582 Mal sei Spaniens Premierminister Pedro Sánchez in den vergangenen fünf Jahren mit seinem Regierungsjet in aller Welt unterwegs gewesen, berichtete an diesem Montag die Zeitung El mundo. Die Gegner des sozialistischen Regierungschefs sehen darin eine Verschwendung von Steuergeld. Sánchez hingegen, der ausgezeichnet Englisch spricht, versucht sein wirtschaftlich aufblühendes Land als geopolitischen Player zu etablieren. Ähnlich oft wie er unterwegs ist, empfängt er internationale Staatsgäste in seinem Regierungskomplex im Nordwesten von Madrid.
Einem hochrangigen Besuch an diesem Montag dürfte er jedoch mit gemischten Gefühlen entgegengesehen haben. Nato-Generalsekretär Mark Rutte sollte am Abend eintreffen, um über Verteidigungsausgaben zu sprechen. Ein Besuch, der sich für Spaniens Premier ähnlich anfühlen dürfte wie für Normalbürger ein Einschreiben vom Finanzamt.
Spanien hat den Verteidigungshaushalt schon deutlich erhöht
Spanien wendet knapp 1,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auf, deutlich weniger als die meisten anderen Nato-Partner, die USA sowieso, aber auch Deutschland, Frankreich, Italien und sogar das iberische Nachbarland Portugal. Spaniens Militärausgaben liegen gefühlte Lichtjahre entfernt von den fünf Prozent, die US-Präsident Trump von den anderen Nato-Partnern einfordert. Sie liegen auch deutlich unter den drei Prozent, die Rutte im Angesicht der aktuellen Weltlage anpeilt. Sie liegen sogar unter den zwei Prozent, die 2014 unter den Nato-Partnern verabredet wurden.
Immerhin sollen die zwei Prozent bis zum Jahr 2029 erreicht werden, bekräftigte Spaniens Verteidigungsministerin Margarita Robles erst kürzlich. Doch deckt sich dieses Tempo ganz und gar nicht mit den Vorstellungen des Nato-Chefs: Demnach sollte das nur wenige Monate dauern – und danach weiter nach oben gehen. Auch Kaja Kallas, die Chefdiplomatin der EU, hält Trumps Forderung nach einer Erhöhung der Militärausgaben im Grundsatz für richtig.
Spanien sei ein „verlässlicher Partner“ ließ Pedro Sánchez in der vergangenen Woche im Interview mit einem amerikanischen TV-Sender in Davos wissen, man werde die Ziele in Sachen Militärausgaben einhalten. Auch kann er mit Recht darauf verweisen, dass Spanien den Verteidigungshaushalt in den vergangenen Jahren deutlich erhöht hat.
Wie sich das verhakte Parlament auf höhere Militärausgaben einigen soll, ist völlig unklar
Doch musste Sánchez dem Nato-Chef an diesem Montag wohl auch reinen Wein einschenken. Kein edler Rioja dürfte das gewesen sein, sondern ein für Rutte schwer verdaulicher Tropfen. Nicht nur hat Sánchez in der aktuellen Regierungskonstellation keine Handhabe, den Verteidigungsetat schlagartig zu erhöhen. Derzeit ist auch unklar, wie das bis 2029 gelingen soll.
Mehr als zehn Milliarden Euro wären nötig, um das aktuelle Verteidigungsbudget von knapp 20 Milliarden Euro aufzustocken und zumindest das Zwei-Prozent-Ziel zu erfüllen. Bis 2029 läge dieser Betrag angesichts von Spaniens wachsender Wirtschaft noch deutlich höher. Doch hat Premier Sánchez derzeit ganz andere Probleme als den Verteidigungsetat.
Spaniens Parlament hat in der aktuellen Legislaturperiode bislang jeglichen Haushaltsbeschluss verweigert, und für 2025 sieht es kaum besser aus. Erst in der vergangenen Woche hat der Kongress Sánchez eine schwere Niederlage bereitet. Die vom katalanischen Separatisten Carles Puigdemont befehligten Abgeordneten der Partei Junts verweigerten gemeinsam mit Konservativen und Rechtspopulisten ein Gesetzespaket, das bürgernahe Maßnahmen wie Rentenerhöhungen und Zuschüsse zum öffentlichen Nahverkehr vorsah.
Wie sich ein derart verhaktes Parlament auf höhere Militärausgaben einigen soll, ist derzeit völlig unklar. Zumal die Regierung Sánchez auch auf die Zustimmung einiger linker, pazifistisch eingestellter Parteien angewiesen ist.
Fühlt man sich auf der Iberischen Halbinsel weniger von Russland bedroht?
Um nicht als Kriegsdienstverweigerer dazustehen, betont man gerne und teils zu Recht Spaniens Engagement in Sachen Militär. So hat das Land mittlerweile eine fortschrittliche Rüstungsindustrie. Zudem sind 1500 spanische Soldaten in den baltischen Republiken stationiert, und ein spanischer Oberst befehligt eine multinationale Brigade in der Slowakei.
Doch zumindest Donald Trumps Bild von Spanien scheint all dies nicht aufzuwerten, wie man in Madrid betrübt feststellen musste. Auf die Frage eines spanischen Reporters nach Trumps Amtsantritt im Oval Office drohte der US-Präsident mit 100 Prozent Strafzöllen, schließlich sei Spanien ein Brics-Staat.
Tatsächlich steht das S im Reigen mächtiger Schwellenländer wie China, Russland und Indien für Südafrika und nicht für den verlässlichen Nato-Partner Spanien, den Sánchez gerne betont. Zugleich ist nicht ganz von der Hand zu weisen, dass man sich auf der Iberischen Halbinsel womöglich etwas weiter entfernt von der russischen Bedrohung fühlt als in Mitteleuropa.