Süddeutsche Zeitung

Bundeswehr:Die 100-Milliarden-Euro-Frage

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Laut SPD-Fraktionschef Mützenich könnte das Sondervermögen auch ohne Grundgesetzänderung durchgebracht werden. Das ist nur längst nicht der einzige Streitpunkt zwischen Regierungsparteien und Opposition.

Von Paul-Anton Krüger, Berlin

Offenkundig wollte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich in der Debatte um das Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro den politischen Gegner unter Druck setzen. Gerichtet an Unionsfraktionschef Friedrich Merz verwies er in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung darauf, dass eine Finanzierung auch ohne eine Grundgesetzänderung und die dafür erforderliche Zweidrittelmehrheit im Bundestag denkbar sei. Es gebe "andere Wege als die über die Wehrverfassung". Wenn sich Deutschland in einer Notsituation befinde, erlaube Artikel 115 des Grundgesetzes auch eine Schuldenaufnahme mit einfacher Mehrheit.

Dort sind die Obergrenzen für die Kreditaufnahme des Bundes geregelt, die sogenannte Schuldenbremse. Diese auszusetzen hatte in einer Anhörung zumindest einer der Sachverständigen für möglich erklärt. Allerdings hat Mützenich seinen Vorstoß in der Ampelkoalition nicht abgestimmt. Und so ließ Finanzminister Christian Lindner die Deutsche Presse-Agentur wissen, es sei "keine Option, für die Bundeswehr die Schuldenbremse mit einfacher Mehrheit zu umgehen". Er habe eigens ein Sondervermögen im Grundgesetz vorgeschlagen, damit die Schuldenbremse intakt bleibe. "Eine Aufweichung wäre verfassungsrechtlich fragwürdig und mit der FDP politisch nicht zu machen", betonte Lindner.

Die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann sagte, es gebe einen Vorschlag der Regierung - eben die Grundgesetzänderung. Dieser sei Grundlage von Gesprächen, die sie als "konstruktiv" bezeichnete. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sei "zuversichtlich", dass es zu einer Einigung komme. Tatsächlich hatten sich am Sonntag Spitzenvertreter der Ampelparteien und der Union zu einer weiteren Verhandlungsrunde getroffen, ohne einen Durchbruch zu erzielen.

Die Grünen wollen auch Cyberabwehr und Bündnisertüchtigung finanzieren

Umstritten ist vor allem, ob die 100 Milliarden Euro ausschließlich der Bundeswehr zugutekommen. Außenministerin Annalena Baerbock und die Grünen wollen auch Cyberabwehr und Bündnisertüchtigung finanzieren, also Unterstützung für Partnerstaaten, solange diese Ausgaben auf das Zwei-Prozent-Ziel der Nato anrechnungsfähig sind. Uneins sind Ampel und Union auch bei der Frage, wie die Einhaltung dieser von den Mitgliedstaaten beschlossenen Vorgabe für die Höhe der Verteidigungsausgaben im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung über das Sondervermögen hinaus zu garantieren ist. Die Union macht das zur Voraussetzung für eine Zustimmung.

Mützenich warf Merz "taktische Spiele" mit Blick auf dessen Ansage vor, die Union wolle bei der Abstimmung im Bundestag nur so viele Abgeordnete stellen, wie unbedingt für die Grundgesetzänderung gebraucht werden. Die Ampel müsse geschlossen für den Vorschlag stimmen, verlangt Merz. In der Union gibt es allerdings auch Stimmen, davon abzurücken, wenn man sich inhaltlich verständigt.

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) rechnet jedenfalls noch vor der Sommerpause mit einer Einigung: Sie habe das Gefühl, dass "wirklich alle - CDU/CSU, SPD, Grüne und auch FDP - hier an einem Strang ziehen wollen". Und bei der Union gibt man sich wenig beeindruckt von Mützenich: "Das ist eine Drohkulisse, die ich nicht ernst nehme", sagte Fraktionsvize Mathias Middelberg. Das sei "rechtlich außerordentlich schwierig" und zudem politisch "nicht das kluge Signal".

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