Spanien:Arroganter Amateur

Spanien steht wohl vor Neuwahl

Premier Pedro Sánchez im Unterhaus.

(Foto: dpa)

Der sozialistische Premierminister Pedro Sánchez galt vielen als Hoffnungsträger der europäischen Sozialdemokratie. Doch er schaffte es, sich und sein Minderheitskabinett in kurzer Zeit ins Aus zu manövrieren. Spanien stehen unruhige Zeiten bevor.

Kommentar von Thomas Urban

Pedro Sánchez, der Hoffnungsträger der europäischen Sozialdemokratie, ist gescheitert, das Parlament in Madrid hat seinen Haushaltsentwurf abgelehnt. Erst vor achteinhalb Monaten war er an die Spitze der Regierung getreten. Nach all den Niederlagen der Sozialdemokraten in den großen EU-Staaten, in der Bundesrepublik, in Frankreich, Italien, Polen, hatten sie endlich wieder Grund zum Jubeln gehabt.

Und Sánchez berauschte sich offenkundig an diesem Gefühl. Ständig reiste er ins Ausland, statt seine Basis zu Hause zu erweitern. Er hätte seine ganze Energie in das Schmieden einer tragfähigen Koalition legen müssen, er hätte Verbündete in der Mitte suchen müssen, denn im Parlament zu Madrid gibt es keine linke Mehrheit. Doch er tat dies nicht. Stattdessen trieb sein Minderheitskabinett gesellschaftspolitische Projekte voran, die linke Herzen höherschlagen ließen, aber nicht mehrheitsfähig waren. Dies zeigte sich gerade auch in seinem Haushaltsentwurf.

Die Sozialisten haben sich von den "kleinen Leuten" entfremdet

Auch hatte Sánchez keine Antwort auf die zwei Hauptprobleme, die die traditionsreiche Sozialistische Arbeiterpartei Spaniens (PSOE) mit den Parteigenossen in den anderen EU-Staaten gemeinsam hat: Ihr klassisches Wählermilieu ist zusammengeschmolzen, das Image der Partei prägen heute Verwaltungsjuristen und Universitätsdozenten, die sich vor allem um Frauen- und Minderheitenrechte kümmern; zur letzten Gruppe gehört auch Sánchez selbst.

Wie sehr sich die PSOE von den "kleinen Leuten" entfremdet hat, wurde bei den Regionalwahlen in ihrer Hochburg Andalusien im Dezember deutlich: Viele ihrer Stammwähler wechselten zu der rechtsradikalen Partei Vox, weil diese Alltagsprobleme in den Mittelpunkt der Wahlkampagne stellte, und schickten auf diese Weise die PSOE erstmals nach 36 Jahren in die Opposition.

Das zweite große Problem, das auch der SPD in Berlin und der PS in Frankeich nicht fremd ist: Der PSOE wird keine wirtschaftspolitische Kompetenz zugeschrieben. Der letzte PSOE-Premier, der 2011 abgewählte José Luis Zapatero, gilt als Hauptschuldiger an der Wirtschaftskrise, die dem Land eine Arbeitslosigkeit von 27 Prozent bescherte. Das ist zwar ungerecht, weil auch die zuvor regierenden Konservativen ihren Teil zu der Immobilienblase beigetragen hatten, deren Platzen die Krise auslöste. Doch war es Zapatero, der bis zum Schluss die Gefahr ignorierte. Von diesem Odium konnte Sánchez die PSOE nicht befreien.

Zudem begriff der Premier nicht, dass er die Krise um den katalanischen Separatismus nicht im Alleingang lösen kann. Er hätte das Katalonien-Problem aus dem Parteienstreit herausziehen müssen, indem er die rechten Gruppierungen konsultiert und eingebunden hätte. Aber Sánchez fehlt das Konziliante im Charakter, um Koalitionen zu schmieden und politische Gegner durch punktuelle Einbindung zu neutralisieren. Für seinen ebenso arroganten wie amateurhaften Politikstil steht das lautstark verkündete Projekt, die sterblichen Überreste des Diktators Franco umbetten zu lassen. Es gab viel Beifall aus dem Ausland dafür. Doch schnell zeigte sich, dass das Vorhaben miserabel vorbereitet war, die Regierung hatte nicht einmal vorab feststellen lassen, wer die Rechtstitel an der Grabstätte Francos besitzt. Nun wird es schon wieder vorgezogene Wahlen geben. Dem Königreich Spanien droht weiter politische Instabilität.

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