Sondierungen:Den Jamaika-Parteien läuft die Zeit davon

Fortsetzung der Sondierungsgespräche

CDU, CSU, FDP und Grüne liegen in zentralen Streitfragen noch weit auseinander. Sie verhandeln weiter im Berliner Reichstagspräsidentenpalais.

(Foto: dpa)
  • CDU, CSU, FDP und Grüne sind sich in zentralen Streitfragen weiter uneins.
  • Einer der Streitpunkte ist die Flüchtlingspolitik - vor allem das Thema Familiennachzug.
  • Uneins ist man sich auch beim Thema Verkehr. Union und FDP lehnten es ab, den Kauf umweltfreundlicher Autos durch eine gestaffelte Kfz-Steuer zu fördern.

Von Markus Balser, Mike Szymanski, Constanze von Bullion und Cerstin Gammelin, Berlin

Vor der Schlussrunde der Jamaika-Gespräche an diesem Donnerstag liegen CDU, CSU, FDP und Grüne in zentralen Streitfragen noch weit auseinander. In der Flüchtlingspolitik stärkten Union und FDP die harte Verhandlungsposition der CSU, wonach der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus auch nach März 2018 ausgesetzt bleiben soll. Die Grünen lehnen das ab. FDP-Chef Christian Lindner sagte der Passauer Neuen Presse: "Eine Ausweitung des Familiennachzuges würde die Akzeptanz einer neuen Regierung sofort zunichtemachen."

Angenähert haben die Parteien sich in der Frage sogenannter Aufnahmezentren, in denen die Union Asylbewerber unterbringen will. Die Grünen können sich solche Sammelstellen vorstellen. Anders als die Union aber wollen sie Schutzsuchende mit guten Bleibeperspektiven zügig aus solchen Sammelunterkünften entlassen und auf Kommunen verteilen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) forderte CSU-Politiker am Abend auf, die "pauschalen Angriffe" gegen Grünen-Verhandler einzustellen. "Da muss man jetzt mal endlich Schluss machen", sagte er am Rande der Verhandlungen. Zuvor hatte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer den Grünen eine Blockadehaltung bei den Themen Außenpolitik, Verteidigung und Europa vorgeworfen. Vor allem der Grünen-Politiker Jürgen Trittin habe gefundene Kompromisse wieder aufgekündigt. Angesichts offener Konflikte äußerte Trittin Zweifel, ob die CSU ein Jamaika-Bündnis wolle. Auch die von der FDP gewünschte Abschaffung des Solidaritätszuschlags sei nicht finanzierbar, so Trittin.

Einig waren sich die Verhandlungspartner am Mittwochabend über die Förderung ärmerer Familien mit Kindern. So soll der Kinderzuschlag künftig automatisch ausgezahlt und erhöht werden. Verabredet wurde auch die Erhöhung des Schulstarterpakets von 100 auf 153 Euro. Uneins ist man sich beim Thema Verkehr. Union und FDP lehnten es ab, den Kauf umweltfreundlicher Autos durch eine gestaffelte Kfz-Steuer zu fördern. Den Vorschlag der Grünen, Subventionen für Dienstwagen abzuschaffen und Schadstoffbelastung in Städten durch eine blaue Plakette zu senken, wiesen Union und FDP zurück. Beim Thema Landwirtschaft konnte man sich auf eine Stärkung des Tierschutzes verständigen.

Bei der Europapolitik blieben substanzielle Fortschritte aus. Reformvorschläge aus Frankreich, die Euro-Zone mit neuen Kompetenzen zu stärken, entzweien die Verhandler. Henrik Enderlein, Professor am Berliner Jacques-Delors-Institut und Vertrauter von Präsident Emmanuel Macron sprach von einer "großen Enttäuschung, die das Europa-Konzept der Sondierer" in Europa auslöse. "Jamaika duckt sich weg, statt die ausgestreckte Hand Macrons anzunehmen", sagte Enderlein der SZ. Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) fügte der Liste an Streitpunkten noch die Außen- und Sicherheitspolitik hinzu. Der Einsatz von Kampfdrohnen ist strittig.

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