Frauen auf dem Lande war es im Spanien des frühen 20. Jahrhunderts oft nicht mal erlaubt, das Haus ohne männliche Begleitung zu verlassen. Auch in den Dreißigerjahren galt vielfach noch, was der deutsche Kunstkritiker Julius Meier-Graefe auf seiner Spanienreise 1908 etwas maliziös notiert hatte: Vielen spanischen Frauen merke man an, dass ihre Mütter und Großmütter ein Leben lang nur gesessen hätten. Die Frau hatte Ángel del hogar zu sein, der Hausengel.
Und auch bei den Linken mochten die Männer nicht leicht von ihren Vorstellungen lassen. Dolores Ibárurri kritisierte, dass viele Genossen "sich selbst für große Revolutionäre hielten", bei der Gleichberechtigung aber Machos blieben.
Ihre Frauen dürften nicht mit zur Versammlung, weil sie angeblich von Politik ohnehin nichts verstünden. Progressives Gedankengut sei nur oberhalb der Gürtellinie vorhanden, lautete ein populärer Spruch, "de la cintura para arriba".
Auch hier eines der Fotos, die die Nazigegner Hans Namuth und Georg Reisner in Barcelona, Madrid und an der Extremadura-Front machten.
(Foto: Courtesy Center for Creative Photography, University of Arizona/Hans Namuth Estate)So blieb auch die kämpfende Frau im Bürgerkrieg eine Ausnahme, schreibt Martínez Rus. Es gab sie eigentlich meist in den ersten Monaten, als ein spontan gebildetes "Volksheer" sowie Milizen aus Anarchisten, Kommunisten und anderen Antifaschisten sich Francos Putscharmee entgegenstellten.
Poster wie dieses („Die Milizen brauchen uns!“) dienten auch dazu, die Männer zu mobilisieren.
(Foto: Courtesy Center for Creative Photography, University of Arizona/Hans Namuth Estate)Viele Frauen schlossen sich an, und die bedrängte Republik bot ihre kreativen Kräfte auf, damit die Welt das mitbekam - vor allem, als es darum ging, für internationalen Beistand zu werben.
Fotos von jungen Frauen im mono azul, dem blauen Overall der Milizionärin, erschienen auf künstlerisch gestylten Plakaten und den Titelseiten designter Magazine, den Karabiner geschultert, den Patronengürtel umgehängt, am besten vor der Kulisse einer Stadtansicht von Barcelona, auf einem Armeelaster oder im Schützengraben. Diese stark ästhetisierte Darstellungsform prägt bis heute die Erinnerung an den Spanischen Bürgerkrieg.
Zu den besten Aufnahmen gehören die Fotos, welche die jungen deutschen Nazigegner Hans Namuth und Georg Reisner 1936/37 in Barcelona, Madrid und an der Extremadura-Front machten. Die beiden Fotografen waren in Barcelona vom Ausbruch des Bürgerkriegs überrascht worden und sympathisierten mit den Anarchisten der POUM; ihre authentischen Bilder zeigten Menschen, die sich dem Faschismus mit der Waffe in der Hand entgegenstellten, darunter viele junge Frauen, die Bilder erschienen in etlichen westlichen Zeitungen.
In vielen anderen Fällen dienten solche Bilder der Propaganda. Oft ging es weniger darum, Frauen für die Front zu rekrutieren, als kampfesfaulen Männern ein schlechtes Gewissen zu machen. Die Plakate, so schreibt österreichische Historikerin Renée Lugschitz in ihrem hervorragend recherchierten Buch "Spanienkämpferinnen", seien "eigentlich ein Aufruf an die Männer" gewesen, "ihrer Pflicht für die Republik nachzukommen. Welcher Mann könnte noch daheim bleiben, wenn schon junge Frauen ihr Leben für die Demokratie opfern?"
Doch nicht nur spanischen Männern, auch ausländischen Beobachtern war der Anblick von Frauenbataillonen nicht geheuer. Lugschitz zitiert einen Kriegsbericht der britischen Times, in dem es mit etwas bedauerndem Unterton heißt: "All das, wofür Weiblichkeit traditionellerweise steht, ist im Verschwinden begriffen."
Schon im Herbst 1936, bei der Neugruppierung des republikanischen Heeres, hieß es, Frauen seien an der Front unerwünscht. "Die Verantwortlichen entschieden, dass der Krieg Männersache sei und Frauen in die Etappe gehörten", schreibt Martínez Rus.
Sie bekamen die traditionellen Rollen zugewiesen, Krankenschwester, Köchin, auch Prostituierte. Selbst die Propaganda wurde wieder machistisch: der offizielle Kampfruf der republikanischen Frauen lautete ab 1937: "Lieber Witwe eines Helden als Frau eines Feiglings."
Doch in den Großstädten und Industriezentren tat sich trotzdem etwas. Da die Männer an der Front waren, nahmen Frauen traditionelle Männerrollen ein, sie waren nun Ernährerinnen. "Niemand fand etwas dabei, wenn sie alleine ausgingen, spät alleine nach Haus zurückkehrten oder eng mit Männern zusammenarbeiteten", schreibt Renée Lugschitz.
Eine wichtige Rolle bei der Verbreitung emanzipatorischer Gedanken spielten die internationalen Brigaden, die in Spanien aus Freiwilligen aus aller Welt gebildet wurden, nachdem die demokratischen Mächte Großbritannien, Frankreich und die USA der Republik die Hilfe gegen den Militärputsch versagt hatten. Romantiker und Antifaschisten strömten nach Spanien, unter ihnen viele Frauen. Kampfbereite Brigadistinnen wie die Schweizerin Anni Thoma-Brunner berichteten allerdings, dass ihnen in Barcelona die Kommunisten Waffen verweigerten, die würden für die Männer gebraucht, hieß es.
