Spanien:Madrid droht der katalanischen Regierung

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Dass Puigdemont und Rajoy miteinander reden - oder sich gar küssen - wirkt, allen Demonstrationen zum Trotz, momentan unwahrscheinlich. (Foto: Getty Images)
  • Im Fall einer Unabhängigkeitserklärung droht Kataloniens Regierung die Auflösung.
  • Ein Sprecher der spanischen Regierung hat mit dem Schicksal eines früheren Regionalpräsidenten gedroht, der in den 1930er Jahren inhaftiert und später hingerichtet wurde.
  • Die heutige Sitzung des katalanischen Parlaments, bei dem möglicherweise die Unabhängigkeit ausgerufen wird, hat ein Gericht für illegal erklärt.

Von Thomas Urban, Madrid

Nach den großen Demonstrationen vom Wochenende für die Einheit Spaniens sieht sich Ministerpräsident Mariano Rajoy offensichtlich in seiner Haltung gestärkt, weiter einen Kompromiss und Dialog mit der katalanischen Regionalregierung abzulehnen.

Von zahlreichen Balkons in Madrid wehen seit dem Wochenende spanische Fahnen. Angesichts der Stimmung bei seinen Landsleuten, deren große Mehrheit nach Einschätzung vieler Kommentatoren Rajoys harten Kurs gegenüber Barcelona gutheißt, würde die von ihm geführte konservative Volkspartei (PP) bei vorgezogenen nationalen Parlamentswahlen mit beträchtlichen Gewinnen rechnen können.

Vor der für Dienstagabend angesetzten Sitzung des katalanischen Regionalparlaments in Barcelona hat die Polizei den Park rund um das Gebäude umstellt. Auch vor anderen öffentlichen Gebäuden wurden Ordnungshüter postiert. Für den Fall, dass das Parlament allen Warnungen zum Trotz einseitig die Unabhängigkeit der Region vom Königreich Spanien ausruft, rechnet die Madrider Presse mit der Anwendung des Artikels 155 der Verfassung. Dieser sieht die Aufhebung der autonomen Rechte der Industrie- und Tourismusregion vor, die Regierung in Barcelona würde abgesetzt, möglicherweise sogar festgenommen, das Regionalparlament aufgelöst.

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Der katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont hat für diesen Dienstag eine "Erklärung zur politischen Lage" angekündigt. Er wiederholte seinen Vorschlag, mit der Regierung in Madrid über eine Lösung der spanischen Staatskrise zu verhandeln. Allerdings machte der stellvertretende Pressechef der PP, Pablo Casado, klar, dass Rajoy in keiner Weise an Verhandlungen denke: "Der Vorschlag einer internationalen Vermittlung ist ein Hohn. Wir sind nicht der Sudan und auch nicht Jugoslawien. Katalonien ist Spanien."

Casado erklärte, wenn Puigdemont nicht "auf den Weg der Legalität" zurückkehre, drohe ihm das Schicksal des früheren Regionalpräsidenten Lluís Companys. Dieser hatte am 4. Oktober 1934 die "Republik Katalonien in der Bundesrepublik Spanien" ausgerufen, nachdem die rechtsorientierte Zentralregierung in Madrid angekündigt hatte, autonome Rechte für die Region aufzuheben. Doch wurde Companys mitsamt seinem Kabinett noch am selben Tag von einer Militäreinheit verhaftet und wenig später zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt.

Viele spanische Firmen kündigen Rückzug aus Katalonien an

Zu Beginn des Spanischen Bürgerkriegs kam er 1936 frei, er leitete die Verteidigung Barcelonas gegen die Truppen des Rebellengenerals Franco, floh 1939 nach Frankreich. Dort lieferte ihn die Gestapo 1940 nach Spanien aus, er wurde zum Tode verurteilt und erschossen. In Katalonien wird er heute als Volksheld verehrt. Der Hinweis Casados auf Companys wurde von einem Teil der katalanischen Presse als Provokation aufgefasst.

Die stellvertretende Premierministerin Soraya Sáenz de Santamaría, die als Vertraute Rajoys gilt, sagte, dass die Massendemonstrationen den Verfechtern der "Spaltung Spaniens" Angst gemacht hätten. Die Polizei hatte die Teilnehmerzahl der Demonstration für die Einheit Spaniens in Barcelona mit 350 000 beziffert, die Veranstalter sprachen von mehr als einer Million.

Sáenz warnte vor weiterer wirtschaftlicher Destabilisierung der Region, da immer mehr spanische Firmen ihren Rückzug aus Katalonien angekündigt hätten für den Fall, dass das Parlament die Unabhängigkeit erklärt.

Ein Sprecher des Obersten Gerichts Kataloniens, das dem nationalen Obersten Gerichtshof in Madrid untersteht, bekräftigte, dass eine solche Parlamentssitzung illegal wäre. Das Gerichtsgebäude wurde bislang von der Regionalpolizei, den Mossos (katalanisch für "Jungs"), bewacht. Doch nun wurde auch die nationale Polizei dorthin beordert, sie soll eine Besetzung des Gebäudes durch Anhänger der Unabhängigkeitsbewegung verhindern.

Bundeskanzlerin Angela Merkel bekräftigte in einem Telefonat mit Rajoy ihre "Unterstützung für die Einheit Spaniens".

Auch die französische Regierung wiederholte, dass sie eine Republik Katalonien keinesfalls anerkennen werde. Die Europaministerin Nathalie Loiseau warnte in Paris allerdings, dass die Krise nur "durch Dialog auf allen Ebenen" gelöst werden könne.

© SZ vom 10.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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