Sozialdemokraten:Jetzt auch noch Schröder

Sozialdemokraten: Neben der amtierenden Regierungschefin Angela Merkel muss SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz nun auch noch gegen Alt-Kanzler Schröder durchdringen. Das Bild zeigt eine Collage aus alten Wahlplakaten.

Neben der amtierenden Regierungschefin Angela Merkel muss SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz nun auch noch gegen Alt-Kanzler Schröder durchdringen. Das Bild zeigt eine Collage aus alten Wahlplakaten.

(Foto: dpa(3))

Martin Schulz versucht mit eigenen Themen gegen die amtierende Regierungschefin durchzudringen. Nun bestimmen auch noch die Pläne ihres Vorgängers die Debatte - und das nicht zum ersten Mal.

Von Nico Fried, Berlin

Der Kanzlerkandidat der SPD ließ sich Zeit. Am Freitagabend hatte die russische Regierung den Vorschlag von Ministerpräsident Dmitrij Medwedjew veröffentlicht, Gerhard Schröder als Aufsichtsrat für den Ölkonzern Rosneft zu verpflichten. Am Samstag liefen in Deutschland die ersten Meldungen. Am Montag schickte Martin Schulz zunächst seinen Generalsekretär Hubertus Heil mit der Auskunft vor die Presse, das sei Schröders persönliche Angelegenheit, Schulz jedenfalls werde "nach seiner Amtszeit als Bundeskanzler" keinen Posten in der Privatwirtschaft anstreben. Das war der Versuch, der Sache noch eine gewitzte Wendung zu geben, reichte aber nicht aus. Am Dienstagmorgen äußerte sich Martin Schulz dann selbst noch mit einem Eintrag auf Facebook zu Schröders neuem Posten: "Ich würde das nicht tun." Das Thema war stärker als der Wunsch des Kandidaten, es möge vorbeiziehen.

Es ist schon aufreibend genug für Schulz, gegen die amtierende Regierungschefin durchzudringen. Nun macht ihm auch noch ihr Vorgänger das Leben schwer. Seit Tagen erhält der Mann, der vor vielen Jahren Kanzler war, mindestens so viel Aufmerksamkeit wie der Mann, der es erst noch werden will. Einstweilen hofft die SPD darauf, dass das Thema ihren Wahlkampf nicht weiter beeinträchtigt. Aber natürlich lenken die Fragen nach Schröder zumindest von der eigentlichen Agenda des Kanzlerkandidaten ab. Man müsse leider Zeit auf dieses Thema verwenden, die für die eigenen Themen besser investiert sei, heißt es in der Parteispitze.

Im Juni hatte Schulz noch eine Art Heimholung Schröders in die SPD inszeniert

In einer routinemäßigen Telefonschaltkonferenz der Sozialdemokraten am Donnerstagmorgen wurde die Causa Schröder laut Teilnehmern als einer von mehreren Tagesordnungspunkten abgehakt. Die Vorstände von Partei und Fraktion sowie die zugeschalteten Ministerpräsidenten erfuhren, dass Schulz inzwischen mit Schröder auch persönlich gesprochen habe. In diesem Gespräch soll der SPD-Chef die Entscheidung des Altkanzlers als falsch bezeichnet haben. In der Schaltkonferenz gab es dazu keine größere Diskussion.

Doch die Sache ist noch nicht erledigt. Ausgerechnet Schröder selbst heizte die Debatte von Neuem an. In der Schweizer Zeitung Blick, die einem Verlag gehört, den Schröder berät, rechtfertigte er am Donnerstag nicht nur "meine private Entscheidung" für seinen - wenn er als Aufsichtsrat gewählt wird - künftigen Job, er kritisierte auch die "Einseitigkeit" der Berichterstattung und sprach von einer politischen Kampagne zugunsten von Angela Merkel, vor allem durch besonders kritische Kommentare der Bild-Zeitung. "Man will ihr über die Diffamierung meiner Person helfen." Davon, dass sich auch der SPD-Kanzlerkandidat distanziert hatte, zeigte sich Schröder unbeeindruckt: "Jeder muss selber wissen, was er sagt. Ich werde Martin Schulz' Wahlkampf trotzdem unterstützen, wenn er das will."

Will er nicht. Aus der SPD-Zentrale hieß es am Donnerstag, es werde keine gemeinsamen Auftritte von Schulz und Schröder geben, allerdings seien auch keine geplant gewesen. Der Altkanzler wird nur einzelne Bundestagsabgeordnete und SPD-Kandidaten unterstützen, unter anderem Lars Klingbeil. In dessen Wahlkreis Rotenburg soll Schröder am 30. August kommen. Dabei bleibe es auch, sagte Klingbeil am Donnerstag. Er werde mit Schröder eine Art Talkshow veranstalten. "Wir werden alle relevanten Themen ansprechen." Einen Tag später ist Schröder zu Gast in Hannover, bei der früheren SPD-Generalsekretärin und amtierenden Staatssekretärin im Arbeitsministerium, Yasmin Fahimi. Sie kandidiert erstmals für den Bundestag. Auch dieser Termin bleibe bestehen, hieß es am Donnerstag aus dem Büro Fahimis.

Andere Sozialdemokraten hätten hingegen durchaus Anlass, sich von Schröder veräppelt zu fühlen. Vorneweg der Kanzlerkandidat. Martin Schulz hatte noch im Juni auf dem SPD-Parteitag in Dortmund eine Art Heimholung des wegen der Agenda 2010 so umstrittenen Altkanzlers in die Parteifamilie inszeniert. Die Sache lief gar nicht so schlecht: Schröder hielt eine Rede, die von vielen Delegierten nicht enthusiastisch, aber mit freundlichem Wohlwollen aufgenommen wurde, und er ließ sich im Saal auch noch neben der Juso-Chefin Johanna Ueckermann platzieren, die zu den härtesten Kritikern seiner Politik gehört.

Nun aber steht Schulz ähnlich kalt erwischt da wie im Dezember 2005 der damalige Parteivorsitzende Matthias Platzeck. Der wurde seinerzeit von der Nachricht überrascht, dass Schröder nur wenige Wochen nach dem Ende seiner Amtszeit als Kanzler Aufsichtsrat im Konsortium für den Bau der Ostseepipeline Nordstream werde, an dem der russische Gazprom-Konzern die Mehrheit hält. Platzeck telefonierte damals mit Schröder und soll in dem Gespräch - vorsichtig formuliert - die Informationspolitik des Altkanzlers gegenüber der Partei gerügt haben. Öffentlich stellte er sich dann aber hinter Schröder, anders als zum Beispiel der damalige Chef der Bundestagsfraktion, Peter Struck.

Mit seinen Äußerungen könnte der Altkanzler auch Gabriel in Erklärungsnot bringen

Schröders Freundschaft zum russischen Präsidenten Wladimir Putin ist nicht neu. Auch nicht die Kritik daran. Für die SPD ist die neue Debatte gleichwohl nicht nur wegen des Zeitpunkts unerfreulich, sondern auch in der Sache heikel. Die Reaktion der schwarz-roten Bundesregierung auf die Krimkrise und den Ukraine-Konflikt hat gerade in der SPD zu Diskussionen geführt. Der von der SPD gestellte frühere Außenminister Frank-Walter Steinmeier, inzwischen Bundespräsident, wie auch sein Nachfolger Sigmar Gabriel waren stets darum bemüht, Loyalität mit den Sanktionen gegen Russland mit einer gewissen Eigenständigkeit sozialdemokratischer Russland-Politik zu vereinbaren.

So kritisierte Gabriel jüngst - ganz auf Regierungslinie - Äußerungen von FDP-Chef Christian Lindner, man müsse die Besetzung der Krim durch Russland als "dauerhaftes Provisorium" betrachten. Andererseits ist es dem SPD-Politiker längst gelungen, einen eigenen Draht zu Putin zu etablieren. Allein als Außenminister hat Gabriel Russlands Präsident binnen weniger Monate schon dreimal getroffen. Schröder könnte diese empfindliche Balance schon dadurch gefährden, dass er Gabriel in Erklärungsnot bringt. Lindners Äußerungen lobte der Altkanzler ausdrücklich. Und die Tatsache, dass Rosneft von Sanktionen der EU und der USA betroffen sei, wischte er mit der Bemerkung vom Tisch, die Sanktionen erfüllten ihre Funktion ohnehin "nur bedingt".

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