Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD:Schwarz und Rot wollen wohl noch mal reden

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Schwarz und Rot ringen um Inhalte: Die Spitzen von Union und SPD sondieren, ob es genug Übereinstimmung für eine große Koalition gibt. (Foto: Getty Images)

Mehr als sieben Stunden haben die Unterhändler von Union und SPD zusammengesessen. Wurden beim ersten Treffen vor allem Gemeinsamkeiten betont, ging es diesmal konkreter zur Sache. Und am Ende steht die Vereinbarung, dass es noch ein drittes Gespräch geben könnte.

Von Thorsten Denkler, Berlin, und Oliver Klasen

Am Nachmittag hat die zweite Sondierungsrunde von CDU, CSU und SPD in der Parlamentarischen Gesellschaft begonnen, vis-à-vis des Reichtages in Berlin. Es dauert lange, bis sich die Unterhändler der drei Parteien an diesem Montagabend wieder voneinander verabschieden - mehr als sieben Stunden beraten die Delegationen. Am Ende ist es nur ein Abschied bis zum nächsten Gespräch, das möglicherweise am Donnerstag stattfinden wird.

Diesmal geht es härter zur Sache als bei der ersten Runde vor gut einer Woche, als insbesondere die Gemeinsamkeiten betont wurden. Elf Themenkomplexe stehen auf der Liste von Merkel, Seehofer, Gabriel und den anderen Gesprächsteilnehmern, sie werden nacheinander abgehandelt. Die Ziel der Sozialdemokraten: Sie wollen der Union wenigstens ein paar konkrete Zusagen abtrotzen, um der Parteibasis auf dem für Sonntag anberaumten Konvent etwas Handfestes liefern zu können.

Die Vertreter von Union und SPD sitzen seit 16 Uhr zusammen, in einem Raum namens "Berlin", mit Blick auf die Spree. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles rechnet mit einer "mehrstündigen, intensiven Debatte" - und so kommt es dann auch.

Um 19 Uhr ist die Runde erst bei Thema drei angekommen. Gesprochen wird vorher über die Europapolitik, über einen möglichen Mindestlohn und die Energiewende. Zwischendurch stärken sich die Politiker mit Buletten und Kartoffelsalat, der einigen Teilnehmern von der SPD zufolge allerdings etwas versalzen gewesen sein soll. Gegen 21 Uhr, nachdem die Verhandlungen schon fünf Stunden laufen wird das Treffen zum ersten Mal unterbrochen, kurze Pause. Auf der To-Do-Liste stehen etwa noch die Familienpolitik sowie Investitionen in Bildung und Infrastruktur.

Später, gegen 23 Uhr, eine erneute Pause, jetzt, so heißt es, beraten Union und SPD getrennt voneinander. Immer mehr verdichten sich die Anzeichen, dass noch ein drittes Gespräch nötig werden könnte - allein schon deshalb, weil die Verhandlungsführer nicht mit der Liste der Themen durchkommen und es noch mehr Redebedarf gibt. Dann die Entscheidung, es wird tatsächlich eine weitere Sondierungsrunde in Erwägung gezogen - am Donnerstag.

Doch zunächst treffen sich am Dienstag die Unionsvertreter mit den Grünen zu einer zweiten Sondierungsrunde. Schwarz-Grün ist also zumindest theoretisch auch noch eine Alternative.

Wo sich Union und SPD nahe sind:

Rentenpolitik: Union und SPD sind sich im Ziel einig. Wer Zeit seines Lebens gearbeitet, aber wenig verdient hat, soll im Rentenalter mindestens 850 Euro monatlich zum Leben haben und nicht zum Sozialamt gehen müssen.

Mietpreisbremse: Gegen drastisch steigende Mieten schlagen Union und SPD Preisbremsen vor. Die SPD will bundesweit eine Erhöhungs-Obergrenze bei Wiedervermietungen von zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete. Die Union will den Ländern für ausgewiesene Hochpreis-Gebiete die Möglichkeit geben, solch ein Limit zu setzen.

