Soziales Jahr:Das Pflichtjahr ist eine Platzfrage

Derzeit können nicht einmal alle Bewerber ein Freiwilliges Soziales Jahr machen, weil die Stellen dafür fehlen. Vergangenes Jahr gab es mehr als 140 000 Bewerbungen, nur rund 52 000 Jugendliche kamen unter.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Die Debatte um ein Pflichtjahr für alle junge Menschen in Deutschland ist eine Art politischer Dauerbrenner. Zuletzt hatten drei schwäbische Bürgermeister ein soziales Pflichtjahr gefordert, auch als Reaktion auf Krawalle von Jugendlichen in Stuttgart und anderen Städten. Die amtierende CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer plädierte ebenfalls schon mehrfach für ein Pflichtjahr. Weil es dafür aber hohe Hürden gibt, stellte sie kürzlich zunächst ein neues Freiwilligenjahr in der Bundeswehr vor: Eine militärische Grundausbildung und danach Einsätze im Heimatschutz, von Hochwasser bis Corona. Die Zustimmung nach einem "Deutschlandjahr" ist vor allem in der Union groß.

Idee für ein "Deutschlandjahr", etwa in der Bundeswehr, kommt vor allem in der Union gut an

Nun aber zeigen aktuelle Zahlen abermals, dass es nicht mal genug Plätze gibt für diejenigen, die sich gerne freiwillig engagieren würden. Anna Christmann, Sprecherin für Bürgerschaftliches Engagement der Grünen-Fraktion im Bundestag, hat bei der Regierung nachgefragt, in welchem Verhältnis die Bewerberzahlen zu den freien Plätzen zuletzt standen. Das Ergebnis ist ernüchternd.

Beim Freiwilligen Sozialen Jahr gab es im Jahrgang 2019/2020 insgesamt 140 377 Bewerbungen. Am Ende bekamen nur 52 478 Jugendliche einen Platz, was 37 Prozent entspricht. Noch gravierender war das Missverhältnis beim Freiwilligen Ökologischen Jahr: 11 878 Bewerbungen gingen ein, 3142 Freiwillige unterzeichneten eine Dienstvereinbarungen - ein gutes Viertel. Das zuständige Bundesjugendministerium weist in seiner Antwort an Christmann zwar darauf hin, dass die Zahl der Bewerbungen nicht mit der Zahl der interessierten Jugendlichen übereinstimme, weil diese sich häufig mehrfach bewerben würden. Dennoch ist klar, dass mehr Jugendliche sich engagieren würden, wenn es mehr Plätze gäbe, was auch auf die kleineren Programme für Freiwilligendienste im Ausland zutrifft.

"Während die CDU wiederholt über soziale Pflichtdienste sinniert, gibt es in der Realität nicht einmal genug Plätze für Freiwillige", sagt Christmann. Die Zahlen zeigten, "wie absurd die Debatte über ein soziales Pflichtjahr ist". Die Regierung solle erst einmal genug Dienstplätze für Freiwillige schaffen. Auch Jugendministerin Franziska Giffey (SPD) ist gegen ein Pflichtjahr. Ihr eigener Ansatz aber, ein finanziell attraktiveres "Jugendfreiwilligenjahr" mit deutlich mehr Plätzen, ist bislang kaum voran gekommen.

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