Sondierungsgespräche:Von Einigkeit keine Rede

Schwarze Null? Soli? Nach der ersten Sondierungsrunde streiten die Parteien über die Ergebnisse. Zudem nimmt das Gerangel um Ministerposten in der neuen Regierung zu.

Von Cerstin Gammelin und Mike Szymanski, Berlin

Bundeskanzlerin Angela Merkel CDU und Juergen Trittin Buendnis 90 Die Gruenen unterhalten sich i

Im Wahlkampf hatte die FDP die Abschaffung des Soli zur Glaubwürdigkeitsfrage erhoben. Grünen-Politiker Jürgen Trittin (li., im Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel) ist da „sehr pessimistisch“.

(Foto: Florian Gaertner/imago/photothek)

Unmittelbar nach der ersten fachlichen Sondierungsrunde ist unter den möglichen Koalitionären eines Jamaika-Regierungsbündnisses Streit über die Ergebnisse und das weitere Verfahren ausgebrochen. Zudem nimmt das Gerangel um Ministerposten in der neuen Regierung zu. Grünen-Chef Cem Özdemir meldete am Mittwoch erstmals das Interesse seiner Partei an, das Bundeswirtschaftsministerium zu übernehmen, um die Wende hin zu mehr Nachhaltigkeit zu befördern. "Für die ökologische Modernisierung sind Energieversorgung, Industrie- und Wirtschaftspolitik zentral", sagte Özdemir der Süddeutschen Zeitung. Mit Blick auf die grün geführte Landesregierung in Baden-Württemberg betonte er die Kompetenz seiner Partei in der Wirtschaftspolitik. "Wir haben in den Bundesländern schon bewiesen, wie wir den Wirtschaftsstandort voranbringen können."

FDP-Chef Lindner hat den Eindruck, "dass mehr verunklart als klargemacht worden ist"

Özdemir machte den Anspruch unmittelbar vor den für Donnerstag geplanten Sondierungen zur künftigen Energie- und Klimapolitik deutlich. Co-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sprach von einer "sehr schwierigen Runde". Mit den Grünen sei ein Regierungsbündnis nur zu machen, wenn konkrete Maßnahmen vereinbart würden, mit denen die Ziele des Klimavertrags von Paris erreicht werden können. Die Unterhändler von CDU, CSU, Grünen und FDP wollten am Vormittag darüber sprechen.

Geplant war zunächst auch, die Ergebnisse wie schon bei den Sondierungen zu Haushalt und Steuern schriftlich festzuhalten. Die Unterhändler hatten nach den mehr als fünf Stunden dauernden Gesprächen die Ergebnisse auf einer Seite zusammengefasst. Am Mittwoch wurden allerdings Zweifel laut, ob es bei dem Verfahren bleiben sollte. Der Grund dafür war, dass weite Teile des Einigungspapiers von den einzelnen Parteien unterschiedlich ausgelegt und infrage gestellt wurden. "Ich jedenfalls habe den Eindruck, dass mehr verunklart als klargemacht worden ist", sagte FDP-Chef Christian Lindner. Das dürfe sich bei den nächsten Gesprächen nicht wiederholen, deshalb müssten alle Beteiligten noch einmal über das Verfahren reden. Auch Göring-Eckardt sah sich zur Klarstellung gezwungen. Man habe "keine Verabredung in der Sache" getroffen, sondern lediglich einen Fahrplan verabredet und Projekte, die angepackt werden sollten. Alles stehe "unter Finanzierungsvorbehalt", erst ganz am Schluss werde entschieden.

Noch in der Nacht hatte sich das beim Vize-FDP-Chef Wolfgang Kubicki deutlich entschiedener angehört: "Wir finden schon mal schön, dass feststeht, es gibt keine Neuverschuldung, wir bleiben bei der schwarzen Null und dass alle Beteiligten sich darüber einig waren, dass der Solidaritätszuschlag abgebaut und abgeschafft wird." Feststeht? Alle waren sich einig?

Es war eine kühne Sicht der Dinge. Und Kubicki war nicht alleine damit. Auch in der Union hieß es, "schwarze Null, Steuerentlastung und keine Steuererhöhung sind vereinbart". Im Einigungspapier sind die Gesprächspartner "darüber einig, dass die Schuldenbremse des Grundgesetzes eingehalten werden muss". Und: "Sie wollen einen ausgeglichenen Haushalt". Das Wort Schulden kommt nicht vor, auch von der schwarzen Null ist keine Rede. Ist auch nicht vereinbart, sagen die Grünen. Der Verweis auf die Schuldenbremse sei "der kleinste gemeinsame Nenner" gewesen. Man habe sicherstellen wollen, dass Investitionen Vorrang haben vor der schwarzen Null.

Die Union gibt sich dennoch betont gelassen. Die Grünen seien auf dem Weg zur schwarzen Null, aber eben noch nicht so weit, das sagen zu können. So verlautet das hinterher aus ihren Reihen. Wobei es nach Angaben von Teilnehmern schon der Wortmeldungen von CDU-Chefin Angela Merkel und ihres Fraktionschefs Volker Kauder bedurft hatte, um überhaupt so weit zu kommen. Beide lieferten sich mit den Grünen ein Geplänkel um die Worte "festhalten", "anstreben" und "wollen", das für allgemeines Gelächter sorgte.

Der Soli-Zuschlag ist für Grüne und FDP eine wirklich große Nummer. Im Wahlkampf hatte Lindner dessen ersatzlose "Abschaffung" zur Glaubwürdigkeitsfrage erklärt. Wenn nun im Einigungspapier von "Abbau" die Rede ist, meint das nicht automatisch Abschaffung. Aber so will Lindner das verstanden wissen.

Der FDP-Chef weiß, dass jeder auf den anderen zugehen muss. In seiner Partei gibt es Pläne, den Soli abzuschaffen. Dies könnte mit einer Steuerreform verknüpft werden, sodass am Ende nur die Verdiener kleiner und mittlerer Einkommen entlastet werden, Spitzenverdiener dagegen nicht. In der Dienstagrunde wurden Zahlen rumgereicht, wonach 56 Prozent der Soli-Zahler weniger als 30 000 Euro Brutto jährlich verdienen. Würde für sie der Soli entfallen, dann "wäre das doch ein Signal", heißt es in der Union. Dort lobt man Lindner dafür, sich auf die Grünen zuzubewegen, die "ganz große Schwierigkeiten mit der Soli-Abschaffung haben". Daran ließ Grünen-Politiker Jürgen Trittin am Mittwoch keinen Zweifel. Er sei "sehr pessimistisch", was einen kompletten Abbau des Soli in der kommenden Legislaturperiode angehe, sagte er im ZDF. Die vollständige Abschaffung würde vier Mal 21 Milliarden Euro kosten, "das ist halt nicht drin".

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