Süddeutsche Zeitung

Impeachment-Anhörungen:Der Mann mit dem direkten Draht zu Trump

Gordon Sondland ist Amerikas Botschafter bei der EU und Schlüsselfigur in der Ukraine-Affäre. Wer ist der schillernde Millionär, der ständig mit Trump telefonierte und den Präsidenten belasten könnte?

Porträt von Matthias Kolb, Brüssel

Bei Donald Trump hat sich die Öffentlichkeit daran gewöhnt, viele seiner Aussagen anzuzweifeln. Doch der Satz, den der US-Präsident vor zwei Wochen über Gordon Sondland sagte, ist selbst für Trump-Maßstäbe bemerkenswert: "Ich kenne diesen Herrn kaum." Wenig glaubwürdig war diese Aussage schon, bevor klar wurde, dass der 62-jährige Sondland eine Schlüsselfigur im Impeachment-Verfahren ist und am heutigen Mittwoch um 15 Uhr deutscher Zeit aussagen wird.

Denn Trump höchstpersönlich hatte den Polit-Neuling im Sommer 2018 zum US-Botschafter bei der EU ernannt. Zuvor hatten Sondland und seine Frau eine Million Dollar für die Amtseinführung im Januar 2017 gespendet und so Zugang zu Trumps innerstem Kreis erhalten. Zu erheblichem Reichtum war Sondland als Eigentümer von Boutiquehotels an der US-Westküste gekommen, doch zum Trump-Fan wurde er erst nach dessen Wahlsieg. Ursprünglich hatte er Jeb Bush unterstützt.

In Brüssel, wo die Anhörungen zum Amtsenthebungsverfahren in vielen Büros live mitverfolgt werden, wird seit Tagen gescherzt, dass es unmöglich sei, den Glatzkopf Sondland mit seiner lauten Stimme und überbordenden Energie zu vergessen. In der EU-Hauptstadt merkten Diplomaten schnell, wie eng der Draht von Botschafter Sondland zu Trump ist, dessen Agenda er stets gut gelaunt, aber vehement verteidigt: China sei eine Bedrohung, das Festhalten der Europäer am Nukleardeal mit Iran ein Fehler und die EU setze zu stark auf "Regelungswut" und Protektionismus.

Im September wurde Sondland durch die Aussage des Whistleblowers einer breiten Öffentlichkeit bekannt: Er gehörte mit Ex-Energieminister Rick Perry und dem Ukraine-Sonderbeauftragten Kurt Volker zu den "three amigos", die in Verbindung mit Rudy Giuliani für Trump eine Schatten-Außenpolitik in Bezug auf die Ukraine betrieben. So ist kaum übertrieben, was etwa der republikanische Abgeordnete Mark Meadows sagt: "Beim Amtsenthebungsverfahren kommt es auf einen Mann an, und das ist Botschafter Sondland." Sondlands Rolle ist so zentral, weil er persönlich mit Trump über den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij, den Gaskonzern Burisma, die Militärhilfe für Kiew und die Bidens gesprochen hat - und seine Informationen aus erster Hand hat.

Sondland hatte in einer ersten Aussage bestritten, dass Trump in den Telefonaten mit Selenskij die Militärhilfe von knapp 400 Millionen US-Dollar sowie die Einladung ins Weiße Haus mit dem Start von Korruptionsermittlungen gegen Hunter Biden verknüpfte, den Sohn des früheren US-Vizepräsidenten und heutigen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden. Schon früh tauchten Kurznachrichten auf, die Sondland im Sommer mit Volker, Giuliani und dem US-Interimsbotschafter in Kiew, Bill Taylor, ausgetauscht hatte.

Taylor nannte es in einer SMS "verrückt", Militärhilfe zurückzuhalten, um Hilfe für eine politische Kampagne zu erzwingen. Sondland antwortete: "Bill, ich glaube, du hast die Absicht von Präsident Trump falsch verstanden." Der habe ein Quidproquo ausgeschlossen. Das liest sich noch heute derart formell, als habe Sondland vorbeugen wollen für den Fall, dass es Ermittlungen gibt. Ein Geschäft der Gegenleistung gilt stets als Gefahr für ein Amtsenthebungsverfahren gegen einen US-Präsidenten - genau dazu ist es gekommen.

