Sondierungen:SPD ist zu Gesprächen mit anderen Parteien bereit

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  • Nach einem Spitzentreffen der Sozialdemokraten ist nach wie vor nicht klar, ob die Partei bereit wäre, von ihrem Nein zu einer großen Koalition abzurücken.
  • Aus Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten sei man aber bereit, mit anderen Parteien Gespräche aufzunehmen, sagte Generalsekretär Hubertus Heil.
  • Eine Personaldebatte über den Vorsitzenden Martin Schulz gebe es nicht, sagt Justizminister Heiko Maas.

Auch nach neunstündigen Beratungen ist nicht klar, ob die SPD von ihrer Absage an eine Neuauflage einer großen Koalition abrückt. Generalsekretär Hubertus Heil sagte in der Nacht zum Freitag, die SPD sei aus Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten zu Gesprächen mit anderen Parteien bereit. Er sagte aber nicht, mit welchem Ziel diese Gespräche geführt würden.

Zuvor hatte es ein Spitzentreffen der Sozialdemokraten in der SPD-Zentrale in Berlin gegeben. Seit dem späten Nachmittag war dort diskutiert worden, ob und wie die Partei nach dem Abbruch der Regierungssondierungen von Union, FDP und Grünen die Bildung einer Bundesregierung unterstützen soll. Am Abend hatte der geschäftsführende Justizminister Heiko Maas in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner" bereits anklingen lassen, dass seine Partei möglicherweise doch gesprächsbereit sei: Es liege nun an den Gremien der SPD, ob die Partei die bisherige Haltung "korrigieren will, ob sie Gespräche führen will - ob das der Parteivorstand ist, ob das der Bundesparteitag ist, der Anfang Dezember stattfindet, ob das die Mitglieder sind".

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Die Entscheidung über mögliche Gespräche mit der Union sei aber schwierig, sagte Maas. So werde die große Koalition immer kleiner und verfüge nur noch knapp über eine absolute Mehrheit. Von einer Minderheitsregierung halte er im Übrigen nichts. Die SPD müsse sich entscheiden: "Wird man Neuwahlen präferieren oder geht man noch mal in eine Regierung?"

"Es hat in dieser Runde niemand Martin Schulz den Rücktritt nahegelegt"

Eine Personaldebatte gebe es derzeit innerhalb der SPD-Führung nicht, erklärte Maas. "Es hat in dieser Runde niemand Martin Schulz den Rücktritt nahegelegt, es hat niemand sich selbst vorgeschlagen als Gegenkandidat für den Parteitag, und Martin Schulz hat seinen Rücktritt auch nicht angeboten." Eine Sprecherin von SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles hatte zuvor einen Bericht der "Tagesschau" zurückgewiesen, wonach Nahles zusammen mit anderen SPD-Spitzenpolitikern Parteichef Schulz zum Rücktritt bewegen wolle.

Schulz hatte am Donnerstagnachmittag ein Gespräch mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier geführt, der am Montag deutlich gemacht hatte, dass er Neuwahlen ablehnt. Die SPD-Spitze hatte sich am gleichen Tag aber genau dafür ausgesprochen und zugleich eine große Koalition abgelehnt. Im Gegensatz zu Maas plädieren einige Mitglieder der SPD-Führung mittlerweile dafür, die Option einer von der SPD geduldeten Minderheitsregierung zumindest zu prüfen.

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So sagte der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner der Passauer Neuen Presse: "Wir wünschen uns weder Neuwahlen noch eine große Koalition." In Europa gebe es verschiedene Regierungsmodelle, mit denen Deutschland bislang keine Erfahrungen habe. "Dazu gehören zum Beispiel die Tolerierung einer Minderheitsregierung, Duldungsmodelle, befristete zeitliche Verabredungen oder wechselnde Mehrheiten." Stegner sprach sich dagegen aus, vom Nein zu einer weiteren großen Koalition wieder abzurücken. Keinesfalls sei dies ratsam, ohne die Parteimitglieder einzubinden.

Thierse und Schwan plädieren für "Kenia"

Unterdessen haben sich Wolfgang Thierse und Gesine Schwan in einem offenen Brief für eine sogenannte Kenia-Koalition aus SPD, Union und Grünen ausgesprochen. Sowohl die Berliner Zeitung, als auch Spiegel Online zitierten das Schreiben, das an den Parteivorsitzenden Schulz und Fraktionschefin Nahles gerichtet ist.

Ein solches Bündnis sei ein "kreativer Ausweg" nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen. Voraussetzung sei allerdings, dass zu den Themen Förderung der sozialen Gerechtigkeit und Forcierung der Europapolitik überzeugende gemeinsame Antworten gefunden würden. Eine solche "Kenia-Koalition" müsse wie eine Minderheitsregierung "als Übergangslösung verstanden und praktiziert werden, um eine Periode deutscher Instabilität und Unberechenbarkeit in der Europapolitik und im internationalen Bereich zu vermeiden". Grünen-Chef Cem Özdemir erteilte diesen Gedakenspielen allerdings bereits eine Absage: Er verstehe nicht, was der Mehrwehrt einer solchen Konstellation sein solle.

© SZ.de/Reuters/AFP/jobr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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