Spanien50 Prozent obendrauf

Lesezeit: 2 Min.

Weil er es will: Spaniens Premier Pedro Sánchez verkündet eine kräftige Erhöhung des Militäretats.
Weil er es will: Spaniens Premier Pedro Sánchez verkündet eine kräftige Erhöhung des Militäretats. (Foto: JAVIER SORIANO/AFP)

Per Handstreich erhöht Premier Pedro Sánchez die Verteidigungsausgaben seines Landes, gegen den Willen seiner linken Koalitionspartner. Leisten kann sich das florierende Land eine größere Armee problemlos.

Von Patrick Illinger, Madrid

Nun also doch. Spanien, bisher Europas Schlusslicht in Sachen Militärausgaben, wird sein Verteidigungsbudget nicht erst 2029 auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) anheben, wie es zuvor der Plan war. Das von der Nato eingeforderte Ziel soll nun bereits in diesem Jahr erreicht werden.

Möglich machen das mehr als zehn Milliarden Euro, die Regierungschef Pedro Sánchez in den Verteidigungshaushalt einspeisen wird, wie er am Dienstag ankündigte. Bisher gibt Spanien 20 Milliarden für Verteidigung aus, das entspricht etwa 1,3 Prozent des BIP. Damit gibt Sánchez dem Drängen der Nato-Partner nach, die seit dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Trump mehr Engagement in Rüstungsfragen fordern. Mit diesem Anliegen hatte Nato-Generalsekretär Mark Rutte vor wenigen Wochen Sánchez aufgesucht. Und in der vergangenen Woche bekam Spaniens Wirtschaftsminister bei einem Besuch in den USA das Thema Militärausgaben in frostigem Ton serviert.

Fünf der 22 Kabinettsmitglieder protestierten

Heikel an Sánchez Entscheidung war ihre Eigenmächtigkeit: Er traf sie nicht im Konsens, weder mit der Opposition noch mit dem eigenen linken Koalitionspartner. Damit befeuert er einen weiteren Krisenherd in seiner Legislatur. Fünf seiner 22 Ministerinnen und Minister widersetzten sich, als im Kabinett der „industrielle und technologische Plan für Sicherheit und Verteidigung“ beschlossen wurde. „Exorbitant“ und „inkonsistent“ lauteten Kritiken aus dem Lager rund um Sánchez’ Stellvertreterin und Arbeitsministerin Yolanda Díaz, die das Linksbündnis Sumar anführt. Doch Spaniens Linke, in Militärfragen so zurückhaltend wie Linke anderswo in Europa, haben ein Problem. In Umfragen liegen sie weit hinter den Werten zurück, die sie bei der vorigen Parlamentswahl im Sommer 2023 erreicht hatten.

Ein Bruch mit Sánchez und dessen sozialistischer Partei PSOE käme für sie politischem Suizid nahe. Entsprechend hielt sich Yolanda Díaz zurück, als die Aufstockung der Verteidigungsausgaben auf der Tagesordnung des Ministerrats stand, und überließ die Kritik der Linken ihrem Kollegen aus dem Kulturressort.

Spannend dürfte allerdings noch werden, wie der neue Etat verbucht wird, da die Minderheitsregierung Sánchez seit 2023 ohne Haushaltsbeschlüsse des Kongresses regiert und auch in diesem Fall das Parlament nicht befragen wird, auch um eine offene Konfrontation mit dem Koalitionspartner zu vermeiden. Zudem gibt es weitere linke und regionale Parteien, etwa die katalanische ERC, deren eloquenter Fraktionsführer Militärausgaben kritisch sieht. Die konservative Opposition wiederum fordert, die Rüstungsausgaben auf drei Prozent des BIP zu erhöhen und ermahnt Sánchez, einen neuen Haushalt zur Abstimmung zu stellen. Diesem Spannungsfeld entgeht Sánchez nun dank des Beschlusses seiner Exekutive.

Doch so sehr es Spaniens Politik an Einigkeit mangelt, so wenig fehlt es derzeit an Geld. Die iberische Wirtschaft floriert. Das bescheinigen nicht nur einheimische Experten wie der Präsident der spanischen Zentralbank, José Luis Escrivá, der von „robustem Wachstum“ spricht. Die Zeitschrift Economist erklärte Spanien vor Kurzem zur derzeit besten Wirtschaftsnation der Welt. Der Internationale Währungsfonds senkte in dieser Woche die Wachstumsprognosen für sämtliche Industrienationen der Welt – außer für Spanien.

Kaum je sei die Kluft zwischen Spanien und dem Rest der EU derart groß gewesen, sagte Zentralbank-Chef Escrivá kürzlich in einem Vortrag. Vor gut zehn Jahren noch Sorgenkind der Eurokrise profitiert Spanien nun von Einwanderung und Tourismus. In diesem Jahr erwartet das Land einen Rekord von 100 Millionen Besuchern, die rund 140 Milliarden Euro ausgeben werden. Und in Branchen wie Wissenschaft, Bildung und Digitaltechnik arbeiten inzwischen mehr Spanierinnen und Spanier als im Hotelgewerbe.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Spanien
:Wie Drogenschmuggler unter dem Radar wegtauchen

Die portugiesische Polizei fängt auf dem Atlantik ein U-Boot mit sieben Tonnen Kokain ab. Die Ware war unterwegs nach Europa. Das lässt erahnen, wie professionell südamerikanische Kartelle inzwischen arbeiten.

SZ PlusVon Patrick Illinger

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: