Süddeutsche Zeitung

Madrid:Spanien setzt Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel aus

Lesezeit: 3 min

Das neue Maßnahmenpaket soll vor allem bedürftigen Familien und Rentnern helfen. Der Tankrabatt wird allerdings eingeschränkt.

Von Celine Chorus

Als Reaktion auf die steigenden Lebenshaltungskosten hat die spanische Regierung an diesem Dienstag ein neues Maßnahmenpaket in Höhe von zehn Milliarden Euro vorgestellt. Ziel sei es, dass die Erleichterungen bei den wirklich Bedürftigen ankämen, sagte Ministerpräsident Pedro Sánchez. Es gehe ihm um den "Schutz der Mittel- und Arbeiterklasse, eine gerechte Lastenteilung und die Stärkung der Energiesouveränität Spaniens".

So soll die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel wie Brot, Milch, Käse, Obst, Gemüse und Getreide in Höhe von vier Prozent für ein halbes Jahr ausgesetzt werden. Für Teigwaren und Speiseöle soll der Satz von zehn auf fünf Prozent halbiert werden. Seit Monaten hatte der Vorsitzende der konservativen Partido Popular (PP), Alberto Núñez Feijóo, für eine solche Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel plädiert.

Seiner Forderung sei die Regierungskoalition aus der Partido Socialista Obrero Español (PSOE) und Unidas Podemos aber nur teilweise nachgekommen, kritisierte die PP, weil in dem Hilfspaket Produkte wie Fleisch oder Konserven nicht berücksichtigt werden. Die Generalsekretärin der PP, Cuca Gamarra, kritisierte zudem, dass die jüngsten Ankündigungen von Ministerpräsident Sánchez "zu spät kommen und der Situation, in der die Spanier leben, nicht gerecht werden".

Das Maßnahmenpaket der linken Regierung ist vor allem auf bedürftige Familien sowie Rentnerinnen und Rentner ausgerichtet. Etwa 4,2 Millionen Haushalten mit einem Jahreseinkommen unter 27 000 Euro und einem Vermögen von weniger als 75 000 Euro soll ein einmaliger Bonus von 200 Euro gezahlt werden. Zudem werden alle Renten um 8,5 Prozent und besonders niedrige Altersbezüge um 15 Prozent steigen. Geltende Ermäßigungen auf Strom- und Gaspreise sollen für sechs Monate verlängert werden. Das Verbot, Energielieferungen an bedürftige Haushalte zu kürzen, soll bestehen bleiben.

Mieten werden eingefroren, Tickets bleiben reduziert

Gute Nachrichten gibt es auch in anderen Bereichen: Mietverträge, die vor dem 1. Juli auslaufen, sollen unter den gleichen Bedingungen um sechs Monate verlängert werden. Allerdings wird dadurch nicht die jährliche Mietanpassung vermieden, die in Spanien oftmals automatisch entsprechend der Inflation steigt. Stattdessen wurde der Aufschlag für das gesamte Jahr 2023 auf maximal zwei Prozent begrenzt, laut Sánchez sollen Zwangsräumungen zudem ausgesetzt bleiben.

Vorgesehen ist auch, dass die Fahrpreise im Nahverkehr reduziert bleiben. Der Staat übernimmt 30 Prozent der Kosten für Monatskarten, solange die autonomen Gemeinschaften weitere 20 Prozent beisteuern. Tickets für den öffentlichen Nahverkehr sollen also weiterhin nur die Hälfte des normalen Preises kosten. Pendlerinnen und Pendler, die Mittelstreckenzüge nutzen, sollen ein weiteres Jahr kostenlos fahren können. Sánchez betonte, dass dies ein "beispielloses Engagement zur Förderung des öffentlichen Verkehrs darstellt und auf die Ziele des ökologischen Wandels ausgerichtet ist".

Eingeschränkt wird dagegen die seit Frühjahr geltende Ermäßigung des Benzinpreises. Der Tankrabatt in Höhe von 20 Cent pro Liter, von dem bislang alle Verbraucher profitierten, soll künftig nur noch für die "am stärksten betroffenen Bereiche" gelten. Dazu zählen laut Sánchez Transportunternehmen, die Landwirtschaft und der Fischfang. Landwirte sollen zudem 300 Millionen Euro Direkthilfen bekommen, um die gestiegenen Kosten für Düngemittel abzufangen.

Am Verfassungsgericht sind nun die progressiven Richter in der Mehrheit

Die neuen Maßnahmen sind das dritte Hilfspaket unter Ministerpräsident Sánchez, um die "wirtschaftlichen und sozialen Folgen" des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine abzufedern. Durch die bisherigen Bemühungen konnte Spanien die Inflationsrate von 10,8 Prozent im Juli auf 6,8 Prozent im November eindämmen und hat inzwischen eine der niedrigsten Preissteigerungen in der Europäischen Union.

Neben dem Hilfspaket konnte Sánchez am Dienstag einen weiteren Erfolg vermelden: Nach Monaten wurde die Blockade des spanischen Verfassungsgerichts und die damit einhergehende institutionelle Krise überraschend beendet. Der Justizrat wählte einstimmig zwei neue Verfassungsrichter, wodurch auch zwei weitere Richter, die die Regierung schon länger benannt hatte, ihre Ämter antreten können. Die konservative Richtermehrheit im Verfassungsgericht dreht sich damit in eine progressive Mehrheit - und für die linke Regierung besteht nicht mehr die Gefahr, dass die Richter eine Reihe von Projekten zu Fall bringen könnten.

Insgesamt erhöht sich die Unterstützung der spanischen Regierung auf 45 Milliarden Euro. Die oppositionelle PP kritisiert jedoch, dass die geplanten Maßnahmen nicht ausreichen, um die gestiegenen Lebensmittelpreise auszugleichen. Diese stiegen im November um 15,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Im Mai finden in Spanien Regional- und Kommunalwahlen statt, im kommenden Herbst sind Parlamentswahlen.

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