Süddeutsche Zeitung

Soziale Medien:Blockadehaltung

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Wie die Polizei auf unliebsame Twitternachrichten reagiert, irritiert nicht nur Inhaber von Accounts. Auch aus dem Deutschen Bundestag kommt Kritik.

Von Hakan Tanriverdi, München

Martin Eberle will, dass die Polizei Frankenthal seine Kritik ernst nimmt. Der 31-jährige Informatiker verfolgt die Pressemitteilungen der Polizei über Twitter. Ihm missfallen vor allem Mitteilungen, die nach Unfällen veröffentlicht wurden, in denen Fahrradfahrer zu Schaden kamen. Zwischen den Zeilen, so Eberles Meinung, könne man lesen, dass die Radler selbst schuld seien, wenn sie keine Helme aufsetzten und sich Verletzungen zuzögen. Also twitterte Eberle: "Ich habe kein Vertrauen mehr in die @Polizei_FT. Diese schützt und verharmlost Täter und verhöhnt die Opfer im Straßenverkehr." Daraufhin wurde er geblockt.

Diese Auseinandersetzung zwischen einem Bürger und einer staatlichen Stelle wirft grundsätzliche Fragen auf, wie sich Polizei und andere Behörden online verhalten sollen. Gerade im Umfeld der G-20-Proteste beschwerten sich Nutzer, dass sie die Polizei Hamburg blockiert habe. Diese rechtfertigte sich: Das Blockieren schneide niemanden von Informationen ab, denn Inhaber gesperrter Accounts könnten sich "einen weiteren Account anlegen und damit der Polizei Hamburg folgen".

Die Wissenschaftliche Dienste des Bundestages haben diese Frage in einer Ausarbeitung untersucht, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Solche Analysen dienen Abgeordneten als Hilfestellung, um etwa für Gesetzgebungsverfahren informiert zu sein. Die Dienste kommen zu einem anderen Ergebnis als die Hamburger Behörde: "Blockiert die Polizei bestimmte Beiträge oder Nutzer auf ihrem Kurznachrichten-Konto, greift dies grundsätzlich und je nach Fallgestaltung" in Grundrechte ein, heißt es dort. Genannt werden vier Grundrechte, darunter die Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit. Auch das Recht auf gleiche Teilhabe werde beschränkt.

Dabei sei es "unerheblich", dass man sich auch einen Zweitaccount anlegen und damit der Polizei folgen könne. "Gleichermaßen sinnwidrig wäre die Argumentation, dass ein behördliches Hausverbot einen Bürger nicht belaste, weil er unter falscher Identität die Amtsräume wieder betreten könne", heißt es. Die Polizei dürfe Accounts nur dann ausschließen, wenn dieser Schritt verhältnismäßig sei. "Die Polizei kann den Zugang eines Nutzers also nicht allein deshalb beschränken, weil der Nutzer eine missliebige Meinung äußert." Handle es sich um Straftaten, sei ein Blockieren jedoch ein legitimes Ziel.

Andrej Hunko, Bundestagsabgeordneter der Linken, kritisiert, dass es keine einheitliche und überprüfbare "Verfahrensregelungen" für Social-Media-Teams der Polizei gebe. "Die zuständigen Abteilungen müssen ihre Auftritte in sozialen Medien aus meiner Sicht neu starten."

Dabei hätten Polizeidienststellen auch eine andere Option: Nutzer stummschalten. Dann sieht das Social-Media-Team nicht mehr, was der Nutzer twittert. Der Nutzer hingegen kann der Polizei weiterhin folgen.

Am Telefon sagt ein Frankenthaler Polizist zum Fall Eberle, dass er die Funktion nicht kenne, sie sich aber mal ansehen werde.

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Quelle:
SZ vom 10.03.2018
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