Die demokratischen Abgeordneten interessieren sich extrem dafür, wieso Sondland seine Aussage Anfang November plötzlich revidiert hat. Sie zweifeln die Darstellung von Sondlands Anwalt an, dass sein Mandant sich nach den Stellungnahmen einiger Zeugen wieder daran erinnert habe: Ihm sei klar geworden, dass es einen Zusammenhang zwischen Trumps Drängen auf Ermittlungen zu den Ukraine-Geschäften seines innenpolitischen Rivalen Joe Biden und zurückgehaltenen US-Hilfen für Kiew gegeben haben müsse. Diese Verknüpfung habe er in Warschau auch einem Berater Selenskijs übermittelt. Sondland wird heute mehrfach gefragt werden, wie er eine solch wichtige Sache habe vergessen können.

In den vergangenen Tagen kamen zudem wenig schmeichelhafte Dinge über Sondland zum Vorschein. So beschrieb der Karrierediplomat David Holmes nicht nur, dass er Ende Juli neben Sondland in einem Restaurant in Kiew gesessen habe, als Sondland mit Trump telefonierte und über die möglichen Ermittlungen gegen Hunter Biden in der Ukraine sprach. Der US-Präsident sprach Holmes zufolge so laut, dass Sondland das Mobiltelefon von seinem Ohr weghielt, weshalb der Diplomat mithören konnte. Holmes äußerte die Befürchtung, dass Sondlands Gespräche abgehört würden, da er ein privates Telefon nutzte - und zwei der drei Mobilfunkunternehmen in der Ukraine russische Eigentümer haben.

Sondlands Sorglosigkeit erklärt sich damit, dass er eben kein ausgebildeter Diplomat ist. Dass Großspender ohne außenpolitische Erfahrung Botschafter werden, ist in den USA üblich - auch die Demokraten Bill Clinton und Barack Obama belohnten Unterstützer mit solchen Posten. Zuletzt wurde auch bekannt, dass der Ex-Hotelier Sondland eine Million US-Dollar an Steuergeld dafür ausgab, die Residenz des Botschafters zu renovieren: allein 400 000 Dollar wurden in eine neue Küche investiert.

Wie Trump nutzt Sondland Twitter, um als @USAmbEU seine Botschaften zu verbreiten. Über seinen Anwalt lässt er erklären, dass er nicht an Rücktritt denke und weiter das Vertrauen von Außenminister Mike Pompeo genieße. Allerdings spricht in Brüssel kaum jemand mehr von jenem "Neustart", den Sondland zum Amtsantritt der neuen EU-Kommission unter Führung von Ursula von der Leyen ankündigte. Ende September hatte Sondland stolz ein Foto auf Twitter gepostet, das ihn in der Wohnung von Trump-Tochter Ivanka am Esstisch mit Jared Kushner, Spaniens Außenminister Josep Borrell und Belgiens Noch-Premierminister Charles Michel zeigte. Mit dem künftigen Außenbeauftragten der EU und dem nächsten Ratspräsidenten will Sondland die transatlantischen Beziehungen verbessern.

Dass Gordon Sondland in die Privatwohnung von Trumps Lieblingstochter Ivanka eingeladen wurde, ist eines von vielen Argumenten, die gegen die "Ich kenne diesen Herrn kaum"-Aussage des US-Präsidenten spricht. Mit dem Botschafterposten in Brüssel erfüllt sich für Sondland, der schon 2012 Spenden für Mitt Romney sammelte, ein Traum. Er spricht gern über seine "Rückkehr nach Europa", denn seine Eltern stammen aus Berlin und Danzig und flohen vor dem Holocaust nach Seattle, wo sie eine Wäscherei betrieben. Ihr Sohn wurde als Kunstmäzen bekannt, fördert mit seiner Frau Wissenschafts- und Sozialprojekte, engagiert sich in der jüdischen Gemeinde in Oregon.

So erklärt sich, dass auch Ron Wyden, der demokratische Senator aus Oregon und Vorkämpfer für progressive Werte, sich sehr positiv äußerte über Sondland, als der sich als künftiger EU-Botschafter im Senat vorstellte. Damals war nicht abzusehen, dass Sondland einer jener Republikaner werden würde, deren Ruf nur von einem Mann bestimmt werden wird: Donald Trump.

Für den 62-Jährigen steht viel auf dem Spiel, denn Falschaussagen vor dem Kongress können empfindliche Strafen zur Folge haben. An guten Ratschlägen gibt es keinen Mangel. Der demokratische Abgeordnete Eric Swalwell, einst selbst Staatsanwalt, empfahl Sondland in einem Interview: "Es würde für Sie doch befreiend sein, einfach nur der Wahrheit zu folgen."

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