Brüssel und Berlin ansetzen? (Foto: dpa)

Nach Portugal könnten nun auch in Spanien linke Kräfte an die Regierung kommen. Sie wollen gegen die Reform- und Sparpolitik aufbegehren. Doch damit vertändeln sie nur Zeit.

Kommentar von Thomas Urban

Wird jetzt die EU doch von links überrollt, vom Südwesten her? Wird der Pferdeschwanz tragende Bürgerschreck Pablo Iglesias, der den russischen Revolutionär Lenin, den Erfinder des "roten Terrors", für einen großartigen Politiker hält, von Madrid aus zum Sturm auf das kapitalistische Brüssel und Berlin ansetzen, um das "Spardiktat" zu beenden? Nach dreimonatigem Gezerre hat sich die von Iglesias geführte linksalternative Gruppierung Podemos durchgerungen, ihre Mitglieder über die Tolerierung einer Mitte-links-Regierung aus Sozialisten und liberalen Ciudadanos (Bürger) abstimmen zu lassen. Eine derartige Koalition würde das Ende der konservativen Regierung unter Mariano Rajoy bedeuten, die das Land mit einem harten Sanierungsprogramm aus der Rezession geführt hat.

Somit bekäme die gesamte iberische Halbinsel einen Linksdrall, nachdem schon in Portugal Ende 2015 die Mitte-rechts-Regierung einem sozialistischen Minderheitskabinett Platz machen musste. Portugal hatte noch tiefer in der Krise gesteckt als Spanien, die EU, der Internationale Währungsfonds und die Europäische Zentralbank mussten es mit einem 78-Milliardenkredit vor dem Bankrott retten.

Keine Alternative zum Sparen

Eigentlich aber müssen sich die Befürworter des bisherigen Stabilisierungskurses nicht zu viele Sorgen machen. Die Portugiesen haben als Gegengewicht zu den Sozialisten, die sich auf zwei neomarxistische Gruppierungen stützen, den Konservativen Marcelo Rebelo de Sousa zum Präsidenten gewählt. In Spanien würden die Ciudadanos, vergleichbar mit der deutschen FDP, neomarxistische Experimente blockieren. Überdies kann die konservative Volkspartei Rajoys mit ihrer absoluten Mehrheit im Senat den Spielraum einer Mitte-links-Regierung einschränken.

Der nächsten spanischen Regierung bleibt ohnehin kaum etwas anderes übrig, als weiter zu sparen. Denn das Haushaltsdefizit lag 2015 immer noch bei 5,5 Prozent, einen Punkt schlechter als mit der EU vereinbart. Die Bilanz verhagelt haben einige der autonomen Regionen, die die Sparpläne der Konservativen aus Madrid schlicht ignorierten.

Gefährliche Naivität der Sozialisten

In Lissabon haben die Regierenden bereits nach ein paar Wochen gelernt, dass die großen Sprüche vom "Ende der Austerität" unwillkommene Auswirkungen zeigen: Die Zinssätze, die Portugal für Staatsanleihen garantieren muss, sind kräftig gestiegen, und auch die Arbeitslosenzahlen wachsen wieder. Derzeit spricht alles dafür, dass die Sozialisten in beiden Ländern mit ihrem Flirt mit Neomarxisten nur Zeit vertändeln auf dem Weg zur wirtschaftlichen Gesundung; ihre Vorstellung, unbequeme Strukturreformen umgehen zu können, ist gefährlich naiv.

Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die Querelen auf der iberischen Halbinsel weiterhin eine der tieferen Ursachen für ihre Krisen überdecken: die Subventionspolitik Brüssels, die den idealen Nährboden für die den Süden lähmende Korruption bildet. Spanien und Portugal werden sich nur erfolgreich reformieren können, wenn dies auch die EU tut.

© SZ vom 04.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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