Süddeutsche Zeitung

Nach der Bundestagswahl:So sieht der Fahrplan für die Sondierungsgespräche aus

Die Suche nach einer neuen Regierungskoalition ist in vollem Gange. Welche Parteien sich wann treffen und wer Teil des Verhandlungsteams ist - Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Julia Hippert

FDP und Grüne haben am Dienstagabend den Startschuss gegeben. Sie trafen sich, ohne dass jemand im Vorfeld davon wusste, lediglich ein auf Instagram veröffentlichtes Selfie zeugte im Nachhinein von dem Zusammenkommen. In den kommenden Tagen wollen FDP und Grüne jeweils bilateral mit den beiden möglichen großen Koalitionspartnern sprechen. Ein Überblick über den weiteren Fahrplan der Sondierungen.

Wer spricht wann mit wem?

Diesen Freitag sind FDP und Grüne bereits erneut zu Gesprächen zusammengekommen. Bei der zweiten Runde der Vorsondierungen ging es konkreter um Inhalte und Ziele einer möglichen künftigen Koalition. Die Gespräche fanden in größerer Runde statt als das erste Treffen am Dienstagabend, bei dem nur die beiden Grünen-Parteivorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck sowie FDP-Chef Christian Lindner und der Generalsekretär der Liberalen, Volker Wissing, miteinander verhandelt hatten.

Am Sonntag will die SPD zuerst mit der FDP dann mit den Grünen über eine mögliche Ampelkoalition sprechen. SPD und Grüne treffen sich demnach noch bevor die FDP am Abend mit der Union zusammenkommt. Das Treffen zwischen Union und FDP soll nach Angaben von CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak um 18.30 Uhr stattfinden.

Am Dienstag seien Gespräche zwischen Union und den Grünen geplant, ließ Ziemiak außerdem verlautbaren. Eine Grünen-Sprecherin wollte das weder bestätigen noch dementieren.

Wieso trifft sich die Union erst am Sonntag mit Grünen und FDP?

Grund für den verhältnismäßig späten Einstieg der Union in die Sondierungsgespräche ist die CSU. Am Freitagabend gibt es eine Feier für den früheren bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chef Edmund Stoiber zu dessen 80. Geburtstag, bei der neben Söder auch Laschet erwartet wird. Am Samstag hat Söder mehrere CSU-Gremiensitzungen in den Bezirksverbänden im Terminkalender. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur hatte Söder früh mitgeteilt, an beiden Tagen für Sondierungsgespräche nicht zur Verfügung zu stehen. Der bayerische Ministerpräsident habe dafür aber Donnerstag, Freitag tagsüber oder den Sonntag für mögliche Gespräche angeboten. Die FDP hatte Gespräche mit der Union für den Samstag vorgeschlagen.

Wer nimmt für die einzelnen Parteien an den Gesprächen teil?

Die CDU wird nach Angaben von Generalsekretär Ziemiak mit einem zehnköpfigen Team in die Sondierungen mit FDP und Grünen gehen. Dazu gehören Parteichef Armin Laschet, Ziemiak selbst, Fraktionschef Ralph Brinkhaus, der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier, dessen sachsen-anhaltischer Kollege Reiner Haseloff, der schleswig-holsteinische Regierungschef Daniel Günther, der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl, die Parteivizes Julia Klöckner und Silvia Breher sowie Gesundheitsminister Jens Spahn.

Die CSU schickt neben Parteichef Markus Söder auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, Generalsekretär Markus Blume, CSU-Vize Dorothee Bär und den parlamentarischen Geschäftsführer der Landesgruppe, Stefan Müller, in die Gespräche.

Die SPD will mit einem Team bestehend aus Kanzlerkandidat Olaf Scholz, den Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, Fraktionschef Rolf Mützenich, der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Generalsekretär Lars Klingbeil die Sondierungsgespräche führen.

Auch für die FDP verhandelt ein zehnköpfiges Team in den Vorsondierungen: Partei- und Fraktionschef Christian Lindner, die Parteivizes Johannes Vogel und Nicola Beer, Generalsekretär Volker Wissing, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer Marco Buschmann, die Parlamentarische Geschäftsführerin Bettina Stark-Watzinger, Fraktionsvize Michael Theurer, die Landesvorsitzende in Sachsen-Anhalt, Lydia Hüskens, Bundesschatzmeister Harald Christ und der Europaabgeordnete Moritz Körner. Körner wird sich nach Parteiangaben zurückziehen, wenn Parteivize Wolfgang Kubicki nach einer kleineren Operation wieder genesen ist.

Die Grünen haben angekündigt zu weiteren Gespräche folgendes Sondierungsteam zu schicken: die beiden Parteichefs Annalena Baerbock und Robert Habeck, die Fraktionschefs Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter, die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin Britta Haßelmann, Bundesgeschäftsführer Michael Kellner, Ricarda Lang aus dem Bundesvorstand, den Europapolitiker Sven Giegold und die bisherige Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth.

Wie schätzen die Parteien den Stand der Verhandlungen ein?

