Süddeutsche Zeitung

Jens Spahn:Bitte ganz ruhig

Der Gesundheitsminister muss sich als Corona-Krisenmanager erst noch beweisen. Krisen können durchaus Helden hervorbringen - aber auch unversehens zum politischen Absturz führen.

Von Henrike Roßbach

Von der "größten Krise unserer Geschichte", sprach Jens Spahn am Dienstag in der Bundespressekonferenz in Berlin, und davon, dass in jeder Krise auch eine Chance liege, "das ist mehr als nur ein Spruch". Im Sinn hatte er in diesem Moment den Zustand seiner Partei, der CDU, schließlich waren er und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet gerade dabei, ihre Teamlösung für den Parteivorsitz vorzustellen. Es gibt derzeit aber noch eine Krise, mit der Spahn zu tun hat. In Sachen Coronavirus ist er als Gesundheitsminister qua Amt der oberste Krisenmanager des Landes; anders als im Fall der CDU, wo er sich mit der Rolle des Mannes an Laschets Seite beschieden hat. Ob jedoch in der Coronakrise eine Chance für den 39-Jährigen liegt oder nicht vielmehr eine Gefahr, ist keineswegs ausgemacht.

Einen Tag zuvor, Italien hat gerade ganze Ortschaften abgeschottet und den Karneval in Venedig abgebrochen, steht Spahn im Foyer seines Ministeriums und erstattet Bericht zum Coronavirus. Das tut er nicht zum ersten Mal. Am Montag aber sagt er, sie blickten "mit Sorge" auf Norditalien, das Geschehen dort ändere "auch unsere Einschätzung der Lage". Die Coronaepidemie sei "in Europa angekommen".

Die Rolle, die Spahn im Zusammenhang mit Corona bis zu diesem Zeitpunkt für sich gewählt hatte, war die des bedachten Krisenverwalters. Zu "aufmerksamer Gelassenheit" hatte er Ende Januar aufgerufen, als der erste Fall in Deutschland bestätigt wurde. Seine wichtigste Botschaft lautete: Ruhe bewahren. Deutschland sei gut vorbereitet, betonte er immer wieder, versprach Transparenz und stimmte sich mit seinen internationalen Kollegen ab.

Nun aber ist da diese veränderte Lage, und Spahn muss Fragen beantworten wie die, ob auch in Deutschland Städte abgeriegelt werden könnten. Während er sich Ende Januar noch zuversichtlich zeigte, eine Ausbreitung in Deutschland verhindern zu können, sagt er am Montag, man müsse damit rechnen, dass sich das Virus auch hierzulande ausbreiten könne. Mittwochabend ist es dann soweit: Spahn muss den "Beginn einer Corona-Epidemie in Deutschland" verkünden.

Noch hat Spahn keine schweren Fehler gemacht

Externe Krisen aber sind unberechenbar für jene, die sie auf der politischen Bühne in den Griff kriegen müssen. Sie können vermeintliche Helden hervorbringen oder Karrieren beenden. Gerhard Schröders Gummistiefeleinsatz beim Elbe-Hochwasser 2002 erwies sich im Wahlkampf als überaus gewinnbringend. Gesundheitsministerin Andrea Fischer und Agrarminister Karl-Heinz Funke dagegen kostete 2001 eine andere Krise, der BSE-Skandal, die Ämter. Und die Flüchtlingskrise ist weder Angela Merkel noch Innenminister Thomas de Maizière besonders gut bekommen.

Noch hat Spahn, so weit man das beurteilen kann, keine schweren Fehler gemacht. Er leugnet nicht die Möglichkeit einer negativen Entwicklung, schließt auch drastische Schritte nicht aus, gibt den Ruhepol. Die ersten Experten aber melden sich schon kritisch zu Wort und fordern weitergehende Maßnahmen. "In Zeiten wie diesen muss der Staat funktionieren", gab sich Spahn zuletzt betont tatkräftig. "Wir wollen Sie schützen." Allein an der Spitze steht er selbst aber im Zweifel ungeschützt im Sturm.

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SZ vom 27.02.2020/kit
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