Soldaten:Rennen, tragen, heben

Wie die Bundeswehr die Fitness der Truppe verbessern möchte.

Von Thomas Hahn

Das Schweißvergießen in der Ernst-Moritz-Arndt-Kaserne im mecklenburgischen Hagenow steht dieser Tage unter besonderer Beobachtung. Ein Pilotprojekt hat dort begonnen, das mit deutscher Gründlichkeit die Problemzonen nationaler Rekrutinnen und Rekruten angreifen soll. Sportlehrer und Wissenschaftler sind beteiligt, es geht um Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit, um Tätigkeiten mit Muskelkater-Potenzial für Untrainierte also. Das Panzergrenadierbataillon 401 ist die Testtruppe für ein ehrgeiziges Programm, das der Heeres-Inspekteur Jörg Vollmer seinen Leuten verschrieben hat. Erklärtes Ziel: Die Bundeswehr soll fitter werden. Seit Generationen beklagen Großväter, dass die Konsumgesellschaft die Jugend verderbe. Sie habe keinen Schneid mehr, keine Härte, keine Lust auf körperliche Leistung in einer Welt voller Autos und Rolltreppen. Verallgemeinerungen führen dabei leicht in die Irre. Aber wahr ist, dass viele Menschen im Computerzeitalter ihren Körper nicht so trimmen, wie das seiner Leistungsfähigkeit zuträglich wäre. Mediziner und Wissenschaftler mahnen seit Jahrzehnten, dass Fitnessmangel um sich greife und Zivilisationskrankheiten wie Diabetes und Fettleibigkeit mitbefördere.

Die Bundeswehr betrifft die Entwicklung auch. In den vergangenen Monaten kam es immer wieder vor, dass Soldaten bei Übungen kollabierten. Der schlimmste Fall ereignete sich im Sommer 2017 im niedersächsischen Munster. Bei einem Lauf mit Strafrunden erlitten vier Soldaten einen Hitzschlag. Einer davon starb.

Der Abschlussbericht der Bundeswehr zu dem Fall steht aus, die Staatsanwaltschaft ermittelt. Es wäre zu einfach, die Tragödie nur fehlender Fitness zuzuschreiben. Trotzdem reagiert Inspekteur Vollmer mit mehr Sport in der Grundausbildung. Zu Recht, wie Hans-Peter Bartels (SPD), der Wehrbeauftragte des Bundestages, findet. Auch weil die Bundeswehr seit dem Ende der Wehrpflicht auf mehr Menschen mit unterschiedlicher Leistungsfähigkeit angewiesen sei. "Die Rekrutierungsbasis ist anders. Die Leute, die kommen, sind anders. Damit muss man dann auch anders umgehen", sagt Bartels.

Neue Standards sollen sicherstellen, dass jeder Soldat das Training bekommt, das er braucht. "Ziel ist es, eine gemeinsame Basis für die Auftragserfüllung zu schaffen", erklärt die Bundeswehr. In dem Pilotprojekt von Hagenow erprobt sie mehr Sportstunden und eine erweiterte Test-Routine. Diese besteht aus dem sogenannten Basis-Fitness-Test mit Zehn-Meter-Sprints, Klimmhang auf Zeit und 1000-Meter-Lauf. Außerdem müssen die Rekrutinnen und Rekruten einen Handlungsparcours durchlaufen, der die Disziplinen Bewegung, Ziehen, Tragen und Heben prüft. Je nach Abschneiden werden sie dann drei verschiedenen Leistungsgruppen zugeordnet, in denen jeder nach Bedarf an seiner Fitness arbeitet. Zwischen- und Abschlusstests sollen zeigen, ob die Plackerei erfolgreich war.

Wissenschaftler werden analysieren, welche Fortschritte die Rekruten in Hagenow machen. Wenn sie den Eindruck haben, dass sich das neue Trainingssystem bewährt, soll es Mitte 2019 für das ganze Heer eingeführt werden. Dann werden alle angehenden Soldaten in Deutschland nach System sporteln.

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