Katalonien:Ende mit Schrecken

Katalonien: Nach dem Ausscheiden des Koalitionspartners "Junts" kommen auf Kataloniens Regionalpräsident Pere Aragonès (Mitte) unangenehme Monate im Parlament zu.

Nach dem Ausscheiden des Koalitionspartners "Junts" kommen auf Kataloniens Regionalpräsident Pere Aragonès (Mitte) unangenehme Monate im Parlament zu.

(Foto: Albert Gea/Reuters)

In Katalonien eskaliert der Streit um die Macht: Der Koalitionspartner Junts hat die Regierung verlassen, die Partei von Ministerpräsident Aragonès will nun alleine weiterregieren.

Von Celine Chorus, München

Es war diese scheinbar einfache Frage, die Katalonien am Wochenende in politisches Chaos gestürzt hat: "Möchten Sie, dass Junts weiterhin Teil der katalanischen Regierung ist?", wurden die 6465 stimmberechtigten Mitglieder von Junts per Catalunya gefragt; bis Freitag um 17 Uhr konnten sie ihre Stimme abgeben. Dann endete die Frist, die ihnen der Vorstand eingeräumt hatte, um dann über die politische Zukunft Kataloniens entscheiden zu können.

Der Streit zwischen den separatistischen Parteien Esquerra Republicana de Catalunya (ERC) von Regionalpräsident Pere Aragonès und dessen Koalitionspartner Junts ist damit eskaliert. In einer zweitägigen Mitgliederbefragung hat das sezessionistische Bündnis von Aragonès' Vorgänger Carles Puigdemont entschieden, die Regierungskoalition mit der ERC zu verlassen. Bis zum Schluss war keine Prognose möglich, wie sich die Mitglieder entscheiden würden.

"Es ist eine Entscheidung, die ich respektiere, aber die ich nicht teile", sagte Aragonès nach der Abstimmung im Palau de la Generalitat, dem Sitz der katalanischen Landesregierung in Barcelona. Dort betonte er auch, dass er nicht beabsichtige, Neuwahlen auszurufen. Stattdessen wird Aragonès versuchen, eine Minderheitsregierung zu führen: "Den Bürgern ist nicht gedient, wenn man Verantwortung aufgibt, deshalb werden wir weiterregieren", sagte er. Seine Regierung werde nun daran arbeiten, "Allianzen aufzubauen, um das Land voranzubringen".

Vergangene Woche hatte Aragonès seinen Vizepräsidenten entlassen

Zuvor hatten die ERC und Junts wiederholt über die Strategie für ein unabhängiges Katalonien gestritten. Aragonès gilt als ein gemäßigter Befürworter der Unabhängigkeit. Doch genau hierin liegt das Problem: Junts beschuldigt Aragonès, er kämpfe nicht entschieden genug für die katalanische Unabhängigkeit. Sie wollen die Abspaltung von Spanien auch ohne ein mit der Zentralregierung vereinbartes Referendum. Aragonès besteht dagegen darauf, dass er sein Versprechen, erneut über die Unabhängigkeit abstimmen zu lassen, halten werde. Ein neues Referendum könne es aber nur mit der Zustimmung der spanischen Zentralregierung geben.

In der vergangenen Woche fanden die Spannungen ihren Höhepunkt, als Junts mit einem Misstrauensvotum gegen Aragonès drohte. Er reagierte darauf mit der Entlassung seines Vizepräsidenten Jordi Puigneró. Dass dieser von der geplanten Abstimmung wusste, ihn aber nicht darüber in Kenntnis setzte, wertete Aragonès als einen unverzeihlichen Vertrauensbruch. Junts bezeichnete Puignerós Entlassung als einen "historischen Fehler", welcher die Kontinuität der katalanischen Regierungskoalition gefährde.

Das Ergebnis der Mitgliederbefragung spiegelt auch die Spaltung innerhalb von Junts: Im Gegensatz zur Mehrheit der Minister haben sich die Vorsitzende Laura Borràs und der ehemalige Regionalpräsident Puigdemont seit Wochen für einen Bruch mit der ERC positioniert. "Wenn beschlossen wird, dass wir in der Regierung bleiben, werden wir in zwei oder drei Monaten eine Krise haben", warnte auch der Abgeordnete Jaume Alonso-Cuevillas. Bei der Abstimmung waren 55,7 Prozent der Mitglieder schließlich für einen Austritt aus der Regierung, dagegen hätten 42,3 Prozent die Koalition mit der ERC gerne fortgesetzt. Mit einer Wahlbeteiligung von 79,2 Prozent haben so viele Mitglieder abgestimmt wie noch nie.

Ohne die Stimmen von Junts blickt Aragonès nun unangenehmen Monaten im Parlament entgegen. "Die Regierung von Pere Aragonès ist eine gescheiterte Regierung, und es fehlt ihr an demokratischer Legitimität", kritisierte Borràs. Denn nach dem Austritt ihres Koalitionspartners hat die ERC nur noch wenig Unterstützung: Im Parlament kommt sie auf gerade einmal 33 von 135 Sitzen und ist auf die Hilfe anderer Parteien wie der sozialdemokratischen PSC angewiesen. Selten hat sich ein katalanischer Regionalpräsident so isoliert auf seinem Posten wiedergefunden.

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