Am Tag nach dem Messerangriff in Solingen mit drei Toten und mehreren Verletzten ist der Täter immer noch flüchtig. Die Polizei hat am Samstagmorgen einen 15-Jährigen festgenommen, bei dem geprüft werde, ob er von der Tat gewusst und sie nicht angezeigt habe. Die Behörden haben auf einer Pressekonferenz am Nachmittag zudem bestätigt, mehrere Messer sichergestellt zu haben. Bei diesen werde nun überprüft, ob es sich hierbei um die Tatwaffe handele – und wenn ja, welches davon.
Bei dem Angriff bei einem Stadtfest waren am Freitagabend drei Menschen getötet worden. Acht wurden verletzt, aktuell gebe es noch vier Schwerstverletzte, hieß es auf der Pressekonferenz am Samstag. Die Fahndung nach dem Täter und weitere Ermittlungen liefen derzeit in Nordrhein-Westfalen und im Bundesgebiet.
Was darüber hinaus bekannt ist – und was nicht.
Der Tathergang
In Solingen hat an diesem Wochenende ein Stadtfest stattgefunden, aus Anlass des 650-jährigen Bestehens der Stadt in Nordrhein-Westfalen. Das Fest wurde am Freitag mit einem „Festival der Vielfalt“ eröffnet. An drei verschiedenen Plätzen waren Bühnen für Livemusik und Shows aufgebaut, auch auf dem Fronhof im Zentrum von Solingen. Um 21:37 Uhr gingen mehrere Notrufe bei der Polizei ein, dass vor der Bühne eine männliche Person auf Festivalbesucher einsteche.
Im WDR-Fernsehen berichtete Mitveranstalter Philipp Müller am Samstagvormittag, was ihm der Stagemanager und das Security-Personal des Fronhofs am Freitagabend mitgeteilt hätten. Demnach sei die Tat sehr schnell vor sich gegangen, „zwei, drei Hiebe gegen die Hälse“, dann sei der Angreifer auch schon geflüchtet.
Das zuständige Polizeipräsidium Düsseldorf bestätigt diesen Tathergang zunächst nicht, da die Zeugenbefragung noch liefen und noch vieles widersprüchlich sei. Auf Nachfragen dazu bei der Pressekonferenz in Wuppertal sagte Düsseldorfer Polizeiführer Thorsten Fleiß allerdings, dass das vorliegende Bildmaterial sehr gezielte Stiche in den Hals zeige – nachdem es zuvor geheißen hatte, dass kein Bildmaterial vom Täter vorliege. Darauf angesprochen konkretisierte er: Es seien Aufnahmen in den sozialen Netzwerken im Umlauf, die jedoch bisher nicht so konkret zugeordnet werden könnten, dass sich daraus eine Täterbeschreibung generieren ließe.
Die Behörden bekräftigten daher auch mehrmals die Bitte, vorhandenes Bild- und Videomaterial direkt an die Polizei zu schicken und nicht ins Netz hochzuladen. Dort mische es sich mit alten und KI-generierten Inhalten und schüre so Ängste bei der Bevölkerung.
In der Panik sei es dem Täter gelungen zu fliehen, Augenzeugen berichten dem Solinger Tageblatt, er sei in Richtung Hauptstraße gelaufen und verschwunden.
Die Polizei rief die Menschen in Solingen dazu auf, zu Hause zu bleiben und warnte vor dem flüchtigen Täter. Das Festival auf dem Fronhof und den benachbarten Plätzen wurde abgebrochen, die Menschen nach Hause geschickt. Auch Feste in benachbarten Städten und Gemeinden wurden am Samstag abgesagt.
Die Opfer
Die Polizei meldet, dass drei Menschen durch den Messerangriff getötet wurden: zwei Männer und eine Frau. Acht weitere sollen verletzt sein, vier davon seien schwerstverletzt. Zu ihrem Zustand ist derzeit nichts bekannt. Die Behörden sprechen von zahlreichen Augenzeugen, die unter Schock stünden und psychologische Hilfe benötigten.
Bei den Toten handelt es sich der Polizei zufolge um einen 67-jährigen Mann, einen 56-jährigen Mann sowie eine 56-jährige Frau, die untereinander in keiner Beziehung standen. Zwei von ihnen sollen aus Solingen stammen, eine Person aus Düsseldorf.
Der Täter und das Motiv
Zum Täter ist bislang nichts bekannt. Aussehen, Alter oder Herkunft des Täters sind ungewiss. Die Polizei sagt, sie habe dazu keine belastbaren Informationen. Die Polizei warnt davor, den Gerüchten über Nationalität oder Aussehen Glauben zu schenken: „Noch wissen wir dazu nichts.“ Es sei noch immer schwierig, die verschiedenen Zeugenbeschreibungen übereinanderzulegen, hieß es. Zudem sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt nichts schädlicher, als eine Täterbeschreibung herauszugeben, die sich später als nicht zutreffend herausstelle.
Auch auf den derzeitigen Aufenthaltsort des Täters gibt es keine Hinweise. Alle Zeugenaussagen deuteten auf eine Einzeltäterschaft hin. Allerdings ist am Samstagmorgen ein 15-Jähriger festgenommen worden. „Nach vorliegenden Zeugenaussagen soll eine bislang unbekannte Person kurz vor dem Angriff mit dem Jugendlichen über Absichten gesprochen haben, die zur Tatausführung passen würden“, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Markus Caspers. Ob diese Person der Täter ist, wissen die Ermittler nach eigenen Angaben noch nicht. Einem Bericht der Bild zufolge geben zwei Zeuginnen an, dass der Unbekannte zu dem 15-Jährigen gesagt habe: „Heute steche ich alle ab!“ Die Zeuginnen für das Gespräch hätten die Tat selbst nicht beobachtet.
Die Behörden sprechen derzeit von einem Anschlag und schließen Terrorismus nicht aus. Noch sei der Täter nicht ermittelt, sagte Caspers. „Eine Motivlage konnten wir bisher auch nicht erkennen, wir gehen aber nach den Gesamtumständen davon aus, dass der Anfangsverdacht einer terroristisch motivierten Tat nicht ausgeschlossen werden kann.“ Sollten sich die Hinweise auf eine terroristische Straftat verdichten, komme eine Übernahme des Falles durch den Generalbundesanwalt in Betracht.
Die Ermittlungen
Derzeit laufen Polizeiaktionen in ganz Nordrhein-Westfalen und im gesamten Bundesgebiet, wie Polizeiführer Thorsten Fleiß sagte. Er sprach von umfangreichen Ermittlungsmaßnahmen. Dabei gehe es um Details zum Täter sowie zum Tathergang. Aus ganz Nordrhein-Westfalen seien Kräfte zusammengezogen worden. Kurz nach der Tat hatte die Polizei in Solingen mehrere Straßen gesperrt und mit mindestens einem Hubschrauber nach dem flüchtigen Täter gesucht. Die Herausforderung sei, die vorhandenen Spurenaufnahmen und Zeugenaussagen zusammenzubringen.
Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters.