Süddeutsche Zeitung

Koalition:SPD schießt sich auf Spahn ein

Die Kritik am Gesundheitsminister wird immer heftiger - Hintergrund sind Berichte, Spahn liebäugle mit einer Kanzlerkandidatur. Auch Röttgen geht auf Distanz.

Von Robert Roßmann und Mike Szymanski, Berlin

Die SPD setzt im Streit um das Pandemie-Management ihre Attacken auf den Koalitionspartner fort. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz zog am Rande der Fraktionsklausur seiner Partei indirekt die Eignung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) als möglichen Kanzlerkandidaten der Union in Zweifel. Anlass waren Berichte von Bild und Spiegel, wonach Spahn in seiner Partei die eigenen Chancen für eine Kanzlerkandidatur ausloten würde, obwohl er offiziell den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet im Wettstreit um den CDU-Vorsitz unterstützt. Scholz erklärte zwar, er wolle diese Berichte nicht kommentieren, sagte dann jedoch: "Aber eine Sache ist natürlich ganz klar: Dass, wenn es um Kanzlerkandidaturen geht, immer auch die Frage des Charakters mit erörtert wird."

Spahn, der seit Tagen von der SPD wegen der Probleme beim Impfen gegen das Corona-Virus kritisiert wird, liegt in Meinungsumfragen teils deutlich vor den drei CDU-Kandidaten für den Parteivorsitz. Scholz war deshalb von Journalisten gefragt worden, ob die SPD Spahn als Kanzlerkandidaten fürchte.

Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich beförderte den Eindruck, Spahn vernachlässige seine Arbeit als Minister. Er wundere sich schon, dass die vergangenen Monate vom Gesundheitsminister nicht genutzt worden seien, "alles dafür zu tun", um mehr Impfstoff einkaufen zu können - Spahn habe anscheinend "genügend Zeit für andere Fragen" gehabt, sagte Mützenich mit Blick auf die Berichterstattung über dessen Rolle im CDU-internen Wettbewerb. Es müsse "jeder selbst wissen, wie er arbeitet".

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil griff Spahn ebenfalls an. Teilnehmerangaben zufolge zeigte er sich bei der Klausur entsetzt darüber, dass der Gesundheitsminister an seiner Karriere arbeite anstatt seinen Job zu machen.

Röttgen: Priorität hat jetzt die Pandemie-Bekämpfung

Am Freitag gab es nicht nur aus der SPD Kritik an Spahn. Auch Norbert Röttgen ging auf Distanz. Er sagte bei Bild Live, die Frage nach einer Kanzlerkandidatur des Gesundheitsministers stelle "sich nun wirklich nicht". Er glaube, es gebe "jetzt für alle andere Prioritäten - in der Partei, aber vor allem in der Regierung. In der Regierung heißt die Priorität Pandemie-Bekämpfung und nicht was anderes."

Ein Sprecher Spahns sagte zu den Berichten, wonach der Minister in der CDU herumtelefoniere, um seine Chancen für eine Kanzlerkandidatur zu eruieren: "Das stimmt nicht." Spahn tausche sich jedoch ständig mit Parteimitgliedern aus. Dabei gehe "es selbstverständlich auch um die Stimmung vor dem Parteitag und das Werben für das Team mit Armin Laschet".

Schon im vergangenen Jahr hatte es in der CDU Debatten darüber gegeben, ob sich Spahn nicht aus dem Team mit Laschet lösen sollte, um selbst für den CDU-Vorsitz antreten zu können. Diese verliefen jedoch ergebnislos. Am kommenden Samstag wird auf einem digitalen Parteitag der nächste CSU-Chef gewählt. Und inzwischen gilt es als sicher, dass es bei den drei Kandidaten Armin Laschet, Norbert Röttgen und Friedrich Merz bleiben wird.

Deshalb hat sich bei den Spahn-Anhängern die Debatte jetzt darauf verlagert, ob der Gesundheitsminister nicht Kanzlerkandidat werden könnte. Spahn hat immer noch nicht ausgeschlossen, sich in diesem Jahr um die Kanzlerkandidatur zu bemühen. Ende 2018 hatte sich Spahn selbst für den CDU-Vorsitz beworben und dabei deutlich gemacht, dass sich jeder Bewerber für den CDU-Vorsitz auch das Kanzleramt zutrauen müsse.

Laschet gibt sich gelassen

Am Montag hatte Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus die Debatte über die Zukunft Spahns weiter befeuert. Brinkhaus sagte der Süddeutschen Zeitung, der Kanzlerkandidat der Union müsse nicht unbedingt auch Parteivorsitzender sein. Damit wäre nicht nur Brinkhaus im Spiel, sondern auch Spahn, obwohl er sich diesmal nicht um den CDU-Vorsitz bewirbt.

Laschet zeigte sich am Freitagabend trotz der Berichte über die Ambitionen Spahns gelassen. Er sagte im Fernsehsender Phoenix: "Ich glaube seinem Wort, dass er im Team steht. Und insofern mache ich mir da keine Sorgen."

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