Spanien:Klima-Expertin regiert mit

Mehr Umwelt, mehr Frauen - Spaniens neue Regierung steht. Regierungschef Pedro Sánchez bekommt gleich vier Vizes. Nur einer ist nicht recht glücklich.

Von Sebastian Schoepp

Nach der äußerst knappen, aber geglückten spanischen Regierungsbildung am Dienstag durfte sich Pablo Iglesias kurze Zeit dem Ziel seiner politischen Träume nahe sehen: spanischer Vize-Regierungschef. Das ist schon etwas für den Chef einer linksalternativen Protestpartei, die stark an Wählergunst verloren hat bei der landesweiten Abstimmung im November, nun aber als Koalitionspartnerin der Sozialisten ihr politisches Überleben vorerst sichern kann. Doch am Freitag musste Podemos-Chef Pablo Iglesias die Nachricht schlucken, dass er sich die Macht mit drei Frauen wird teilen müssen, die Regierungschef Pedro Sánchez etwas überraschend ebenfalls zu seinen Stellvertreterinnen befördert hat.

Spanien: Teresa Ribera soll sich als stellvertretende Regierungschefin um ein in Spanien lange vernachlässigtes Thema kümmern: die Ökologie.

Teresa Ribera soll sich als stellvertretende Regierungschefin um ein in Spanien lange vernachlässigtes Thema kümmern: die Ökologie.

(Foto: Cristina Quicler/AFP)

Aufsehen erregte vor allem die Installation der Sozialdemokratin Teresa Ribera als dritter Stellvertreterin, die sich um ein Thema kümmern soll, das in Spanien angesichts separatistischer Grabenkämpfe bisher eher vernachlässigt wurde: die Ökologie. Dass Sánchez Umweltthemen so wichtig nimmt, um eigens eine stellvertretende Regierungschefin damit zu beauftragen, dürfte noch als Nachwirkung des Klimagipfels in Madrid mit Greta Thunberg gesehen werden. Die wahrhaft gewaltigen ökologischen Probleme des Gastgebers Spanien wurden da plötzlich weltweit berichtet: Versteppung, zunehmende Hitze, verheerende Brände, sinkendes Grundwasser wegen extremer Landwirtschaft in eigentlich staubtrockenen Gegenden, um den mitteleuropäischen Hunger nach Erdbeeren und anderen durstigen Früchten zu jeder Jahreszeit zu stillen. Dazu kommt eine extreme Landflucht, die ganze Landstriche verlassen zurücklässt. Um das "leere Spanien" soll sich Teresa Ribera ebenso kümmern wie um eine angemessene Reaktion auf den Klimawandel.

Ribera ist eine der namhaftesten Klimaexpertinnen Spaniens, sie hat in Paris am Institut du développement durable et des relations internationales (IDDRI) gearbeitet, einer Forschungsstätte für Nachhaltigkeit; sie war in verschiedenen spanischen Regierungen für Umweltfragen zuständig. Ribera hat an fast allen UN-Klimakonferenzen teilgenommen und den Pariser Klimazielen zugearbeitet. Sie war auch Chefin eines Herstellers von Solarpanelen. Privat frönt die 50-Jährige einem in Spanien wenig verbreiteten Sport, dem Wandern. Sie durchstreift gerne stundenlang die Sierra de Madrid, wie die Zeitung El País respektvoll anmerkte. Von dort aus kann man an klaren Wintertagen einen besonders eindrucksvollen Blick auf die Smogglocke werfen, die über der spanischen Hauptstadt hängt.

Ribera bevorzugt anders als die meisten ihrer Landsleute öffentliche Verkehrsmittel. Wenn sie an etwas glaube, setze sie es mit äußerster Konsequenz durch, wird aus ihrer Umgebung berichtet. Und dass sie daran glaubt, dass dem Klimawandelbegegnet werden muss, hat sie in der Öffentlichkeit immer wieder klargemacht.

Spanien: Gleich vier stellvertretende Premiers gibt es in Spanien: Pablo Iglesias, Carmen Calvo, Teresa Ribera and Nadia Calviño (im Uhrzeigersinn).

Gleich vier stellvertretende Premiers gibt es in Spanien: Pablo Iglesias, Carmen Calvo, Teresa Ribera and Nadia Calviño (im Uhrzeigersinn).

(Foto: AFP)

Weitere Stellvertreterinnen von Sánchez werden Carmen Calvo und die bisherigen Wirtschaftsministerin Nadia Calviño, die als frühere Leiterin der Generaldirektion Haushaltsplanung bei der EU beste Verbindungen nach Brüssel hat. Sie bekannte sich bereits zur Austerität und zu den Haushaltszielen der EU, womit schon klar ist, dass dem Austeritätsgegner Pablo Iglesias als weiterem stellvertretendem Regierungschef wenig Spielraum bleibt für den sozialen Umbau Spaniens, den die Linksalternativen von Podemos im Wahlkampf versprochen hatten. Immerhin bekommt seine Partei fünf Ministerien, darunter das für Arbeit - was lange ein Zankapfel war.

Bei weiteren Schlüsselpositionen aber geht PSOE-Chef Pedro Sánchez auf Nummer sicher und setzt auf Parteifreunde: Fernando Grande-Marlaska bleibt Innenminister, er war stillschweigender Architekt so mancher der Abkommen mit nordafrikanischen Ländern, die bisher die ganz großen Migrationsströme von Spanien ferngehalten haben. Außenministerin wird Arancha González Laya, die das Ressort wirtschaftspolitischer ausrichten soll als Vorgänger Josep Borrell, der als EU-Außenbeauftragter nach Brüssel wechselte. Verteidigungsministerin wird Margarita Robles. Mehr als die Hälfte der Mitglieder des Kabinetts sind Frauen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: