Spähpraxis:Abhören von Ausländern geht immer

Spähpraxis: Ein Schild mit den Emblemen der NSA und angegliederter Behörden am Hauptquartier des Geheimdienstes in Fort Meade im US-Bundesstaat Maryland.

Ein Schild mit den Emblemen der NSA und angegliederter Behörden am Hauptquartier des Geheimdienstes in Fort Meade im US-Bundesstaat Maryland.

(Foto: AP)
  • Der amerikanische Geheimdienst NSA muss bis auf Weiteres die massenhafte Speicherung von Daten über US-Bürger einschränken.
  • Ausländische Staatsbürger werden weiterhin ausgespäht.
  • Diese Praxis ist sowohl bei US-Geheimdiensten, als auch bei ihren deutschen Kollegen gang und gäbe.
  • Trotz Bedenken namhafter Verfassungsrechtler will auch die Bundesregierung an der uneingeschränkten Ausspähung ausländischer Daten festhalten.

Von Hans Leyendecker

Vor gut zwei Jahrzehnten trugen Mitarbeiter der Lufthansa Buttons gegen Fremdenfeindlichkeit: "Wir sind jeden Tag Ausländer - fast überall". In diesen Tagen lautet der Spruch gegen Rassisten und Rassismus so ähnlich: "Alle Menschen sind Ausländer. Fast überall". Dass fast alle Menschen Ausländer sind, gehört auch zu den Gewissheiten der Geheimdienste, der amerikanischen besonders. Die meinen das nur anders. Nichtamerikaner sind für NSA, CIA und die anderen US-Geheimdienste faktisch vogelfrei. Die jetzt erzwungene Unterbrechung bei der staatlichen Vorratsdatenspeicherung bezieht sich deshalb nur auf US-Bürger.

Es gibt viele Erklärungen, warum etwa für die NSA fast jeder Ausländer ein potenzielles Ziel ist, und warum das auch für befreundete Nationen gilt. Die diplomatischste Erklärung für das undiplomatische Vorgehen hat der frühere britische Premierminister Lord Palmerston gefunden: Staaten hätten keine ewigen Freundschaften, sie hätten eigene Interessen, meinte er.

Der Verbund "Five Eyes" spioniert gegen den Rest der Welt

Man kann nie genug über andere wissen, und man kann nie zu wenig über sich verraten - das ist die Philosophie der US-Dienste. Und besonders viel Furcht muss man vor Dingen haben, die man nicht kennt.

Lediglich mit Kanada, Neuseeland, Großbritannien und Australien haben die Vereinigten Staaten ein Abkommen geschlossen, sich wirklich wie gute Freunde zu verhalten. Der aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgegangene Verbund "Five Eyes" spioniert gegen den Rest der Welt, angeblich aber nicht untereinander.

Der Versuch der Bundesregierung, mit den Amerikanern ein No-Spy-Abkommen zustande zu bringen, war ein Versuch oder eher ein Wahlkampfmanöver. Doch Deutschland ist den Amerikanern zu wichtig, um dort auf Spionage zu verzichten.

"Wir sind abhängig von der NSA und nicht umgekehrt"

Das Vorgehen der US-Dienste lässt sich denn auch am Beispiel Deutschlands ganz gut erklären. Die deutschen Dienste und die amerikanischen Dienste sind Partnerdienste. Das bedeutet, sie arbeiten zusammen: "Also, die bösen Amis würde ich nicht sagen", meinte der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Gerhard Schindler, am 21. Mai im NSA-Untersuchungsausschuss. "Wir sind abhängig von der NSA und nicht umgekehrt." Die NSA gefährde nicht die Sicherheit Deutschlands, sondern "sie hilft uns, Deutschland zu schützen".

Das ist für Außenstehende nicht ganz leicht nachzuvollziehen. Im Herbst 2013 hatte sich herausgestellt, dass die NSA sogar das Mobiltelefon der Kanzlerin abgehört hatte. Der amerikanische Geheimdienstchef James Clapper fand die Aufregung der Deutschen trotzdem lächerlich. Er sagte, es erinnere ihn an den Film "Casablanca", in dem der korrupte Polizeichef in einem Nachtclub erscheint und ruft: "Ich bin schockiert; schockiert, dass hier um Geld gespielt wird." Eine der ersten Sachen, die er auf der Geheimdienstschule 1963 gelernt habe, sei die Ausforschung ausländischer Regenten gewesen. Man müsse wissen, ob das, was sie sagen, auch dem entspreche, was sie tun.

Ausländer gelten auch bei deutschen Geheimdiensten als vogelfrei

Im vergangenen Jahr kam heraus, dass ein BND-Mitarbeiter gegen Bezahlung für den US-Geheimdienst CIA das Innenleben des BND ausgeforscht hatte. Die Reaktion der Bundesregierung, den Berliner CIA-Residenten rauszuwerfen, fanden die Amerikaner reichlich übertrieben. "Es gibt Themen, da haben wir keine Gewissheit über die deutsche Haltung und da kann es erforderlich sein, dass man sich Informationen mit anderen Mitteln beschafft", sagte ein früherer Berater der US-Geheimdienste einem US-Sender.

Auch für den BND gilt, dass Ausländer praktisch wie Vogelfreie behandelt werden. Nach Meinung von Kritikern gibt es sogar eine Art Rasterfahndung im Ausland.

Spionage sei völkerrechtlich nicht verboten, argumentiert die Bundesregierung

Der Vorwurf ist unbegründet. Auf eine Frage im Untersuchungsausschuss nach der Unterscheidung bei den Nationen, etwa Österreich oder Afghanistan, antwortete Schindler: "Das ist doch völlig egal." Das BND-Gesetz unterscheide zwischen Inland und Ausland. Das sei die Grundlage. Besonders geschützt seien Deutsche und Ausländer, die in Deutschland leben.

Die anderen sind praktisch nicht geschützt. Staatsrechtler kritisieren diese Praxis als verfassungswidrig. Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, argumentiert, die bisherige Praxis sei rechtswidrig, weil der Schutz des Grundgesetzes auch für Ausländer gelten müsse.

Die Bundesregierung hielt dagegen. Sie legte ein Kurzgutachten vor, das in einem Satz zusammengefasst werden kann: Spionage sei völkerrechtlich nicht verboten. Aber es gibt schon solche und solche. Als der BND im Jahr 2008 einmal mit Hilfe von Selektoren Mitarbeiter einer ausländischen Stiftung aushorchen und ausspähen wollte, schalteten sich die Amerikaner ein. Das gehe gar nicht. Pullach habe nicht erkennen können, "dass das US-Bürger sind", sagte Schindler. Die Amerikaner hätten das Ausspähen dann abgelehnt.

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