Sozialpolitik:Die gestrandeten Deutschen von Mallorca

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Die Illusionen sind vorbei, geblieben ist die Not: Das deutsche Konsulat auf Mallorca hat verstärkt mit mittellosen Deutschen zu tun, die nicht mehr heimwollen.

Karoline Amon

Der Fall "Florida-Rolf" war ein besonders unrühmliches Beispiel für übelsten Boulevardjournalismus und aktionistische Gesetzgebung. 2003 sorgte es für große Aufregung, dass der an einer Bauchspeicheldrüsenentzündung erkrankte Rolf J. seinen Lebensunterhalt in Florida jahrelang mit einer vierstelligen Summe des deutschen Sozialamtes bestritten hatte. Die rot-grüne Bundesregierung verschärfte daraufhin die Voraussetzungen für Auslandssozialhilfe.

Mehr als 30.000 Deutsche leben auf Mallorca, manche in prekären Verhältnissen. (Foto: Foto: dpa)

Auch viele andere Deutsche zieht es in den sonnigen Süden, besonders beliebt ist nach wie vor die Balearen-Insel Mallorca. Unter den Tausenden deutschen Urlaubern sind zahlreiche Glücksritter, die kein Rückflugticket in der Reisetasche haben. Angelockt von Sonne und Strand und von Informationen, wonach auf Mallorca jeder deutsch spricht, glauben viele, ihre Existenz problemlos auf die Ferieninsel verlegen zu können.

Doch so mancher Traum vom Auswandern endet wieder am Flughafen Son Sant Joan in Palma de Mallorca. Deutsche Obdachlose fristen ihr Leben auf den Steinbänken vor den Terminals im Schatten der Yuccapalmen - geduldet von den mallorquinischen Behörden, solange sie einigermaßen gepflegt aussehen und Reisende nicht um Geld anbetteln.

Konsulat wird als Sozialamt missverstanden

Die Formulare zu Fällen gescheiterter Existenzen deutscher Staatsbürger stapeln sich beim deutschen Konsulat in Palma. Die Vertretung der Bundesrepublik ist eine gesuchte Anlaufstelle für deutsche "Mallorquiner", die keinen Cent mehr in der Tasche haben.

Das Konsulat, eigentlich für Dokumentenverlust zuständig, fühlt sich als Arbeits- und Sozialamt missverstanden. Konsul Wolfgang Wiesner, Chef der Behörde, muss die neue Klientel enttäuschen: Seine Stube ist für die Vermittlung finanzieller Unterstützung aus der Heimat nicht zuständig, ebenso wenig wie die balearische Regierung.

Doch die Häufigkeit der Fälle - vier waren es in der vergangenen Woche - lässt Wiesner nicht kalt. Der Konsul ist inzwischen Experte für die Sozialprobleme der Inseldeutschen.

Kein Resident, keine Fürsorge

Die größte Gruppe der Sozialfälle sind deutsche Rentner. Vor zehn Jahren haben die Bezüge aus Deutschland noch für ein bescheidenes Leben auf der Insel gereicht. Die enormen Preissteigerungen jedoch machen aus sparsamen Rentnern traurige Desperados. Das Problem: Viele Deutsche auf Mallorca haben verpasst, sich bei ihrer Übersiedlung auf der Balearen-Insel offiziell anzumelden. Gemäß des europäischen Fürsorgeabkommens von 1953 hätten sie andernfalls als Residenten Anrecht auf Rechtshilfe und einer bescheidene finanzielle Zuwendung durch die spanischen Behörden.

Immerhin 30.000 deutsche Staatsbürger sind auf Mallorca als Residenten registriert. Je nach Finanzkraft der Gemeinde erhält jeder deutsche Resident in finanzieller Notlage vom spanischen Fiskus circa 80 Euro in der Woche. Nicht gerade üppig, aber immerhin fallen sie dem Konsulat nicht zur Last. Für die Nicht-Residenten, die leer ausgehen, hat der Konsul versucht, mit den mallorquinischen Behörden auf offizieller Ebene eine Lösung zu finden - vergeblich.

Lesen Sie auf Seite 2, was das Konsulat tun kann und was nicht und wer als Retter in der Not einspringt.

Nun leisten die sieben Angestellten des Konsulats unbürokratisch Hilfe - so gut es geht. Wiesner kennt inzwischen Mitarbeiter bei spanischen Bürgermeisterämtern und Pflegeheimen, die Rentnern, jungen Familien und abenteuerlustigen Singles mit deutschen Wurzeln in sozialer Notlage behilflich sind.

Lions-Club hilft

Auf seine Initiative hin finanziert der Lions-Club mit Spendengeldern einen sozialen Pflegedienst für Notfälle. Er existiert seit vier Wochen. Die Dienstleiterin Karin Krüger betont, dass nicht immer nur Geld das Problem ist. "Rentner kennen sich gar nicht in ihren Ansprüchen aus. Wir machen für sie die Kontakte zu deutschen und mallorquinischen Behörden, finanzieren Taxifahrten und Sachleistungen, wie Kleidung oder Lebensmittel."

Probleme gab es auch für zwei 20-jährige Frauen. Das Arbeitsamt in Deutschland hatte die beiden jungen Braunschweigerinnen an ein deutsches Callcenter-Unternehmen auf der Insel vermittelt. Mit einer Prämie und einer Unterkunft im Gepäck freuten sich die zwei auf ein neues Leben auf der Insel. Nach sechs Wochen war der Traum ausgeträumt - die Firma kündigte den Job und die Unterkunft.

Der deutsche Konsul und seine Mitarbeiter vermittelten den beiden mit Hilfe von Karin Krüger erst mal eine Unterkunft in einem Obdachlosenheim. Eine Rückkehr, weiß Experte Wiesner, ist für die meisten Desperados kein Thema. Viele Rentner leben zum Teil schon 20 Jahre auf der Insel und haben ihre Kontakte zu Deutschland komplett abgebrochen. Auch weiß der Konsul von Familien mit Kindern zu berichten, die auf keinen Fall zurück nach Deutschland wollen - so düster auch die Perspektiven erscheinen mögen.

Die Bundesregierung will zu diesem Thema keine Stellungnahme abgeben. Wiesner soll mit deutschen Medien darüber nicht reden. Das für die Konsulate zuständige Auswärtige Amt verweist auf deren eigentliche Aufgabe, Passangelegenheiten und Hilfe bei Todesfällen. Offensichtlich soll unter keinen Umständen der Eindruck erweckt werden, die Bundesregierung finanziere deutschen Sozialfällen ein Dolce Vita auf Mallorca.

Auf keinen Fall soll der Eindruck entstehen, es gebe auf Mallorca so jemanden wie "Florida-Rolf".

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