Horn von Afrika:Warum Biden erneut Truppen nach Somalia schickt

Horn von Afrika: Ein amerikanischer Soldat 2020 in Somalia, vor dem vom damaligen US-Präsidenten Donald Trump angeordneten Abzug der Truppen.

Ein amerikanischer Soldat 2020 in Somalia, vor dem vom damaligen US-Präsidenten Donald Trump angeordneten Abzug der Truppen.

(Foto: Tech. Sgt. Christopher Ruano/AP)

Die Terrormiliz al-Shabaab fühlt sich durch den amerikanischen Abzug aus Afghanistan ermuntert, den Kampf am Horn von Afrika voranzutreiben. Die USA halten nun dagegen. Aber wird das auch helfen, eine Wende in Somalia herbeizuführen?

Von Arne Perras

US-Präsident Joe Biden hat einer erneuten Entsendung von US-Truppen in das afrikanischen Bürgerkriegsland Somalia zugestimmt. Damit entsprach er einer Bitte des Pentagon, das bis zu 500 US-Spezialkräfte auf somalischem Boden stationieren will, um einer wachsenden Bedrohung durch die islamistische Miliz al-Shabaab zu begegnen. Mit diesem Schritt revidierte Biden die Entscheidung seines Vorgängers Donald Trump, der in den letzten Wochen seiner Amtszeit 750 US-Soldaten abrupt aus Somalia abgezogen hatte.

Sprecherin Karine Jean-Pierre erklärte, schon in der Region befindliche US-Truppen würden zu diesem Zweck "neu positioniert", sie sollen "einen effektiveren Kampf gegen al-Shabaab ermöglichen". Die somalische Miliz habe an Stärke gewonnen und stelle eine erhöhte Bedrohung dar, sagte Jean-Pierre. Die US-Soldaten sind laut Angaben aus Washington keine Kampfeinheiten, sondern sollen als Ausbilder, Ausrüster und Berater das somalische Militär für den Einsatz gegen al-Shabaab trainieren.

Die islamistische Miliz kontrolliert Teile Somalias und versucht, die Zentralregierung in Mogadischu zu stürzen, die von fast 20 000 Mann einer afrikanischen Friedenstruppe geschützt wird. Anfang Mai attackierten die Islamisten ein Camp dieser Truppe, es kamen mindestens zehn Soldaten aus Burundi ums Leben. Die Militärmission, die früher "Amisom" hieß und nun "Atmis", ist von der Afrikanischen Union autorisiert und durch ein UN-Mandat gedeckt. Finanziert wurden die Soldaten bislang vor allem durch die EU.

Somalia gilt schon seit dem Sturz des Diktators Siad Barre im Jahr 1991 als eines der instabilsten Länder Afrikas, rivalisierende Warlords bekriegten sich und trieben den Zerfall des Staates voran, später gewannen islamistische Strömungen an Einfluss, die Miliz al-Shabaab will einen Scharia-Staat errichten. Zum Krieg kommt jetzt noch eine verheerende Dürre, die Millionen Menschen bedroht.

2020 hatte die Miliz zudem ein US-Camp in Kenia attackiert

Auch Attacken auf Konvois der somalischen Regierung und auf Hotels werden al-Shabaab zugeschrieben. 2020 hatte die Miliz zudem ein US-Camp in Kenia attackiert, drei Amerikaner wurden getötet. General Stephen Townsend, Befehlshaber des US Africa Command, nannte die somalische Miliz damals nicht nur eine Gefahr für Somalia und die Region, sondern auch für die USA. Staatsanwälte in Manhattan hatten im selben Jahr Anklage gegen ein mutmaßliches Al-Shabaab-Mitglied aus Kenia erhoben. Der Mann soll auf den Philippinen dafür trainiert haben, ein Flugzeug zu entführen und in ein Gebäude zu fliegen, ähnlich, wie es bei den Angriffen des 11. September geschah.

"Der Abzug amerikanischer Truppen aus Afghanistan und der Sieg der Taliban haben die Gruppe al-Shabaab noch ermuntert", erklärt Omar Mahmood am Telefon. Der Somalia-Experte, der für den Thinktank International Crisis Group forscht, weist zwar darauf hin, dass al-Shabaab nicht mehr so viel Territorium kontrolliere wie früher, allerdings habe sich die Gruppe als sehr anpassungsfähig erwiesen und ihren Einfluss behauptet. Dies gelinge ihr durch "eine Kombination aus Zwang und administrativer Effizienz", wie Mahmood und der Autor Abdihakim Ainte in einem Aufsatz schreiben.

Auch wenn al-Shabaab die städtischen Zentren gar nicht direkt kontrolliere, so wage doch etwa niemand in Mogadischu, auch nur sein Haus zu renovieren, ohne Schutzgeld an al-Shabaab zu bezahlen. Das Forschungsinstitut Hiraal in Mogadischu fand heraus, dass al-Shabaab 2021 180 Millionen US-Dollar Steuern eingenommen hat und 24 Millionen für Waffen ausgab.

Umstritten ist allerdings, ob US-Truppen tatsächlich hilfreich sind, um Somalia zu befrieden. Der Experte Mahmood sagt: "Eine militärische Lösung für Somalias Probleme gibt es nicht. Wenn es nicht gelingt, dort einen Sieg militärisch zu erkämpfen, dann muss man irgendwann mit dem Gegner reden."

Pläne, in Somalia ein demokratisches System aufzubauen, sind bisher gescheitert

Die Miliz hat auch vom zähen Streit um die somalischen Wahlen profitiert, die lange verschleppt wurden und erst am Sonntag zu einem Ergebnis kamen: Neuer Präsident ist nun Hassan Sheikh Mohamud, ein bekanntes Gesicht, er regierte schon einmal von 2012 bis 2017, bis er von Mohamed Abdullahi Mohamed abgelöst wurde. Der hatte die hohen Erwartungen nicht erfüllen können und schließlich die Spannungen noch erhöht, weil er sich zum Ende seiner Amtszeit weiter an die Macht klammerte. Erst zähe Verhandlungen und Drohungen der internationalen Gemeinschaft, den Geldfluss zu stoppen, brachten die Wahl zu einem Ende.

"Die vordringlichste Aufgabe des neuen Präsidenten wird sein, die nationale Versöhnung voranzutreiben", sagt Mahmood. Somalia ist tief gespalten, von außen gestützte politische Akteure gelten oft als korrupt, Stimmenkauf gilt als verbreitetes Übel. Ehrgeizige Pläne, in Somalia ein demokratisches System aufzubauen, sind bisher gescheitert. Mahmood sagt, dass dieses Verfahren vielleicht am Ende von vielen Reformen stehen könne, als ein Ergebnis. Aber es sei eine Illusion zu glauben, dass man so ein System einfach erst mal überstülpen könne, um auf diese Weise alle anderen Probleme gleich mit zu lösen.

Bei den jüngsten Wahlen stimmten 327 Abgeordnete in einem Hangar von Mogadischu ab, sie waren zuvor von Clanvertretern im Land ernannt worden.

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