Spanien:Der Streit mit Madrid wird zur Zerreißprobe für die Katalanen

Spanien: Der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont hat den Konflikt mit der Zentraltregierung in Madrid eskalieren lassen.

Der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont hat den Konflikt mit der Zentraltregierung in Madrid eskalieren lassen.

(Foto: AFP)
  • Inzwischen werden die ersten Risse in der katalanischen Regionalregierung sichtbar.
  • Führende Anhänger von Puigdemont sprechen sich für Neuwahlen aus, während Parlamentspräsidentin Carme Forcadell die Abspaltung forciert.
  • Beobachter halten Forcadell für die treibende Kraft der Unabhängigkeitsbewegung. Ihr droht nun die Absetzung.

Von Thomas Urban, Madrid

Die Hängepartie zwischen Madrid und Barcelona über die politische Zukunft der Region Katalonien ging am Mittwoch weiter. Spanische Medien spekulierten, ob auf der für diesen Donnerstag angesetzten Sitzung des Parlaments zu Barcelona Regionalpräsident Carles Puigdemont die Unabhängigkeit ausrufen, sich für vorgezogene Regionalwahlen aussprechen oder seinen Rücktritt ankündigen würde. Überdies zeigten sich Risse in der Regierungskoalition in Barcelona aus der Katalanischen Europäischen Demokratischen Partei (PDeCat) und der traditionsreichen Katalanischen Linksrepublikaner (ERC).

Führende Vertreter der liberalkonservativen PDeCat, die hinter Puigdemont stehen, sprachen sich für Neuwahlen aus. Hingegen dringt die ERC-Führung darauf, sofort die Republik Katalonien auszurufen, obwohl dies die Absetzung der Regionalführung durch Madrid unausweichlich machen würde. Diese Linie verfolgt offenkundig auch Parlamentspräsidentin Carme Forcadell (ERC), die sich in Barcelona immer mehr als Führungsfigur gegenüber dem zaudernden Puigdemont profiliert. Madrider Medien sehen die 61-Jährige als treibende Kraft in der Unabhängigkeitsbewegung.

Die Differenzen zeigten sich am Mittwoch: Puigdemonts Pressebüro gab bekannt, er werde auf der für den nächsten Vormittag angekündigten Parlamentssitzung in Barcelona Stellung nehmen; danach werde er nach Madrid fliegen, um sich einer Anhörung des Senats zu stellen, des Oberhauses des spanischen Parlaments. Daraufhin wurde die Sitzung des Parlaments in Barcelona auf Nachmittag verschoben, was Puigdemonts Reise nach Madrid unmöglich macht, er sagte seine Erklärung in Madrid ab.

Forcadell hat wie Puigdemont eine Republik Katalonien zum Lebensziel erklärt. Seit ihrer Studentenzeit engagiert sie sich für die Pflege des Katalanischen, das eine eigene romanische Sprache ist und während der Franco-Diktatur im öffentlichen Raum verboten war. Mit einem Master in Philosophie und in Medienwissenschaften versehen, wurde sie eine der ersten Moderatorinnen in regionalen Fernsehsendern, erarbeitete Sprachfibeln. Überdies stieg sie in der Katalanischen Nationalversammlung (ANC) auf, dem Dachverband der Initiativen und Vereine, die für die Abspaltung von Spanien eintreten.

Unter der Leitung der kleinen, überaus energischen Frau aus bescheidenen Verhältnissen organisierte der ANC Massenkundgebungen. Vor zwei Jahren trat sie an die Parlamentsspitze in Barcelona. Forcadell gab die umstrittene Parole aus, das Ergebnis der Regionalwahl 2015 gebe ihr das Mandat, die Sezession voranzutreiben. Zwar hatten die drei Parteien, die für die Loslösung von Madrid eintreten, 72 der 135 Sitze erhalten - aber nur 48 Prozent der Stimmen.

Nicht nur die Madrider Presse, sondern auch die renommierte La Vanguardia aus Barcelona sprach ihr deshalb die Legitimierung für ihren Kurs ab; die Opposition in Barcelona, die für Spaniens Einheit eintritt, warf ihr wiederholt vor, als Parlamentsvorsitzende parteiisch zu agieren. Sollte sie sich damit durchsetzen, dass an diesem Donnerstag Kataloniens Unabhängigkeit ausgerufen wird,gilt als sicher, dass die spanische Generalstaatsanwaltschaft auch ihre Absetzung betreiben und "wegen Rebellion" gegen sie ermitteln wird.

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