Klimakrise in Spanien:Leben von den Sünden

Klimakrise in Spanien: Gewächshäuser so weit das Auge reicht: Am meisten ist Spaniens bevölkerungsreichste Region Andalusien vom Klimawandel betroffen. 85 Prozent des an die Oberfläche gepumpten Grundwassers fließt in die Agrarproduktion.

Gewächshäuser so weit das Auge reicht: Am meisten ist Spaniens bevölkerungsreichste Region Andalusien vom Klimawandel betroffen. 85 Prozent des an die Oberfläche gepumpten Grundwassers fließt in die Agrarproduktion.

(Foto: AFP)
  • In Madrid beginnt an diesem Montag die Klimakonferenz. Seit Jahren leidet Spanien unter Wassermangel.
  • Das Land sitzt jedoch in der Zwickmühle. Spaniens Schlüsselindustrien, Landwirtschaft und Tourismus, haben einen hohen Wasserbedarf.
  • Für die Regierung ist der Gipfel auch ein Schaulaufen vor potenziellen linken Koalitionspartnern, denen die Umwelt ein wichtiges Anliegen ist.

Von Thomas Urban, Madrid

Die Beherbergungsbetriebe Madrids sind gut auf den Klimagipfel vorbereitet, der an diesem Montag beginnt: Die Preise sind fast so hoch wie in der Ferienhauptsaison, bis zu 30 000 Teilnehmer der zahlreichen Veranstaltungen werden erwartet. Für die geschäftsführende Regierung des Sozialisten Pedro Sánchez ist der Gipfel ein Geschenk, nicht nur, weil er sich gern als global agierender Macher inszenieren lässt, sondern vor allem, weil er innenpolitisch punkten kann: Er strebt eine Koalition mit dem linksalternativen Bündnis Unidas Podemos an, dem auch Umweltgruppen angehören.

Doch da beide Parteien bei den Wahlen vor drei Wochen keine Mehrheit im Parlament erzielt haben, ist Sánchez angewiesen auf Unterstützung der katalanischen Linksrepublikaner. Diese haben zwar zum Leidwesen Madrids in den letzten Jahren die Sezession ihrer Heimatregion vom Königreich Spanien vorangetrieben, aber als eine der ersten Gruppierungen im Lande nahmen sie den aktiven Umweltschutz in ihr Programm auf.

Die Politiker im linken Parteienspektrum sind sich einig, dass ihr Land besonders unter dem Klimawandel leidet - und dass diese Probleme vor allem Menschen verursachen. Klimakiller in Spanien sind die Lebensmittelproduktion und der Massentourismus. Es sind allerdings auch die beiden wichtigsten Positionen der gesamten Leistungsbilanz. Es dürfte deshalb eine Generationenaufgabe sein, den Umbau der Volkswirtschaft durchzusetzen. In Madrid ist die Umweltgruppe "Fridays für Future" sehr aktiv, stark beachtet wurde ein Happening: Vor dem Parlament bauten Aktivisten drei Galgen auf, drei von ihnen standen mit Stricken um den Hals auf Eisblöcken, die in der Sonne zerflossen. Die Botschaft: Wenn die Polkappen weiter abschmelzen, heißt dies Selbstmord für die Menschheit.

Wassermangel durch Avocados und All-inclusive-Tourismus

Am meisten ist Spaniens bevölkerungsreichste Region Andalusien vom Klimawandel betroffen. 85 Prozent des an die Oberfläche gepumpten Grundwassers fließt in die Agrarproduktion. Überall wird künstlich bewässert, das ökologische Gleichgewicht ist längst aus dem Lot. Der Umweltschutzverband Ecologistas en Acción hat eine Liste der ökologischen Fußabdrücke erstellt: Rund 200 Liter Wasser sind zur Produktion eines Kilogramms Tomaten nötig, bis zu 500 Liter für Zitrusfrüchte. Deutlich mehr schlucken die "Trendfrüchte" der Deutschen, die angeblich besonders gesund sind: Avocados mit 1000 Litern, Mangos mit 1600. Bei Weitem am meisten verbraucht die Olive: 4500 Liter je Kilo.

Dabei ist der Olivenbaum eigentlich genügsam. Doch um Missernten vorzubeugen, werden fast alle Olivenplantagen künstlich bewässert. Betroffen ist ganz Nordandalusien mit seinen heißen, trockenen Sommern und kalten, aber regenarmen Wintern. Weite Landstriche sind verkarstet, der Grundwasserspiegel ist stellenweise unter 500 Meter gesunken. In den Küstenstreifen um Huelva am Atlantik, Europas größtem Erdbeeranbaugebiet, und in den großen Gemüseplantagen um Almería am Mittelmeer hat der übermäßige Süßwasserverbrauch dazu geführt, dass Meerwasser unters Festland nachgeflossen ist.

Hinzu kommt der Wasserbrauch in den Touristenregionen: Der Durchschnittseuropäer verbraucht zu Hause am Tag rund 60 Liter. Doch bei Hotelgästen sind es 150 Liter. Und kaum ein Hotel oder Ferienhaus kommt ohne Swimmingpool aus, auch wenn der Strand nur Schritte entfernt ist. Die spanischen Umweltschützer sind sich einig: Die All-inclusive-Mentalität der Gäste aus dem Norden ist ein Riesenproblem für ihr Land.

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