Mutmaßlicher Attentäter von Solingen:26 Stunden auf der Flucht

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Der mutmaßliche Täter wird am Sonntag nach einem Termin beim Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe zu einem Hubschrauber gebracht. (Foto: Uli Deck/dpa)

Über den Mann, der drei Menschen ermordet haben soll und sich dann der Polizei stellte, ist bisher nicht viel bekannt. Eine große Rolle spielt die Frage, wie eng der mögliche Kontakt zwischen dem IS und Issa al-H. war.

Von Christoph Koopmann

Es ist die große Frage, die über dem Attentat von Solingen steht: Was hat den Täter dazu gebracht, drei Menschen zu ermorden und acht weitere zu verletzen? Am Samstagabend hatte sich, knapp 26 Stunden nach der Tat, der 26 Jahre alte Issa al-H. einer Polizeistreife gestellt und nach Angaben von Ermittlern gesagt: „Ich bin der, den ihr sucht.“ Nach SZ-Informationen aus Sicherheitskreisen hatte er noch Blut an Händen und Kleidung, er habe fahrig gewirkt. „Der war einfach fertig“, sagt ein Insider. Im Tumult nach dem Messerangriff hatte der Täter vom Anschlagsort auf dem Solinger Fronhof flüchten können und sich danach in der Innenstadt versteckt, die Einsatzkräfte eine Nacht und einen Tag lang absuchten.

Sie fanden nach wenigen Stunden eine Jacke, darin steckte ein Ausweis von Issa al-H. An einem Messer, das in einer Mülltonne in der Stadt gefunden wurde, stellten die Ermittler laut einem Spiegel-Bericht inzwischen DNA-Spuren des Mannes fest. Der Verdächtige soll es sich aus dem Messerblock in der Geflüchtetenunterkunft gegriffen haben, in der er lebte. Zum Tatmotiv soll sich der Festgenommene nach Angaben aus Sicherheitskreisen bisher nicht geäußert haben.

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Doch die Bundesanwaltschaft ist überzeugt, dass er im Namen des „Islamischen Staats“ gehandelt hat und vorhatte, „eine möglichst große Anzahl aus seiner Sicht ungläubiger Menschen zu töten“, wie die Behörde mitteilte. Wie die Staatsanwälte das im Detail begründen, ist noch nicht bekannt, aber dem Haftrichter beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe reichten die Argumente, er schickte Issa al-H. in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm auch die Mitgliedschaft im IS vor – ein Tatbestand, für dessen Nachweis bloßer Kontakt zu der Terrorgruppe nicht reicht. Der Breitscheidplatz-Attentäter Anis Amri, zu dessen Anschlag sich die Terrororganisation wie jetzt im Fall Solingen bekannte und der nachweislich Kontakt zu IS-Kadern hatte, war nach Erkenntnissen der deutschen Ermittler nie formal Mitglied des IS, wie der damalige Generalbundesanwalt Peter Frank 2020 im Untersuchungsausschuss des Bundestags sagte.

Am Samstagabend hatte der IS über seinen Propagandakanal Amaq verbreitet, der Täter von Solingen sei „ein Soldat des Islamischen Staats“, allerdings ohne konkrete Belege oder Täterwissen anzuführen. Einen Tag später wurden über Amaq drei Videos verbreitet, die einen Vermummten zeigen – angeblich Issa al-H. Die Ermittler halten es nach SZ-Informationen für sehr wahrscheinlich, dass er das wirklich ist, abschließend geklärt war es aber am Montagnachmittag noch nicht.

Issa al-H. lebte nur ein paar Hundert Meter vom Tatort entfernt

Aus Ermittlerkreisen waren bislang lediglich einige Details aus al-H.s Lebenslauf zu erfahren. Demnach wurde er in der syrischen Stadt Deir al-Zor geboren, die im syrischen Bürgerkrieg jahrelang vom IS belagert und teilweise eingenommen wurde. Ende 2022 kam er als Flüchtling über Bulgarien nach Deutschland und beantragte bei der Bielefelder Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Asyl. Er wurde in Paderborn untergebracht – und sein Asylantrag abgelehnt. Eine Überstellung nach Bulgarien, das als Einreiseland in die EU eigentlich für ihn zuständig gewesen wäre, scheiterte im Sommer 2023. Ende des Jahres bekam Issa al-H. subsidiären Schutz in Deutschland, durfte sich also fortan regulär in der Bundesrepublik aufhalten. Er wurde nach Solingen geschickt, wo er bis zuletzt in einer Unterkunft für Geflüchtete lebte, die im ehemaligen Finanzamt eingerichtet wurde. Nur ein paar Hundert Meter vom Tatort entfernt.

(Foto: SZ-Grafik)

Was der Mann tatsächlich mit dem IS zu tun hatte und auch, wie er sich möglicherweise radikalisiert hat, ob es eventuell Mitwisser gab, all das versuchen die Ermittler nun herauszufinden. Klar ist nur: Bis zur Tat war Issa al-H. weder Polizei noch Verfassungsschutz aufgefallen, war nirgends als Straftäter oder Islamist verzeichnet. Zunächst haben die Sicherheitsbehörden auch kein Handy des Verdächtigen finden können. Von einer Auswertung seiner Kommunikation erhoffen sie sich Antworten auf die vielen Fragen, die sich nun stellen.

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