Sicherheit:„Wir müssen uns vor solchen Angriffen schützen“

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Der Bundespräsident beim ZDF-Sommerinterview: Frank-Walter Steinmeier spricht vor dem Kloster Jerichow mit Moderatorin Diana Zimmermann. (Foto: Daniel Pilar/dpa)

Der Bundespräsident fordert nach dem Anschlag von Solingen, die Terrorabwehr zu verbessern. Auch in der Koalition und Opposition wird über Konsequenzen aus dem Attentat debattiert. Einige davon wären weitreichend.

Von Daniel Brössler, Constanze von Bullion, Berlin

Drei Tote, acht Verletzte und neue Konflikte um die Asylpolitik – nach dem mörderischen Angriff in Solingen wächst der Druck auf die Bundesregierung, konsequenter gegen Messergewalt und Extremismus vorzugehen. „Wir müssen uns vor solchen Angriffen schützen, vielleicht auch besser schützen“, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Sonntag im Sommerinterview des ZDF. Dafür müssten die Sicherheitsbehörden auch erweiterte Befugnisse bei Terrorbedrohungen erhalten. „Es gibt ein Gesetzgebungsvorhaben innerhalb der Bundesregierung, die Zuständigkeiten des BKA bei Terrorismusgefahr zu erweitern. Ich glaube, darüber wird man jetzt beschleunigt beraten müssen“, sagte Steinmeier.

Am Freitagabend hatte ein Attentäter bei der 650-Jahr-Feier der Stadt Solingen mit einem Messer auf Festgäste eingestochen. Nach Augenzeugenberichten soll er auf die Halsregion seiner Opfer gezielt haben. Drei Personen starben, acht weitere wurden teilweise schwer verletzt. Die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen Mordes, versuchten Mordes und der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat das Attentat für sich reklamiert. Am späten Samstagabend hat sich in Solingen ein 26 Jahre alter Syrer der Polizei gestellt und die Tat gestanden. Ein islamistischer Hintergrund liegt nahe, wurde zunächst aber nicht bestätigt. Am Sonntag erging ein Haftbefehl gegen den Tatverdächtigen, teilte der Generalbundesanwalt in Karlsruhe mit, der die Ermittlungen übernommen hat. Der Verdächtige sitzt nun in Untersuchungshaft. Der Fall sorgt auch wegen der bevorstehenden Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen für Entsetzen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wollte am Montag nach Solingen reisen.

Nach Angaben aus Sicherheitskreisen lebt der tatverdächtige Syrer mit subsidiärem, also eingeschränktem Schutz in Deutschland. 2023 sollte er eigentlich nach Bulgarien abgeschoben werden, weil er dort in die EU eingereist war. Weil die Polizei ihn nicht antraf, verstrich eine Frist und die Bundesrepublik wurde für das Asylverfahren zuständig. Ob der Tatverdächtige tatsächlich im Auftrag des IS gehandelt hat und islamistisch motiviert war, war am Sonntag noch Gegenstand der Ermittlungen.

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Er sticht wahllos zu, zielt auf die Hälse – und handelte offenbar im Auftrag des „Islamischen Staats“. Am Samstagabend nimmt die Polizei den Mann fest. Er lebte nur 250 Meter vom Tatort entfernt in einer Flüchtlingsunterkunft.

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Die Tat verschärft in der Bundesregierung nun die Debatte über Messerverbote, aber auch über verstärkte Terrorbekämpfung. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat kürzlich einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Befugnisse von Polizeibehörden erheblich ausweiten soll. Bei einem Verdacht auf schwere Straftaten sollen Ermittlungsbehörden demnach unbemerkt in Wohnungen und Rechner eindringen können. Auch die Nutzung digitaler Gesichtserkennungsprogramme will Faeser der Polizei erlauben. Die FDP lehnte das bis zuletzt strikt ab.

Strittig in der Koalition ist aber auch die Ausweitung von Messerverboten, die die Innenministerin fordert. Faeser will gefährliche Springmesser, die auf Knopfdruck aufspringen, ganz verbieten. Auch das Führen von Messern, deren Klinge länger als sechs Zentimeter ist, will die Ministerin in der Öffentlichkeit untersagen. Neu gekaufte Haushaltsmesser sollen nur noch in der Verpackung transportiert werden dürfen.

Die FDP bewegt sich im Streit um Messerverbote

Zu kompliziert, ineffektiv, kaum zu überwachen – in der FDP stieß Faesers Vorstoß auf Kritik. Insbesondere FDP-Chef Christian Lindner, ein Freund der Jagd, stemmt sich seit Langem gegen eine Verschärfung des Waffenrechts. Bislang ging es dabei vor allem um Schusswaffen. Aber auch eine Ausweitung bestehender Messerverbote lehnte die FDP ab.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) ließ am Wochenende erkennen, dass hier Bewegung in die Debatte kommt. „Wir werden nun in der Bundesregierung darüber beraten, wie wir den Kampf gegen diese Art der Messer-Kriminalität weiter voranbringen“, sagte er Bild am Sonntag. Nicht das Ob, sondern das Wie einer Waffenrechtsreform wird demnach jetzt erörtert. Nach Angaben aus Regierungskreisen gab es in der Bundesregierung dazu am Wochenende intensive Gespräche.

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Bundesinnenministerin Faeser werde zügig Vertreter der Länder und der Union einladen. Der Kanzler reagiert damit auf das gestrige Angebot von CDU-Chef Merz.

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Doch selbst wenn die FDP nun der Ausweitung von Messerverboten zustimmt: Die von Faeser geforderte umfassende Reform des Waffenrechts, die auch das Verbot halbautomatischer Waffen einschließen soll, wird deshalb vorerst trotzdem nicht kommen. Die Ministerin plane, das Messerverbot von einer Neuregelung für Schusswaffen abzutrennen, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums kürzlich. Mehr lässt sich mit der FDP bislang offenbar nicht erreichen.

Zahlreiche Politiker forderten am Sonntag eine härtere Gangart gegen Attentäter. „Personen, die bei uns Schutz suchen und schwere Straftaten begehen, verlieren ihren Schutzanspruch. Mörder und Terroristen sind nicht willkommen“, sagte der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz schrieb auf X: „Nicht die Messer sind das Problem, sondern die Personen, die damit herumlaufen. In der Mehrzahl der Fälle sind dies Flüchtlinge, in der Mehrzahl der Taten stehen islamistische Motive dahinter.“ Er forderte, aus Syrien und Afghanistan keine Geflüchteten mehr aufzunehmen. SPD-Chefin Saskia Esken forderte in der Rheinischen Post eine „konsequente Abschiebung von Straftätern und islamistischen Gefährdern auch nach Syrien und Afghanistan“.

CSU-Chef Markus Söder nahm die Tat in Solingen zum Anlass für eine Abrechnung mit der gesamten Asylpolitik der Regierung. „Wir spüren, dass uns das Thema Migration in Deutschland über den Kopf wächst“, sagte er im ARD-Sommerinterview. Bislang habe die Bundesregierung „kein einziges Gesetz zur Stärkung der inneren Sicherheit auf den Weg bringen können“, sagte der Parlamentarischer Geschäftsführer der Union, Thorsten Frei (CDU), der Süddeutschen Zeitung.

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