Spanien:Francos Auszug aus dem Massengrab

Francisco Franco,

Die fehlende Aufarbeitung der Franco-Zeit ist einer der tieferen Gründe für die Katalonienkrise.

(Foto: Sueddeutsche Zeitung Photo)

Das Land streitet über die Umbettung der Gebeine des Diktators. Das hängt damit zusammen, dass sich Spanien erst spät der eigenen blutigen Vergangenheit stellt.

Kommentar von Thomas Urban, Madrid

Zwei riesige Kreuze markieren die Grenzen der spanischen Debatten um die Diktatur des Francisco Franco, die von 1939 bis 1975 dauerte. Das eine ist 150 Meter hoch, es überragt das Tal der Gefallenen in den Bergen nordwestlich von Madrid - und steht für den Triumph des Rebellengenerals im Bürgerkrieg. Franco war ein erzkonservativer Katholik und er wollte, dass das ganze Land so glaubte wie er. Es war ein Totalitarismus, dessen Terror sich indes im Laufe der Jahrzehnte abschwächte. Francos Grab befindet sich in einer Basilika, die Zwangsarbeiter in den Fels unter dem gigantischen Betonkreuz gehauen haben. In den Seitenwänden fanden die Überreste von Tausenden Toten des Bürgerkriegs ihre letzte Ruhestätte. Die neue Regierung in Madrid, gebildet von der traditionsreichen Sozialistischen Partei, beschloss nun die Umbettung der Gebeine des alten Diktators.

Das andere riesige Kreuz fällt den Passagieren, die vom Flugplatz Madrid-Barajas abfliegen, ins Auge. Nur wenige aber kennen seine Geschichte: Auf einem Hügel rechts der Startbahn liegend, markiert es das Massengrab von Paracuellos. In der Nähe dieses Dorfes haben kommunistische Milizen im Bürgerkrieg etwa 2500 Vertreter der bürgerlichen Elite erschossen, Politiker, Professoren, Priester. Mit Paracuellos hat Franco die Unterdrückung aller linken Kräfte gerechtfertigt.

Doch gab es neben dieser großen Konfrontation zwischen rechts und links einen weiteren Kampfplatz: Die aus Moskau dirigierten Kommunisten haben im Bürgerkrieg andere linke Gruppierungen angegriffen, Sozialdemokraten, Sozialisten, Anarchisten. In Barcelona richteten sie ein Blutbad unter ihnen an, anstatt gemeinsam gegen Franco zu kämpfen. Stalin wollte keine breit gefächerte Volksfront, vielmehr ein kommunistisches Monopol auf der linken Seite.

Das Fehlen einer Aufarbeitung der Franco-Zeit ist einer der tieferen Gründe für die Katalonienkrise

Von marginalen Stimmen abgesehen, verteidigt heute niemand mehr das grausame Vorgehen Francos. Der neue Premier Pedro Sánchez konnte die Umwidmung des Tals der Gefallenen zu einer Gedenkstätte für alle Opfer und einem Dokumentationszentrum in der Gewissheit ankündigen, dafür eine breite Mehrheit im Parlament zu bekommen. Auch die Konservativen, die ja aus einer franquistischen Gruppe hervorgegangen sind, leisten keinen Widerstand mehr. Ihr langjähriger Vorsitzender Mariano Rajoy hat die Partei ein kräftiges Stück zur Mitte gerückt und dabei die Alt-Franquisten in den eigenen Reihen marginalisiert.

Bislang hatte das nach dem Tod Francos verabschiedete Amnestiegesetz eine staatliche Geschichtspolitik blockiert, mit deren Hilfe man die mentalen Gräben quer durch die Gesellschaft hätte zuschütten können. Nun ist die Zeit offenbar dafür reif, das Gesetz hat längst seinen Zweck erfüllt: Es sollte verhindern, dass Franco-Anhänger die Demokratisierung sabotieren. Doch der Preis war hoch, denn die Täter des Repressionsapparats blieben straffrei, während der Staat gleichzeitig Opfer des Regimes weitgehend ignorierte - nicht einmal solch banale Dinge wie die Renten für frühere politische Gefangene wurden klar geregelt. Auch harren die Toten in Dutzenden mittlerweile entdeckten Massengräbern aus dem Bürgerkrieg ihrer Exhumierung.

Das Fehlen einer wirklichen, auch offiziellen Aufarbeitung der Franco-Zeit ist einer der tieferen Gründe für die Katalonienkrise: Die republikanisch orientierte katalanische Elite war unter Franco harten Repressionen ausgesetzt. Sánchez sollte hier im Namen der Zentralregierung eine klare Geste machen, auch aus politischem Kalkül: Sie würde den Separatisten das Argument nehmen, Madrid bagatellisiere die damalige Gewaltpolitik.

Wohl gibt es Stimmen, die meinen, der von Hitler unterstützte Franco sei letztlich das kleinere Übel gewesen gegenüber der drohenden Herrschaft der von Moskau bewaffneten Kommunisten. Erinnert wird an den "roten Terror" der Bolschewiken und an die Stalin'schen Säuberungen mit Millionen Toten. An der Puerta de Alcalá, einem der historischen Stadttore von Madrid, hing zu Beginn des Bürgerkriegs ein riesiges Stalin-Porträt, es gab Paracuellos und andere Massaker. Auch wird es Franco als Verdienst angerechnet, dass er dem Druck Hitlers widerstanden und Spanien aus dem Zweiten Weltkrieg herausgehalten hat.

Heute sind wohl auch die meisten konservativen Publizisten der Auffassung, dass Franco nach dem Sieg seiner Truppen christliche Milde hätte walten lassen müssen, anstatt nach dem Motto "vae victis", wehe den Besiegten, zu handeln. Die katholische Kirche segnete in ihrer Furcht vor den gottlosen Bolschewiken die Verbrechen des Regimes ab. Das ist ein düsteres Kapitel ihrer Geschichte. Franco selbst hat angeblich kurz vor seinem Tod erklärt, er wolle im Familiengrab und nicht im Tal der Gefallenen beigesetzt werden. Sollte es so gewesen sein, so ist es eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet ein Kabinett aus Sozialisten, die er blutig verfolgen ließ, seinen letzten Willen erfüllt.

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