Spanien:Milde für den Separatisten

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In Madrid wird ein Hindernis für die Regierungsbildung beseitigt. Die Generalstaatsanwaltschaft lässt den separatistischen Abgeordneten Junqueras aus Katalonien sein Europamandat antreten.

Von Sebastian Schoepp, München

Der inhaftierte katalanische Separatistenführer Oriol Junqueras hat nun doch die Chance, sein Amt als Europaabgeordneter anzutreten. Die Generalstaatsanwaltschaft in Madrid setzt sich für die vorläufige Freilassung des inhaftierten katalanischen Politikers ein und reagiert damit auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Der EuGH hatte vor knapp zwei Wochen entschieden, dass Junqueras von den spanischen Behörden zu Unrecht an der Aufnahme seines Mandats als Europaabgeordneter gehindert worden sei. Allerdings forderte die zum Justizministerium gehörende Generalstaatsanwaltschaft auch, dass Junqueras seine Strafe anschließend verbüßen müsse. In Spanien selbst darf Junqueras keine Ämter ausüben.

Der frühere Vize-Regionalchef der abtrünnigen Region Katalonien war im Mai ins Europaparlament gewählt worden, obwohl er in Untersuchungshaft saß. Er durfte das Gefängnis nicht verlassen, um in Madrid den Eid auf die spanische Verfassung zu leisten, der nach nationalem Recht für Europaabgeordnete vorgeschrieben ist. Deshalb hatte die spanische Wahlkommission Junqueras' Sitz in Straßburg für vakant erklärt.

Die langen Haftstrafen für Junqueras und andere Regionalpolitiker sind eines der Haupthindernisse für eine Regierungsbildung in Spanien. Die geplante Regierungskoalition aus den Sozialisten um Pedro Sánchez und den Linksalternativen von Podemos braucht die Stimmen katalanischer Abgeordneter im Madrider Parlament, um die Regierung übernehmen zu können. Ausschlaggebend sind die Stimmen der katalanischen Republikanischen Linken (ERC), der Oriol Junqueras angehört. Deren Abgeordneter Gabriel Rufían hatte in den vergangenen Tagen bei den Verhandlungen mit den Sozialisten stets klar gemacht, dass er sich Wohlwollen bei der Behandlung von Junqueras erwartet. Der Separatist war im Oktober zusammen mit mehreren Mitstreitern wegen Aufruhrs zu 13 Jahren Haft verurteilt worden, weil er bei dem verbotenen Unabhängigkeitsreferendum 2017 eine Schlüsselrolle gespielt hatte. Er war damals stellvertretender Regierungschef unter Carles Puigdemont.

Auch Puigdemont, der im belgischen Exil lebt, hatte 2019 eine Sitz im Europaparlament errungen. Um ihn einnehmen zu können, müsste auch er nach Madrid reisen, um einen Amtseid abzulegen. Würde er spanisches Territorium betreten, droht ihm die Verhaftung.

Die spanische Staatsanwaltschaft will die internationalen Haftbefehle gegen Puigdemont und sein Kabinettsmitglied Toni Comin um jeden Preis aufrechterhalten, obwohl beide - wie Junqueras - als Europaabgeordnete Immunität genießen. Der Versuch, ihnen die Sitze zu entziehen, war ebenfalls am Europäische Gerichtshof gescheitert. Deshalb ist weiterhin unklar, ob Puigdemont und Comin ihre Mandate in Straßburg ausüben können. Die Staatsanwaltschaft in Madrid möchte erreichen, dass das Europarlament die Immunität der beiden aussetzt. Die Chancen darauf stehen jedoch gering.

© SZ vom 31.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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