Spanien:Katalanisches Regionalparlament beschließt Unabhängigkeitsreferendum

  • Das katalanische Regionalparlament hat das Gesetz für ein Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober angenommen.
  • Die Regierung in Madrid will die Abstimmung "für null und nichtig" erklären lassen, spricht von einem "Anschlag auf die Demokratie".
  • Spanien droht damit kurz nach den Terroranschlägen von Barcelona und Cambrils eine schwere politische Krise.

Von Thomas Urban, Madrid

Das katalanische Regionalparlament in Barcelona hat am Mittwochabend das Gesetz über das für den 1. Oktober angesetzte Unabhängigkeitsreferendum angenommen. Dafür stimmten 72 der 135 Abgeordneten, die oppositionellen Konservativen, Sozialisten und Liberalen enthielten sich. Von Tumulten begleitet hatte sich die Aussprache über das Gesetz den ganzen Tag hingezogen. Nach der Abstimmung sangen die Vertreter der Mehrheitsfraktionen die katalanische Hymne.

Spanien droht damit wenige Wochen nach den Anschlägen von Barcelona und Cambrils eine schwere politische Krise. In Madrid rief der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy erneut das Verfassungsgericht an, das schon früher jede Abstimmung über die Abspaltung einer Region von Spanien für illegal erklärt hatte. Die stellvertretende spanische Regierungschefin Soraya Sáenz de Santamaría erntete heftige Kritik aus Barcelona, als sie die Referendumspläne einen "Anschlag auf die Demokratie" nannte.

Nach ihren Worten handelt es sich bei dem Beschluss des Regionalparlaments um einen "Gewaltakt", den es nur in einem "diktatorischen Regime" geben könne. Beim Verfassungsgericht sei beantragt worden, die Abstimmung im katalanischen Parlament für "null und nichtig" zu erklären, sagte Sáenz in Madrid. Bei den letzten Regionalwahlen 2015 hatten die Parteien, die sich eindeutig für die Einheit Spaniens aussprechen, lediglich rund ein Drittel der Stimmen bekommen.

Katalanen finden den Finanzausgleich durch Madrid ungerecht

In Madrid haben sich die oppositionellen Sozialisten (PSOE) hinter Rajoy gestellt. Hingegen hat der Vorsitzende der linksalternativen Gruppierung Podemos, Pablo Iglesias, die Forderungen der Katalanen nach einem Referendum als "Grundrecht der Demokratie" verteidigt. Umfragen zufolge liegt die Zustimmung unter den Wahlberechtigten in Katalonien zum Unabhängigkeitsplan der Regierung zwischen 50 und 55 Prozent.

Allerdings fordern 80 Prozent der Bürger die Zulassung des Referendums durch Madrid, somit auch ein Großteil der Gegner der Sezessionisten. Die Katalanen empfinden den Finanzausgleich zwischen den Regionen, bei dem Madrid das Geld verteilt, als ungerecht. Regionalpräsident Carles Puigdemont wirft Madrid vor, jeden Dialog darüber verweigert zu haben. Vertreter der Regierung in Madrid drohten katalanischen Politikern, die das Referendum vorantreiben, harte strafrechtliche Konsequenzen an. Erst am Vorabend hatte der Rechnungshof in Madrid bekannt gegeben, dass er von dem früheren Regionalpräsidenten Artur Mas fünf Millionen Euro verlange; dies seien die Kosten für eine von der katalanischen Führung durchgeführte "Meinungsumfrage" im November 2014, bei der die Wahlberechtigten zur politischen Zukunft der Region Stellung beziehen sollten.

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