Doch Ausländerinnen konnten sich noch eher durchsetzen als Einheimische, weil man ihnen einen gewissen Exotenstatus zubilligte, wie Lugschitz schreibt. Berühmt wurde die in Argentinien geborene Französin Mika Etchebéhère. "Sie war wahrscheinlich die einzige Ausländerin im Bürgerkrieg mit Befehlsgewalt über Soldaten", vermutet Lugschitz.
Am letzten Tag waren die Piers der Hafenstädte schwarz von Flüchtlingen, die auf rettende Schiffe der Westmächte warteten. Doch diese Schiffe kamen nicht. Noch im Todeskampf der spanischen Republik wurde sie von den durch die Appeasementpolitik gelähmten demokratischen Mächten alleine gelassen, so wie die drei Jahre zuvor, seit der Faschistengeneral Franco geputscht hatte. In die Lücke stieß Stalins Sowjetunion, die aber unbarmherzig gegen Anarchisten und freie Sozialisten vorging. Italien und Deutschland unterstützten Franco dagegen mit Truppen, Bombern und viel Geld. Dagegen konnte die weltweite Solidarität mit der Republik durch Intellektuelle und die internationalen Brigaden nichts ausrichten. Am 31. März 1939 war der Krieg vorüber. Er hat wohl weit über eine Million Menschen das Leben gekostet, noch nach dem Ende massakrierten die Sieger aus Rache 50 000 Gefangene. Nur wenige Monate nach dem Untergang der Republik erlebten die Westmächte, was die Spanische Republik erlitten hatte: einen mörderischen Angriff des Faschismus. joachim Käppner
Etchebéhère übernahm den Befehl über eine Kolonne, nachdem ihr Mann gefallen war. Ihre Erinnerungen waren zwiespältig. In einem Interview 1977 sagte Etchebéhère, dass ausgerechnet in einer nach der Pasionaria benannten Kolonne die Frauen "geputzt, Betten gemacht und Socken gestopft haben".
Bei den meisten Paaren in den internationalen Brigaden sei die antifaschistische Gesinnung auf beiden Seiten stark gewesen. Mika Etchebéhère schrieb in ihren Memoiren: "Mein Mann und ich sind nach Spanien gegangen, um hier zu suchen, was wir im Oktober 1932 in Berlin zu finden hofften: den Willen zum Kampf der Arbeiterklasse gegen die Kräfte der Reaktion, die dem Faschismus zusteuerten."
Das Bild der selbstbewussten Frauen aus dem Ausland war für viele Spanierinnen gänzlich neu, es brachte sie dazu, ihre eigene Rolle zu überdenken. Das ging nicht immer ohne Konflikte ab. Die amerikanische Krankenschwester Ruth Davidow schrieb: "Wir waren eine große Stütze - und wir waren ein großes Problem."
Viele Brigadistinnen und Brigadisten gelangten mit der Einstellung nach Spanien, alles besser zu wissen. Die Interbrigadistinnen seien aus einer Welt gekommen, wo der Kampf um Gleichheit zwar noch schwierig, aber immerhin im Gange war, stellt Historikerin Lugschitz fest. Die meisten Spanierinnen waren dagegen noch nie damit in Berührung gekommen.
Der Sieg Francos katapultierte Spanien sozial zurück ins Mittelalter
Diese Ungleichheit prägte das Verhältnis, Spanierinnen bekamen in Briefen der Brigadistinnen oft noch nicht mal Namen, sondern wurden liebevoll-herablassend die chicas genannt, die Mädchen. So wurden Spanierinnen und Spanier mitunter von ihren ausländischen Helfern etwas paternalistisch wie rückständige gute Wilde wahrgenommen. Dabei waren sie es ja, die einen Krieg um moderne Werte führten.
Am 1. April 1939 war sowieso alles vorbei. Der Sieg Francos katapultierte Spanien sozial zurück ins Mittelalter. Der siegreiche Diktator habe "die Erinnerung an ein anderes Spanien" durch seine Repression auslöschen wollen, schreibt Lugschitz. "Frauenrechte und Gleichberechtigung, wie sie Spanierinnen und Ausländerinnen zu Zeiten des Bürgerkriegs diskutierten, erstritten, erlebten, waren danach unbekannt." Dieser Zustand dauerte fast vierzig Jahre - bis zum Tode Francos 1975.
Doch vieles überdauerte im Verborgenen oder im Exil - wie auch die Pasionaria. Dolores Ibárruri kehrte nach Francos Tod aus der Sowjetunion nach Spanien zurück, vom Stalinismus, welcher die republikanische Sache sehr geschwächt hatte, war sie längst geheilt. Sie hatte Sympathien für den Prager Frühling erkennen lassen und war bei der Neuorientierung der spanischen KP daran beteiligt, einen modernen Eurokommunismus durchzusetzen. Bei der Demokratisierung Spaniens setzte sie entscheidende Impulse.
Als Ibárruri 1989 starb, zogen Zehntausende durch die Straßen Madrids, um ihr die letzte Ehre zu erweisen. Und in dem Moment, als der Sarg das Zentrum passierte, erschallte tausendfach der Ruf, der La Pasionaria berühmt gemacht hatte: "No pasarán!"