Somalia und Kenia gegen Milizen:Kampf an mehreren Fronten

Gemeinsam gegen al-Shabaab: Somalias Übergangsregierung vertreibt die radikal-islamischen Rebellen aus der Hauptstadt, das Nachbarland Kenia rückt mit Truppen ein. Nach Terroranschlägen und der Entführung von Europäern kämpfen beide Länder zusammen gegen die Islamisten. Auf somalischen Boden.

Die kritische Lage am Horn von Afrika verschärft sich dramatisch: Die somalische Hauptstadt Mogadischu wird von heftigen Kämpfen zwischen der radikal-islamischen Al-Shabaab-Miliz und Truppen der Übergangsregierung sowie der Afrikanischen Union erschüttert. Die Regierung brachte einen von den Milizen besetzten Stadtteil im Nordwesten Mogadischus großteils unter ihre Kontrolle, berichteten Sicherheitsbehörden.

Kenyan troop stand guard at the Garrisa airstrip near the Somali-Kenyan border

Kenianische Soldaten sind nach Somalia einmarschiert, um die Al-Shabaab-Milizen von der Grenze fernzuhalten und entführte Europäerinnen zu retten.

(Foto: REUTERS)

Bei den Kämpfen sollen zwei somalische Soldaten leicht verletzt worden sein. Ein Augenzeuge berichtete außerdem von vier verletzten Zivilisten und zahlreichen Familien, die den Stadtteil fluchtartig verließen.

Auch an anderer Front werden die al-Shabaab bekämpft: Kenianische Truppen sind seit Sonntag mit Panzern und Artillerie etwa 120 Kilometer weit in den Süden des Nachbarlands Somalia vorgerückt. Das Gebiet wird von den Extremisten beherrscht. Nach Angaben der kenianischen Zeitung The Standard haben die kenianischen Einheiten bisher 75 Rebellen getötet, unter anderem bei Luftangriffen.

Der Einmarsch Kenias erfolgt mit Zustimmung und unter Beteiligung der somalischen Übergangsregierung, nachdem in den vergangenen Wochen vier Europäerinnen in Kenia entführt und möglicherweise nach Somalia verschleppt wurden. Kenia lastet al-Shabaab die Verbrechen an und befürchtet massive Einbußen im milliardenschweren Tourismusgeschäft. George Saitoti, der Minister für Innere Sicherheit, sagte, die territoriale Integrität Kenias werde durch den Terrorismus gefährdet. Die Rebellen bestreiten hingegen, in die Entführungen verwickelt zu sein.

Die 66-jährige Französin Marie Dedieu war in der Nacht zum 1. Oktober aus ihrem Haus auf der kenianischen Ferieninsel Manda von zehn bewaffneten Männern nach Somalia verschleppt worden. Am Mittwoch wurde bekannt, dass die krebskranke Frau, die im Rollstuhl saß und auf Medikamente angewiesen war, in Gefangenschaft gestorben ist.

Zwei spanische Helferinnen der Organisation "Ärzte ohne Grenzen" waren am vergangenen Donnerstag in der Nähe des weltgrößten Flüchtlingslagers Dadaab nahe der somalischen Grenze gekidnappt worden. Bereits zuvor war eine britische Touristin vom kenianischen Inselarchipel Lamu entführt worden.

Somalia und Kenia wollen al-Shabaab "auslöschen"

Die Regierungen Somalias und Kenias einigten sich auf eine gemeinsame Strategie im Kampf gegen die Al-Shabaab-Rebellen. Beide Seiten hätten sich darauf verständigt, ihre Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen zu verstärken und das gemeinsame Ziel zu verfolgen, die Gruppe "auszulöschen", berichtete die Zeitung Daily Nation am Mittwoch.

Während sich zwei kenianische Minister am Dienstagabend im Regierungsviertel Mogadischus mit der vom Westen unterstützen somalischen Übergangsregierung trafen, explodierte in der Nähe eine Autobombe. Sie tötete Medienberichten zufolge mindestens fünf Menschen.

Die al-Shabaab, die Verbindungen zum Terrornetzwerk al-Qaida hat, hatte zuletzt auch Kenia mehrmals mit Vergeltung gedroht: "Die kenianische Regierung wird wegen ihres Eindringens auf unser Territorium viele Menschenleben verlieren", sagte ein Sprecher der Rebellen im Radio. "Sie greifen uns aus der Luft und an der Grenze an, und wir müssen uns vereinigen und zurückschlagen." Die Miliz wolle kenianische Interessen "im Herzen" treffen, wenn "die Aggression auf somalischem Boden" nicht beendet werde.

In Kenia wächst die Angst vor Vergeltungsanschlägen

Kenia rief die Bevölkerung in der Hauptstadt Nairobi deshalb zu erhöhter Aufmerksamkeit auf. Im beliebten Urlaubsland steigt die Angst vor Anschlägen. "Wir befinden uns nicht im Krieg mit Somalia", sagte ein kenianischer Regierungssprecher der Nachrichtenagentur dpa. "Wir wollen nur sichergehen, dass diese Verbrecher nicht in die Nähe unserer Grenze kommen, und wir wollen versuchen, die gekidnappten Europäerinnen zu retten."

Kenias Militäroffensive zeigt einen grundsätzlichen Wandel in der Haltung zur Lage im Nachbarland Somalia, das seit Jahrzehnten keine funktionierende Regierung mehr hat. Während andere afrikanische Länder wie Uganda und Burundi Tausende Soldaten nach Mogadischu geschickt haben, um dort gegen die militante Al-Shabaab-Miliz vorzugehen, hat sich Kenia dort bislang nicht aktiv engagiert.

Die al-Shabaab kämpfen seit Jahren gegen die somalische Übergangsregierung und haben weite Teile des Südens und des Zentrums Somalias unter ihrer Kontrolle. Sie blockieren Hilfslieferungen an die Menschen, die in diesem Jahr von einer verheerenden Dürre betroffen sind. Zuletzt tötete die Gruppe bei einem Bombenanschlag in Mogadischus Regierungsviertel Anfang Oktober Dutzende Menschen.

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