Nach der tödlichen Messerattacke in Solingen hat Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigt, schnelle Konsequenzen aus der Tat zu ziehen. „Alles, was in unserer Macht, was in unseren Möglichkeiten liegt, muss auch getan werden“, sagte der Sozialdemokrat bei einem Besuch des Anschlagsorts im Zentrum der rheinischen Stadt. Doch darüber, was geschehen soll, äußern Regierung und Opposition nun unterschiedliche Vorstellungen.
Zum einen müssten die waffenrechtlichen Regelungen noch einmal weiter verschärft werden, erklärte Scholz. Das gelte vor allem dem Einsatz von Messern und werde „jetzt auch ganz schnell passieren“. Zum anderen werde man „alles dafür tun müssen, dass diejenigen, die hier in Deutschland nicht bleiben können und dürfen, auch zurückgeführt und abgeschoben werden“, deutete der Kanzler mögliche Änderungen in der Migrationspolitik nur an.
Scholz verwies darauf, dass die Ampelkoalition Abschiebungen bereits erleichtert habe. Erst im Januar hatte der Bundestag unter anderem eine längere Abschiebehaft und erweiterte Befugnisse der Polizei bei Abschiebungen beschlossen. Laut Scholz ist die Zahl der Abgeschobenen seither um 30 Prozent gestiegen, auch die irreguläre Migration sei nach Einführung von Grenzkontrollen zurückgegangen. Das sei aber „noch lange kein Anlass, die Hände in den Schoß zu legen“, es müsse „notfalls“ auch weitere Rechtsänderungen geben. Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) erklärten, die Bundesregierung werde nun über neue Maßnahmen im Kampf gegen Islamismus, schnellere Abschiebungen in andere EU-Staaten und Waffenrechtsverschärfungen beraten. „Das ist der Dreiklang, an dem wir jetzt arbeiten“, sagte Buschmann am Montag.
Er sei „wütend und zornig“ über die Tat, sagte der Kanzler in Solingen: „Das ist Terrorismus, Terrorismus gegen uns alle.“ Gemeinsam mit Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) hatte er zuvor Blumen auf dem Platz niedergelegt, auf dem ein Attentäter während eines Stadtfestes am Freitagabend mit Messerhieben zwei Männer und eine Frau getötet und acht Menschen zum Teil sehr schwer verletzt hatte.
Der Tatverdächtige kam Weihnachten 2022 nach Deutschland
Als Tatverdächtiger sitzt seit Sonntagabend ein 26-jähriger Syrer in Untersuchungshaft. Issa al-H., der nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft die islamistische Ideologie der Terrororganisation „Islamischer Staat“ teilt, war am ersten Weihnachtsfeiertag 2022 nach Deutschland gekommen und hatte Asyl beantragt. Ein Versuch, ihn ins eigentlich für sein Gesuch zuständige Bulgarien zu überstellen, war im Juni 2023 gescheitert. Der Mann war nicht aufzufinden gewesen und erst wieder aufgetaucht, nachdem die Frist für eine Überstellung abgelaufen war – auch das ein Element der Tat, das nun die Debatte um den Umgang mit der Fluchtmigration befeuert.
„Wenn etwas schiefgelaufen ist, muss das klar benannt werden“, sagte NRW-Ministerpräsident Wüst in Solingen. Er forderte die Bundesregierung zur Verschärfung der Asylpolitik auf: „Ankündigungen alleine werden nicht reichen.“ Es gehe „um die Frage, ob Menschen, die dauerhaft kein Recht haben, hier zu sein, einfacher dieses Land wieder verlassen können oder am besten erst gar nicht kommen“. Es müsse möglich sein, Menschen auch in Teile Syriens und nach Afghanistan abzuschieben, sagte der CDU-Politiker. Dazu brauche es eine neue Lagebewertung des Auswärtigen Amtes.
Er wiederholte damit eine Forderung, die CDU-Chef Friedrich Merz bereits tags zuvor gestellt hatte. Der Oppositionsführer und der Bundeskanzler wollten sich noch in dieser Woche treffen, um sich über die Migrationspolitik auszutauschen, sagte der CDU/CSU-Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei am Montag. Das Treffen sei schon für diesen Dienstag geplant, hieß es in Berlin. Man brauche in der Migrationspolitik „jetzt den großen Wurf, im Grunde genommen eine grundlegende Wende gegenüber der bisherigen Politik“, sagte Frei. Die „Parteien der demokratischen Mitte“ müssten hier nun zusammenfinden.
Merz forderte Scholz auf, mit der Union Konsequenzen aus dem Anschlag von Solingen zu ziehen. CDU und CSU wollten nicht an der Regierung beteiligt werden, stünden aber bereit, „vernünftige“ Gesetze mitzutragen, wenn der SPD-Politiker Scholz dafür keine Mehrheit in der Ampel finde, sagte Merz am Montagabend bei einem Auftritt in Dresden. Die geplante Verschärfung der Waffengesetze nannte Merz „barer Unfug“, der nichts bewirken würde.
Noch im vergangenen November war ein Treffen, bei dem Scholz und Merz über die Migration gesprochen hatten, ohne Ergebnis geblieben. Auch jetzt machte die Bundesregierung klar, dass sie zentrale Teile des Forderungskatalogs, den Merz aufgestellt hat, ablehnt. So forderte der CDU-Vorsitzende, keine Menschen mehr aus Syrien und Afghanistan aufzunehmen. Diese Forderung wies Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag zurück. Ein solcher Aufnahmestopp würde gegen das Grundgesetz und die EU-Menschenrechtskonvention verstoßen. Das sei etwas, „an das niemand ernsthaft herangehen will“, sagte Hebestreit.