Spanien:Kampf gegen das Franco-Erbe

Spanien: Das Mausoleum "Tal der Gefallenen" in San Lorenzo del Escorial.

Das Mausoleum "Tal der Gefallenen" in San Lorenzo del Escorial.

(Foto: Javier Soriano/AFP)

Madrid will die Diktatur aufarbeiten und ihre Verherrlichung durch Ultrarechte beenden.

Von Karin Janker, Madrid

Erst am vergangenen Freitag sind sie wieder aufmarschiert: Rechtsradikale Gruppen demonstrierten vor dem Kulturzentrum Blanquerna in Madrid, dem Sitz der katalanischen Delegation in der spanischen Hauptstadt. Sie trugen Flaggen, sangen die Hymne und streckten die rechte Hand zum Gruß. Der faschistische Gruß ist in Spanien bislang nicht verboten, man begegnet ihm bei rechten Aufmärschen oder bei Veranstaltungen der ultrarechten Partei Vox. Doch das könnte sich nun ändern. Am Dienstag hat der Ministerrat in Madrid die 'Ley de Memoria Democrática', das Gesetz des Demokratischen Gedenkens, gebilligt. Es umfasst unter anderem ein Verbot der Verherrlichung der Franco-Diktatur und ihrer Symbole, bei Androhung von Geldstrafen bis zu 150 000 Euro. Damit wäre auch das Zeigen des faschistischen Grußes untersagt.

Spaniens Linkskoalition unter Ministerpräsident Pedro Sánchez (PSOE) hatte das neue Historiengesetz bereits am Beginn ihrer Legislatur zu einer Priorität erklärt und will nun dafür sorgen, dass es in den kommenden Monaten seinen Weg durch das Parlament nimmt. Die Mehrheit dafür hat der PSOE zusammen mit seinem Koalitionspartner Podemos, Kataloniens linksrepublikanischen Separatisten, den baskischen Nationalisten und anderen Regional- und Linksparteien. Die neuen Beschlüsse gehen weiter als das "Gesetz des Historischen Andenkens" von 2007, das den Umgang mit Denkmälern geregelt und einige Rechte der Opfer anerkannt hatte. Ziel des Gesetzes sei es, die Suche nach den Zehntausenden noch immer in anonymen Massengräbern verscharrten Opfern des Bürgerkriegs und der anschließenden Diktatur offiziell zur Staatspflicht zu erheben, verkündete die Regierung.

Mehr als 20.000 Opfer sollen exhumiert werden

Tatsächlich haben in Spanien erst Ende der 1990erJahre Bürgerinitiativen damit begonnen, nach den etwa 100 000 bis 150 000 Menschen zu suchen, die während Bürgerkrieg und Diktatur verschwanden und von denen noch immer jede Spur fehlt. Einige Kommunen begannen zögerlich, diese Initiativen zu unterstützen. Auf diese Weise wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten etwa 700 Massengräber mit mehr als 8000 Toten gefunden. Das neue Gesetz sieht vor, dass in den kommenden vier Jahren 450 000 Euro zur Exhumierung von bis zu 25 000 Opfern bereitgestellt werden.

Neben der Suche nach Massengräbern und dem Verbot der Verherrlichung der Diktatur sollen auch Organisationen wie die nach wie vor durch Steuergeld finanzierte Francisco-Franco-Stiftung verboten werden. Außerdem ermöglicht das Gesetz die juristische Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen während Diktatur und Bürgerkrieg. Kritiker wenden ein, dass dies mit dem 1977 beschlossenen Amnestiegesetz kollidiere.

Der Präsident der Francisco-Franco-Stiftung, Juan Chicharro, bezeichnete das neue Gesetz als "totalitär" und eine "Verzerrung der Geschichte".

Spanien hat Verbrechen, die während des Bürgerkrieges von 1936 bis 1939 sowie während der anschließenden Diktatur Francos bis 1975 verübt wurden, bislang offiziell kaum juristisch dokumentiert und aufgearbeitet.

Die linke Regierung in Madrid will mit dieser Tradition brechen. Im vergangenen Oktober ließ sie Francos Leichnam aus dem riesigen Mausoleum im sogenannten "Tal der Gefallenen" nordwestlich von Madrid exhumieren und in ein Familiengrab umbetten. Es folgten harsche Proteste, konservative Politiker sprachen von "Revanchismus". Sánchez will den einstigen Pilgerort von Rechtsextremen in einen "Ort der Versöhnung" und einen öffentlichen Friedhof umwandeln. Die stellvertretende Ministerpräsidentin Carmen Calvo (PSOE) sagte am Dienstag, man werde mit dem neuen Gesetz "Frieden mit der Vergangenheit schließen" können und zum "Aufbau der Zukunft" beitragen. Der deutsch-spanische Historiker Carlos Collado-Seidel ist weniger optimistisch. Zwar spricht er angesichts des Gesetzes von einem "Meilenstein auf dem Weg der Rehabilitierung der Opfer". Er gibt allerdings zu bedenken, dass Spanien weit entfernt sei von einem gesellschaftsübergreifenden Konsens in der Deutung der Vergangenheit, wie er in Deutschland über die Jahrzehnte hergestellt wurde: "Die Gräben, die Bürgerkrieg und Diktatur hinterlassen haben und die spanische Gesellschaft seit 20 Jahren aufwühlen, werden weiter bestehen bleiben, wenn nicht sich sogar noch vertiefen."

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