Mindestlohn: Chancen auf Einigung gibt es auch hier. Die SPD fordert einen flächendeckenden und gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro. CDU und CSU setzen dagegen auf branchenbezogene Lohnuntergrenzen in erster Linie für Arbeitnehmer ohne Tarifbindung. Aber das ist längst nicht mehr so weit voneinander entfernt, als dass es keine Kompromiss-Lösung geben könnte.

Frauenquote: Die SPD will eine starre Frauenquote für Aufsichtsräte umsetzen. Die Union ist eher für eine Flexi-Quote, die sich nach den Begebenheiten im Unternehmen richtet. Allerdings werden die Differenzen hier von keiner der beiden Seiten als unüberbrückbar eingeschätzt.

Energiewende: Beide wollen die Förderung regenerativer Energien durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz kappen. Dafür soll der Ausbau von Solar- und Windenergie stärker an das Netzausbau-Tempo angepasst werden.

Pkw-Maut: Da sind sich selbst CDU und CSU nicht grün. Die CSU will eine Autobahngebühr für ausländische Autofahrer und deren Fahrzeuge. Sie hat das Projekt zu einer Bedingung für eine Koalition gemacht. Merkel hat das schon für rechtlich unmöglich erklärt. Die SPD lehnt eine Pkw-Maut ohnehin strikt ab.

Steuerpolitik: Die Sozialdemokraten wollen den Spitzensteuersatz von 42 auf 49 Prozent anheben, und zwar ab einem zu versteuernden Einkommen von 100.000 Euro für Singles. Außerdem soll eine Vermögensteuer her. Die Union hat Steuererhöhungen wiederholt kategorisch ausgeschlossen.

Betreuungsgeld: Die umstrittene Familienförderung der schwarz-gelben Regierung will die SPD lieber heute als morgen abschaffen. Die CSU und Teile der CDU werden aber auf jeden Fall daran festhalten wollen.

Energiekosten: Geht es nach den Sozialdemokraten, wird die Stromsteuer um 0,5 Cent je Kilowattstunde gesenkt, um so die steigenden Strompreise abzudämpfen. Die Union lehnt dies ab. Mit den Einnahmen werden bislang die Rentenbeiträge stabilisiert.

Gesundheitspolitik: Hier gehen die Vorstellungen von Union und SPD weit auseinander. CDU und CSU wollen am bestehenden System festhalten, das bei steigenden Kosten die Arbeitgeber schützt und nur die Beschäftigten belastet. Die SPD will dies ändern: durch eine solidarische Bürgerversicherung, in die alle einzahlen.

Sondierungen mit der Union
:Steuertanz der SPD

Ob Pkw-Maut oder Betreuungsgeld: Strittige Themen gibt es genug vor dem zweiten Sondierungsgespräch zwischen SPD und Union. In der Frage möglicher Steuererhöhungen geht es für Merkel, Seehofer und Gabriel jedoch um Prestige und Glaubwürdigkeit. Was die Lage für SPD-Chef Gabriel erschwert: Seine Genossen sind hier in drei Lager gespalten.

Von Susanne Höll, Berlin

Wer verhandelt für die einzelnen Parteien?

Insgesamt besteht die Runde aus 21 Personen, jede Partei hat sieben Vertreter entsandt.

CDU: Kanzlerin Angela Merkel, Fraktionschef Volker Kauder, Finanzminister Wolfgang Schäuble, Generalsekretär Hermann Gröhe, Kanzleramtsminister Ronald Pofalla und die Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (Sachsen) und Volker Bouffier (Hessen).

CSU: Parteichef Horst Seehofer, Generalsekretär Alexander Dobrindt, Innenminister Hans-Peter Friedrich, Verkehrsminister Peter Ramsauer, Bayerns neue Wirtschafts-Superministerin, Ilse Aigner, CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt und Landtagspräsidentin Barbara Stamm.

SPD: Parteichef Sigmar Gabriel, Kanzlerikandidat Peer Steinbrück, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, Generalsekretärin Andrea Nahles, die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz und Manuela Schwesig, die Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern.

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