Süddeutsche Zeitung

Heißer Sommer:Extrem ist das neue Normal

  • Der Sommer 2018 wird als einer der heißesten in Deutschland in die Annalen eingehen.
  • Auch im August hält der Deutsche Wetterdienst Temperaturen von mehr als 35 Grad für möglich.
  • Klimaforscher wissen: Ein Sommer wie dieser wird in Zukunft zunehmend zur Normalität, und nicht mehr die Ausnahme bleiben.

Von Patrick Illinger

Zwischen Ernteausfällen und vielen Geschichten über Menschen, die unter der Hitze leiden, tut man sich derzeit schwer, gute Nachrichten zum Thema Wetter zu finden. Vielleicht taugt dafür ja die Mitteilung, dass Besucher des Freibads "Wölfle" in Karlsruhe am Mittwoch und Donnerstag ausnahmsweise bis zum Einbruch der Dunkelheit baden dürfen. An den genannten Tagen ist bis 22 Uhr geöffnet.

Doch die Großwetterlage liegt in Deutschland jenseits dessen, was viele Mitteleuropäer noch als Komfortzone empfinden. In Teilen des Landes erreichen die Thermometer tagsüber 38 Grad. Da will man sich gar nicht vorstellen, was die Menschen in Pakistan durchmachen: Dort wurden 54 Grad erreicht. Auch die Nächte in Mitteleuropa bieten kaum Abkühlung. Im rheinland-pfälzischen Ruppertsecken wurden in der Nacht zum 25. Juli als Tiefstwert 23,8 Grad gemessen. Die Schwelle zur "Tropennacht" war somit überschritten.

Mit beeindruckender Stabilität herrscht eine Hochdruckzone über Deutschland. Während noch vor einigen Tagen vorwiegend warme, kontinental-trockene Luft aus Osteuropa nach Deutschland gelangte, dominieren nun feuchte Luftmassen aus Südwesteuropa das Wetter. Mit etwa 40 Litern Regen pro Quadratmeter im Bundesmittel blieben die Niederschläge nur bei gut der Hälfte dessen, was man in einem deutschen Juli erwarten darf. Zudem waren die spärlichen Regengüsse sehr punktuell verteilt. Einzelne Gewitter erzeugten Sturzregen, während Ackerland und Wiesen großflächig zu braunem, mitunter brandgefährlichem Gestrüpp vertrockneten. In manchen Gegenden Deutschlands fielen im gesamten Monat nur fünf Liter Wasser pro Quadratmeter. Dafür gab es am Alpenrand 150 Liter pro Quadratmeter.

Die Sonnenscheindauer dürfte nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes im Juli den höchsten Wert seit 1951 erreichen. 305 Stunden lang brannte die Sonne auf die Republik herunter. Dabei gelten im Juli 212 Stunden als Durchschnitt. Die mittlere Temperatur lag mit 20,2 Grad mehr als drei Grad über dem Durchschnitt der Jahre 1961 bis 1990. Der Juni lag bereits 2,4 Grad darüber. Und nimmt man als Vergleichszeitraum die aktuelleren Dekaden von 1981 bis 2010, so ergibt sich für den Juli immer noch ein Überschuss von 2,2 Grad.

Der Sommer 2018 wird trotzdem nicht den absoluten Hitzerekord in Deutschland brechen. Dieser Monat wird vermutlich als fünftwärmster Juli seit Beginn von Wetteraufzeichnungen am Ende des 19. Jahrhunderts in die Annalen eingehen. Den absoluten Rekord hält weiterhin der Juli 2006, gefolgt von 1994, 1983 und 2010.

Für Klimaforscher relevanter ist der globale Blick. Hier zeigt sich, dass in dieser Reihenfolge 2016, 2017, 2015 und 2014 die weltweit vier wärmsten je gemessenen Jahre waren. Betrachtet man Mittelwerte über mehrere Dekaden, so ergibt sich in Deutschland wie auch weltweit ein eindeutiger Trend. Ein einzelner heißer Sommer kann dabei nicht unmittelbar mit dem Klimawandel begründet werden. Eine statistisch signifikante Häufung heißer, sonniger und regenarmer Sommer aber sehr wohl.

Klimaforscher vergleichen das oft mit einem gezinkten Würfel. Da auch ein normaler Würfel gelegentlich eine Sechs anzeigt, kann eine einzelne Sechs nicht als Beweis für eine Manipulation herhalten. Häuft sich aber die Zahl der Sechser signifikant gegenüber den anderen Ziffern, so stimmt etwas nicht. In diesem Sinne stellen Klimaforscher fest, dass sich die heißen Sommer häufen, was ein Signal dafür ist, dass sich das Klima ändert - auch wenn es einen warmen Sommer wie den des Jahres 2018 rein statistisch auch vor 20, 50 oder gar 100 Jahren hätte geben können.

Man könnte auch so sagen: Ein Sommer wie dieser wird in Zukunft zunehmend zur Normalität, und nicht mehr die Ausnahme bleiben. Ähnliches gilt für Extremwetterereignisse wie die aktuelle Dürre. All diese Entwicklungen stimmen mit dem überein, was Klimatologen mit aufwendigen Modellen und Superrechnern prognostizieren, wenn sie alle bekannten Daten über die Atmosphäre, die Sonne, Ozeanzyklen, Wolkenbildung und den Anteil menschengemachter Treibhausgase in ein physikalisches Modell der Erde packen und den Knopf "Zukunft" drücken: Der Planet wird wärmer, extremer, und Deutschland bleibt davon nicht verschont.

Auf diesen Monat zurückblickend wirkt die Tatsache skurril, dass am 2. Juli in einem Ort im Erzgebirge 0,1 Grad gemessen wurden - nahezu Frost. Das erscheint nun wie eine Nachricht aus einer anderen Welt. Die aktuelle Lage wird an diesem Donnerstag allenfalls in manchen Regionen kurzzeitig mit kühleren Temperaturen unterbrochen. Auch im August hält der Deutsche Wetterdienst Temperaturen von mehr als 35 Grad für möglich. Und auf den September vorausblickend wagt der DWD-Meteorologe Simon Trippler eine kühne Prognose: Er sieht Chancen auf einen heißen Herbst mit Tagen von mehr als 30 Grad. Doch wenn im November klamme Kälte in die Wohnzimmer dringt, werden sich viele Deutsche wieder fragen, wann es endlich mal wieder richtig Sommer wird.

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SZ vom 01.08.2018/fued
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