Am Ende kann es Andrea Nahles gar nicht schnell genug gehen. Als sie vor ihr Mikrofon tritt und zu sprechen beginnt, sind die Kameras noch gar nicht bereit. Man habe ein weiteres Sondierungsgespräch vereinbart, sagt die SPD-Generalsekretärin - kaum drei Stunden nachdem das erste dieser Gespräche mit der Union begonnen hat.
Die Atmosphäre sei "aufgeschlossen" gewesen, verkündet Nahles. Es habe "Konsensuales" gegeben, berichtet sie. Auch "strittige Punkte" seien "identifiziert" worden, "deshalb sind weitere Gespräche unbedingt erforderlich." So herum kann man es auch drehen. Die entscheidende Nachricht des Tages aber ist, dass Union und SPD immerhin so viel Einigkeit ermittelt haben, dass die Sondierung weitergeht. Am 14. Oktober wollen die Unterhändler sich wieder treffen. Sogar eine Uhrzeit gibt es schon: 16 Uhr.
Dass es ein weiteres Treffen geben wird, das hatten viele ja vorausgesagt. Dass die Stimmung bei dem ersten Beschnuppern aber so gut sein würde, das hatten die wenigsten gedacht.
"Ach, wissen Sie", sagt CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, als er eine halbe Stunde nach Nahles vor die Presse tritt, man habe nicht mit dem begonnen, "was uns trennt". Beide Seiten hätten vereinbart, die Sondierung damit zu eröffnen, dass "man die Gemeinsamkeiten betont", berichtet auch CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. So war es wohl tatsächlich. "Das Treffen war wirklich konstruktiv", ist auch aus der SPD-Delegation zu hören - und das sei keine Floskel. Bei Kartoffelsuppe mit Würstchen und Pflaumenkuchen sei man sich nähergekommen.
Seehofer scherzt mit Scholz, Kraft blickt finster drein
Tatsächlich gibt es, so erzählen Teilnehmer, keinerlei Zank. Niemand habe sich irgendwie danebenbenommen. Einige können sogar fröhlich miteinander scherzen. Als es um Terminfragen geht, sagt CSU-Chef Horst Seehofer, er habe in den nächsten Tagen leider jede Menge zu tun, Minister ernennen und so weiter. Daraufhin rät ihm Olaf Scholz, sich an ihm ein Beispiel zu nehmen: Er habe nach seiner Wahl zum Bürgermeister ein paar Wochen ganz allein regiert, ohne Senatoren. Eine Freude sei das gewesen.
Seehofer entgegnet amüsiert, er regiere in Bayern sogar fünf Jahre allein - allerdings ernenne er vorher noch Minister. Allgemeine Heiterkeit im Saal. Nur Hannelore Kraft soll sauertöpfisch geblickt haben. Überhaupt scheint Kraft bei dem Treffen in der Parlamentarischen Gesellschaft eine besondere Rolle gespielt zu haben. Aber dazu später.
In den Reihen von CDU und CSU tritt zunächst einmal Angela Merkel wie die klare Verhandlungsführerin auf. Selbst Seehofer macht demonstrativ deutlich, dass es auf Unionsseite nur eine Chefin gibt. Lediglich die beiden Ministerpräsidenten Volker Bouffier und Stanislaw Tillich sehen sich häufiger zu Wortmeldungen bemüßigt - vor allem, wenn es um die Bund-Länder-Beziehungen geht.
Als die Finanzen besprochen werden, mischt sich auch Wolfgang Schäuble ein. Der Rest der 14-köpfigen Unionsdelegation hält sich aber stark zurück. Bei der SPD sind die Rollen nicht so klar verteilt - in den Reihen der Sozialdemokraten gibt es aber auch mehr Gesprächsbedarf. Entsprechend größer ist die Zahl der Wortmeldungen von SPD-Teilnehmern.
Merkel und die Ihren vermeiden in der Sondierung jeden Triumph über das gute Wahlergebnis. Das wird von der SPD goutiert. Auf deren Seite macht Parteichef Sigmar Gabriel klar, dass sich die SPD nun wirklich nicht unzuverlässig und verantwortungslos zeihen lassen müsse. Die SPD sei seit 150 Jahren zuverlässig. Gabriel will aber auch keinen Bruch mehr mit der Basis riskieren - wie es die Partei bei der Agenda 2010 getan hat. Bei der Union hat man dafür in diesen Tagen großes Verständnis. Gabriel genießt den Respekt von Seehofer, und auch in der CDU findet man, dass der SPD-Chef gerade klug agiert. Und so verläuft die Sondierung überraschend konstruktiv.
Nur eine Teilnehmerin bringt manchmal Schärfe in die Runde: Hannelore Kraft. Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin habe immer wieder Spitzen gesetzt, heißt es anschließend. Die seien allerdings nie so wild gewesen, dass das Gespräch insgesamt gefährdet gewesen sei. Auf Unionsseite haben sie den Spalt zwischen Kraft und der restlichen Sozialdemokraten aber wohl bemerkt. "Kraft hat sich schon sehr vom Rest ihrer Truppe unterschieden", sagt ein Mitglied der Unionsdelegation.
Ist das Sondierungsgespräch jetzt also der Durchbruch für eine große Koalition? So weit sei es noch lange nicht, sagen beide Seiten unisono. Die SPD-Spitze muss jetzt erst einmal genau hinhören, wie das Ergebnis der Runde bei ihrer Basis ankommt. Auch bei der Union hat man immer noch Sorge, Kraft könne sich durchsetzen. Kein Wunder also, dass sich die Union nächste Woche sicherheitshalber auch mal mit den Grünen trifft.