Spanien:Freiheit für die "Tigerin" von der Eta

MUTMAßLICHE ETA-TERRORISTIN AUSGELIEFERT

Idoia López Riaño im Jahr 2001 bei ihrer Auslieferung aus Frankreich.

(Foto: dpa)

Idoia López Riaño kommt nach 23 Jahren Haft frei. Im Baskenland wird versucht, frühere Eta-Terroristen zu resozialisieren. Doch das gestaltet sich schwierig.

Von Thomas Urban, San Sebastián

Die Nachricht hat Spanien elektrisiert: In wenigen Wochen soll die ehemalige Eta-Terroristin Idoia López Riaño nach 23 Jahren Haft unter Auflagen freikommen. Sie war wegen 23-fachen Mordes zu 2111 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Derart hohe Haftstrafen sind von symbolischer Bedeutung, vor allem aber besagen sie, dass die Verurteilten bis an ihr Lebensende hinter Gittern bleiben sollen.

Dabei hat sich die mittlerweile 52-jährige frühere Bombenlegerin, von der spanischen Presse auch auf den Beinamen "die Tigerin" getauft, längst von der Eta losgesagt und Reue bekundet. Viele Eta-Veteranen sind kampfesmüde, doch ihre Resozialisierung gestaltet sich aufwendig und ist umstritten.

Die Behörden schätzen, dass sich noch 50 bis 60 Etarras, wie die Mitglieder der baskischen Terrorgruppe genannt werden, im Untergrund aufhalten. Es waren einmal zehn- oder fünfzehnmal so viele. Die Terrororganisation hatte in den vergangenen Wochen Rückschläge hinnehmen müssen.

Im November ging einer ihrer Anführer, der 41-jährige Mikel Irastorza, den Fahndern im französischen Pyrenäenvorland ins Netz; ihm wird die Beteiligung an 20 Bombenanschlägen vorgeworfen, bei denen mindestens sechs Personen den Tod fanden. Kurz zuvor hatten die Franzosen ein großes Waffenlager entdeckt.

Die "Tigerin" Idoia López Riaño soll bald an ihren Heimatort unweit von San Sebastián zurückkehren; die Behörden haben bereits Erkundigungen angestellt, ob Angehörige von Opfern in der Nähe wohnen. Diese wollen meist nichts von Freiheit für Eta-Kämpfer wissen. Sozialarbeiter sollen López Riaño bei der Wiedereingliederung helfen.

Zehn Jahre kein politisches Amt

Sie ist keineswegs die erste Veteranin, die einen Neuanfang versucht. Aufsehen erregte der Fall des früheren Abgeordneten Arnaldo Otegi. Dieser war wegen "Verherrlichung des Terrors" verurteilt worden, hatte aber nach Angaben seiner Verteidiger großen Anteil an der vor genau fünf Jahren verkündeten Entscheidung der Eta, den bewaffneten Kampf aufzugeben.

Otegi kam nach sechs Jahren Haft im März frei, für ihn hatten sich prominente Friedensaktivisten eingesetzt, darunter der südafrikanische Nobelpreisträger Desmond Tutu. Bei den Regionalwahlen im September wollte er für die linksnationalistische Gruppierung Bildu antreten, doch wurde seine Kandidatur nicht zugelassen, da ihm bei seiner Verurteilung auch die Bewerbung um politische Ämter für zehn Jahre verboten worden war.

Fernstudium im Gefängnis

Die konservative Zentralregierung in Madrid verlangt eine bedingungslose Kapitulation der Eta, dazu gehört die Abgabe aller Waffen. Die konservative baskische Regionalregierung in Vitoria will den Etarras Brücken bauen. Regionalpräsident Íñigo Urkullu fördert Tagungen, die sich mit den bleiernen Jahren des Eta-Terrors, aber auch mit den harten Antiterrorgesetzen Madrids auseinandersetzen. Menschen werden ermuntert, Erinnerungen zu veröffentlich. Initiativen versuchen, Etarras und Opfervertreter zusammenzubringen.

Seit ihrer Gründung 1959 hat die Untergrundgruppe "Baskenland und Freiheit" (Euskadi Ta Askatasuna), die ursprünglich gegen das Franco-Regime kämpfte, 829 Personen ermordet, 90 Prozent allerdings seit der Wiedereinführung der Demokratie. Vor einer Generation prägten Autobomben und Genickschüsse auf offener Straße das Klima in San Sebastián, der "europäischen Kulturhauptstadt 2016".

Was die baskische Friedensbewegung fordert

Zunächst genoss die Eta Sympathie in der baskischen Bevölkerung. Doch als die Morde nicht abrissen, sie zunehmend von Geschäftsleuten Schutzgeld erpresste, Lehrer und Priester unter Druck setzte, regte sich Widerstand. Es entstand eine baskische Friedensbewegung. Immer wieder gehen Zehntausende auf die Straße. Allerdings haben sie auch Forderungen an Madrid: Aufhebung der Antiterrorgesetze, derzeit kann schon die Forderung nach Gesprächen mit der Eta als Unterstützung des Terrorismus geahndet werden.

Eine weitere Forderung betrifft die Verlegung der 600 Eta-Häftlinge in heimatnahe Gefängnisse. In der Altstadt von San Sebastián hängen Plakate mit Porträts von Häftlingen, darunter steht eine Kilometerzahl, die höchste ist 1049. Diese Strecke müssen Angehörige zurücklegen, wenn sie einen der seltenen Besuchstermine in einem andalusischen Gefängnis wahrnehmen wollen.

Die Forderung nach einem Resozialisierungsprogramm für Etarras kann ebenfalls als Straftatbestand gelten. In allen politischen Lagern im Baskenland herrscht Einigkeit, dass sich hier Madrid bewegen muss. Immerhin war es den Basken gelungen, die Zustimmung Madrids für den ersten Schritt im Fall der "Tigerin" zu bekommen: In der Haft hat Idoia López Riaño ein Fernstudium der Journalistik absolviert, im Sommer durfte sie unter Aufsicht erstmals das Gefängnis verlassen, um den Führerschein zu machen.

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