Zwei Wochen vor dem Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien eskalieren die Spannungen mit Madrid. Die spanische Polizei hat mehrere Büros der katalanischen Regionalregierung in Barcelona durchsucht. Die Guardia Civil habe die Büros der Abteilungen für Wirtschaft und Außenpolitik sowie die Räume des Regierungschefs durchsucht, sagte ein Sprecher der katalanischen Behörden. Die spanische Zentralregierung in Madrid versuche auf allen Wegen, das für den 1. Oktober geplante Unabhängigkeitsreferendum zu verhindern.
Die spanische Polizei teilte mit, sie habe Mitarbeiter von Kataloniens Vize-Regierungschef Oriol Junqueras festgenommen. Darunter soll auch dessen engster Vertrauter sein. Medienberichten zufolge soll es insgesamt zwölf Festnahmen gegeben haben. Junqueras twitterte: "Sie greifen die Institutionen und damit die Bürger dieses Landes an. Wir werden das nicht zulassen." Ada Colau, die Bürgermeisterin von Barcelona, meldete sich ebenfalls via Twitter zu Wort: "Das ist ein demokratischer Skandal, dass öffentliche Behörden durchsucht werden und dass Amtsträger aus politischen Gründen festgenommen werden. Verteidigen wir die katalanischen Institutionen."
Separatisten in der EU:Der Wunsch nach Unabhängigkeit
Kataloniens Regionalparlament plant noch 2017 ein Referendum zur Abspaltung von Spanien. Auch in anderen Regionen Europas wollen Menschen die Unabhängigkeit. Ein Überblick.
Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy verteidigte die Aktion. Im spanischen Unterhaus sagte er, dass die Entscheidung dazu von einem Richter getroffen worden sei und jede Demokratie die "Pflicht" habe, die Anweisung einer der drei staatlichen Gewalten zu befolgen.
Wie die Zeitung El País berichtet, versammelten sich vor dem Regierungssitz mehrere Hundert Menschen, um gegen die Razzia zu demonstrieren. Dabei sollen sie "Unabhängigkeit" und "wir werden abstimmen" gerufen haben. Auf Fotos ist zu sehen, wie Demonstranten katalanische Flaggen schwenken und Plakate hochhalten, die für das Referendum am 1. Oktober werben.
Die Regierung in Madrid betrachtet die geplante Volksabstimmung der 7,5 Millionen Katalanen als illegal - ebenso wie das spanische Verfassungsgericht. Regierungschef Rajoy ist bereit, die schärfsten Waffen des spanischen Föderalismus auszupacken, um die Abstimmung zu verhindern. Artikel 155 der spanischen Verfassung erlaubt der Regierung in Madrid, eine Regionalregierung abzusetzen, falls diese verfassungswidrig handelt. Und das versucht die Generalstaatsanwaltschaft nun mehr als 700 katalanischen Bürgermeistern nachzuweisen.
Rund 50 von ihnen erhielten eine offizielle Vorladung, wer nicht erscheint, dem droht die Festnahme. Inzwischen sind die katalanischen Zeitungen voll von Berichten, wie der spanische Geheimdienst und die Guardia Civil Catalanistas, wie die Aktivisten der Unabhängigkeitsbewegung genannt werden, angeblich unter Druck setzen. Und vor wenigen Tagen beschlagnahmte die Polizei mehr als 1,3 Millionen Wahlplakate, die für die Unabhängigkeit werben.
Bislang waren die Katalanen in der Frage der Unabhängigkeit gespalten. Eine knappe Mehrheit lehnt die Unabhängigkeit ab. Doch seit 2015 haben die Befürworter der Unabhängigkeit die Mehrheit im Regionalparlament in Barcelona. Sollten die Spannungen mit Madrid nun weiter eskalieren, und sollte Rajoy mit seinen repressiven Maßnahmen fortfahren, dann, so erwarten Beobachter, dürften die Catalanistas bei der nächsten Regionalwahl auf einen Erdrutschsieg hoffen.