Nach dem Treffen von FDP und Grünen betonten sowohl die Grünen Parteivorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck, als auch FDP-Chef Christian Lindner die konstruktive Atmosphäre der Gespräche zwischen den beiden Parteien. Habeck sagte, es sei wichtig, richtig in einen Prozess reinzukommen: "Wenn man die Schraube schräg einsetzt, dann wird sie nie wieder gerade. Diese Schraube ist jedenfalls in den ersten Tagen sehr gerade eingesetzt worden." Es sei ein guter Start auf dem Weg zur Bildung einer neuen Regierung gewesen. FDP und Grüne stünden zwar für Veränderung, aber nicht notwendigerweise für die gleiche Form von Veränderung, "insofern ist es schon enorm, was in den letzten Tagen passiert ist."

Auch Lindner sagte, alleine die Art und Weise dass und wie man miteinander spräche und wie man sich um Lösungen in einer sehr vertrauensvollen Atmosphäre bemühe, sei für viele Menschen Anlass zu Hoffnung und Motivation.

Während in Sachen Klima- und Finanzpolitik noch Brücken über Trennendes gefunden werden muss, waren sich die drei Parteivorsitzenden zumindest in einem Punkt einig: Zum inhaltlichen Stand der Verhandlungen wollte niemand etwas sagen. Man müsse nicht "fortwährend Zwischenergebnisse und Wasserstandsmeldungen nach draußen geben", so Lindner. "Wir werden uns dann an die Öffentlichkeit wenden, wenn wir das Gefühl haben, jetzt gibt es was zu erzählen," sagte auch Habeck.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat schon im Wahlkampf immer wieder betont, dass er ein Bündnis mit den Grünen favorisieren würde. Nun reichte das Wahlergebnis nicht für ein Zweierbündnis. Da die Linke nicht genug Stimmen geholt hat, um eine rot-rot-grüne Koalition zu ermöglichen, wäre eine Regierung mit FDP und Grünen die einzige Möglichkeit für Scholz Kanzler zu werden - abgesehen von einer erneuten großen Koalition, die aber keine Partei im Moment wünscht. In einem Interview mit dem Spiegel bekräftigt Scholz seine Zuversicht auf ein Zustandekommen einer Ampelkoalition. Auf die Frage, ob er nach den Verhandlungen mit Grünen und FDP Kanzler werde, sagt Scholz: "Ja." Außerdem warb er für eine Koalition, in der "echte Zuneigung" entstehen kann. "Ich bin optimistisch, dass eine Ampelkoalition gelingen kann", sagte Scholz.

Für die Union wäre eine Jamaika-Koalition die einzige Möglichkeit an der Macht zu blieben. Zwar bekamen CDU und CSU weniger Stimmen als die SPD, Vertreter der Unionsparteien argumentieren aber mit einer Verantwortung für Deutschland, aus der sich zumindest die Möglichkeit einer Regierungsbeteiligung für die beiden Parteien ergäbe. CDU-Bundesvize und Gesundheitsminister Jens Spahn sagte im Deutschlandfunk: "Opposition nur aus Frust, das kann ja jetzt nicht die Antwort sein." Eine Koalition aus Union, FDP und Grünen hätte die Chance, lange ungelöste Konflikte etwa bei Klimaschutz, Landwirtschaft und Migration aufzulösen. "Eine bürgerlich-ökologisch-liberale Regierung wäre für unser Land besser als eine Ampel." Auf die Frage, ob CDU-Chef Armin Laschet gehen müsse, sagte Spahn: "Die Frage stellt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht."

Andere Vertreter der Unionsparteien äußerten sich sehr skeptisch zum möglichen Zustandekommen eines Jamaika-Bündnisses. "Die Wahrscheinlichkeit, dass es eine Ampel geben wird, ist nicht nur offenkundig, sondern ist sehr groß", sagte Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann am Freitag im ARD-"Morgenmagazin". "Die SPD hat die Wahl gewonnen", das müsse man eingestehen. Für den Fall, dass SPD, Grüne und FDP sich nicht einigen können, halte er aber ein Jamaika-Bündnis unter Führung der Union für möglich. Aber der Ball liege bei der SPD, "nicht bei uns", so Linnemann.

Das CSU-Präsidium bereitete an diesem Freitag in einer Sitzung die kommenden Sondierungsgespräche vor. Im Anschluss sagte CSU-Generalsekretär Markus Blume man wolle "in gutem Geist in diese Sondierungsgespräche gehen". Die CSU sei bereit zu Jamaika. Das hieße, man sei "bereit zu schnellen Gesprächen, zu kompakten und vor allem sehr konzentrierten Gesprächen". Der Fokus müsse darauf liegen, zu schauen, dass man schnell und zielführend zu guten Ergebnissen komme. Nicht die Nebentöne seien entscheidend, man wolle sich sich auf das konzentrieren, was man erreichen wolle, so Blume weiter. "Jamaika ist eine Chance, Jamaika hat eine Chance, Jamaika hat auch Charme."

Mit Material der Nachrichten-Agenturen Reuters und dpa

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